Kapitel 22

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POV Mila

Genervt laufe ich durch die Straßen auf dem Weg zu Noahs Freund, um ihn abzuholen. Taylors Verhalten macht mich unfassbar wütend, obwohl ich gleichzeitig Mitleid mit ihr habe. Sie spielt mit meinen Gefühlen, von denen ich nicht mal wusste, dass ich sie haben kann. Wenn die Mädchen, mit denen ich geschlafen habe, sich so fühlen, bekomme ich tatsächlich Reuegefühle. Sie zu küssen war was ganz anderes und sicher nichts, was ich nur einmalig haben möchte. Sie wird mich immer wegstoßen und trotzdem weiß ich, dass sie es genauso will wie ich. Sie hat mich geküsst, ich habe sie nicht dazu gedrängt. Ich schnappe mir einen Stein und schmeiße ihn gegen eine Mauer. Warum habe ich sie so nah an mich herangelassen? Anna hatte Recht, ich bin ein Idiot. Ich habe genug Dinge in meinem Leben, die ich verstecke. Wenigstens zu meiner Sexualität will ich stehen und ich brauche niemanden, der mich genauso verheimlicht wie ich meinen Vater. Ich komme zu dem Haus der Party und bin froh, dass mein Bruder mich ablenkt. Allerdings schläft er in meinem Arm auf dem Weg nach Hause ein. Zum Glück ist es nicht mehr weit, doch zuhause falle ich erschöpft ins Bett. Meine Gedanken sind immer noch bei Taylor und ihren weichen Lippen, was ist nur los mit mir.

Am Montagmorgen komme ich mal wieder zu spät und ignoriere Taylors Blicke auf mir. Mein Vater ist am Morgen verschwunden, was nichts gutes bedeuten kann. Ich brauche jetzt nicht noch mehr Probleme in Form eines viel zu hübschen Mädchens. Die Stunde zieht sich, aber ausnahmsweise höre ich dem Lehrer tatsächlich zu. Ich möchte nicht noch mehr Nachhilfe von Taylor, auch wenn sie mir jetzt schon ziemlich geholfen hat. In der Pause gehe ich schnell zu Anna und wir gehen nach draußen rauchen. „Was ist los?", fragt meine beste Freundin, nachdem sie mich eingehend gemustert hat. Ich zucke die Achseln und schaue zu den jüngeren Schülern, die Basketball spielen. „Krise mit der Nonne?", fragt Anna grinsend, doch wie aus Reflex haue ich ihr gegens Bein. „Nenn sie nicht so", sage ich und bin selbst davon überrascht, wie eisern ich Taylor verteidige. Ich verziehe das Gesicht über mich selbst und in Annas Augen tritt Erkenntnis. „Junge, du magst sie. Das glaub ich jetzt nicht." Ich verdrehe genervt die Augen, doch sie nimmt gerade erst Fahrt auf. „Ist jetzt nicht wahr, dass so jemand es schafft, dich zu ändern. Du bist echt am Arsch." Ich seufze, als wüsste ich das nicht selbst. Ich bin in Taylor verknallt und wünschte wirklich, es wäre nicht so. Zum Glück weicht Anna den ganzen Tag nicht mehr von meiner Seite, sodass ich mit niemand anderen reden muss. Beim Boxtraining lasse ich meinen Frust am Boxsack aus und bin ausnahmsweise echt froh, dass Taylor beim Tanzen ist.

POV Taylor

Es ist jetzt der dritte Tag in Folge, an dem Mila mich vollständig links liegen lässt. Ich habe es vielleicht verdient, aber gleichzeitig fühle ich mich unfair behandelt. Ich würde ihr so gerne erklären, warum ich so bin. Ich mag sie wirklich, aber ich darf sie nicht auf diese Weise mögen. Sie bringt mich durcheinander und ich kann nicht mehr klar denken. Ich habe mir gewünscht, Abstand von ihr zu bekommen, aber ihre Ignoranz tut mir weh. Zumindest heute beim Training wird sie mit mir reden müssen. Ich warte ungeduldig, bis der Unterricht vorbei ist und laufe dann zur Turnhalle. Mila ist tatsächlich schon da und boxt auf einen Boxsack ein. Sie trägt dabei nur ihre Bandagen statt Handschuhen und sieht ziemlich aggressiv aus. Ich atme tief durch und gehe zu ihr. „Hey", sage ich, doch sie reagiert nicht darauf. Ich seufze und versuche es nochmal: „Kann ich mit dir reden?" Genervt dreht sie sich zu mir um und fragt schweratmend: „Was willst du?" Ihr Blick schüchtert mich ein und ich weiß nicht, womit ich anfangen soll. „Es tut mir leid", sage ich, doch Mila verdreht die Augen und schnappt sich ihre Trinkflasche. „Lass es einfach", murmelt sie und trinkt etwas. Ich gehe ihr hinterher und reibe mir über den Arm: „Ich wollte dich nicht verletzen." Darauf schnaubt Mila nur und meint: „Hast du nicht." Sie stellt sich dicht vor mich und schaut auf mich herab. Ihr Blick ist kalt, als sie sagt: „Es war ja ganz nett, aber erwarte nicht, dass du mir irgendwas bedeutest." Ich schlucke und versuche ihrem Blick stand zu halten, obwohl sie mich gerade verletzt. Nicks Worte kommen wie so oft in meinen Kopf, er hatte Recht. „Du kannst mich mal", sage ich fest und schubse sie. Sofort blitzt Wut in Milas Augen auf und sie packt mich am Kragen von meinem Trikot. Blitzschnell holt sie aus und ich bekomme kurz echt Angst. Ihr ganzer Körper steht unter Spannung, als sie mir in die Augen starrt, die Faust immer noch über mir. Sie schluckt und flüstert: „Mach das nie wieder." Dann lässt sie mich los und läuft zu ihrer Sporttasche. Nach wenigen Sekunde ist sie weg und ich zittere immer noch leicht.

POV Mila

Im Bus auf dem Weg nach Hause ärgere ich mich über mich selbst. Warum kann ich meine Aggressionen nicht kontrollieren. Ich hätte gerade fast das Mädchen geschlagen, für das ich Gefühle entwickele. Sie hatte Angst vor mir, ich habe es genau in ihren Augen gesehen. Diese Angst habe ich auch in den Augen meines letzten Boxgegners gesehen. Ich habe ihm mehrfach die Nase gebrochen, weil ich ausgetickt bin und nur noch rot gesehen habe. Taylor hat mich provoziert, aber sie kann wohl kaum wissen, was ich für ein Arschloch bin. Ich wollte ihr doch nicht wehtun, das würde ich nie. Vermutlich wird sie aber genau das denken. Mein Blick fällt auf ein Plakat an einer Bushaltestelle, am Samstag ist der Tanzwettbewerb. Vielleicht kann ich es schaffen, vor dem Turnier Taylors Auftritt zu sehen. Selbst wenn zwischen uns alles scheiße ist, will ich sie doch irgendwie unterstützen.

Noah fragt mich abends, ob wir bald wieder was mit Taylor unternehmen können. Ich weiß nicht wirklich was ich ihm sagen soll. „Sie hat gerade viel zu tun", meine ich und lege mich zu meinem Bruder ins Bett. Er kuschelt sich an mich und ich erinnere mich daran, wie Taylor hier mit ihm gelegen hat. Sie ist etwas Besonderes, auch wenn sie nicht einfach ist. In meinem Leben soll wohl einfach nichts einfach sein. Mein Vater kommt spät in der Nacht nach Hause und man hört deutlich, dass er nicht gerade laufen kann. Ich weine nicht oft, aber in dieser Nacht überkommt es mich und die Tränen laufen über meine Wangen.

Wieso kann ich nicht einfach ein normales Leben haben?

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