POV Mila
Mein Kopf sagt mir alarmierend deutlich, dass ich sofort von hier weg sollte. Alles andere in meinem Körper allerdings genießt jede Sekunde dieses Momentes. Ihr nach all diesen Wochen wieder nah zu sein, in ihre Augen zu sehen. Ihre Wange ist blau von meinem Schlag und einem Teil von mir tut es leid, dass ich sie verletzt habe. All die Jahre hätte ich jeden meiner Gegner am liebsten bewusstlos geschlagen, doch sie hat alles verändert. Ihre Hand liegt noch immer in meinen Haaren und ich spüre, dass ich sie genau dort haben will. Niemand anderes dürfte meine Haare berühren, geschweige denn meine Frisur zerstören. Den ganzen finalen Kampf über war ich so angespannt, doch eine ihrer Berührungen bringt mich sofort herunter. Ich sehe und spüre nur noch Taylor und mein Kopf schaltet sich aus. Ohne es bewusst zu kontrollieren, beuge ich mich zu ihr herunter und lege meine Lippen auf ihre. Keine Ahnung, was ich hier tue, aber es fühlt sich so gut an. Sofort erwidert sie die Bewegung meiner Lippen und fährt mit ihrer Hand tiefer in meine Haare. Unsere Zungen berühren sich und ich spüre deutlich, dass ich sie hier und jetzt mehr will als alles andere. Ihre Fingernägel krallen sich in meinen Rücken und sofort findet meine Hand den Weg unter ihr Shirt. Wie sehr habe ich ihre weiche Haut vermisst. Ich richte mich leicht auf und ziehe sie mit mir, keine Sekunde löse ich meine Lippen von ihrem Mund. Sie schmeckt nach Erdbeeren, nach Sommer, nach Tay und es macht mich süchtig. Wie konnte ich je aufhören, sie zu küssen? Vor mein inneres Auge schießt das Bild vom Kuss zwischen Taylor und Chris und sofort löse ich mich von ihr. Blitzschnell schiebe ich sie von mir weg und springe auf. Schweratmend sieht sie mich an, ihre Lippen sind leicht geschwollen und ihre Wangen sind rosa. Ich atme mindestens genauso schwer und brauche viel Überwindung, um mich nicht wieder zu ihr zu knien. Was mache ich hier bloß? Ich wollte dieses Mädchen für immer vergessen und stattdessen küsse ich sie einfach so. Ich wollte ihr nie mehr die Chance geben, mich zu verletzen und jetzt zwinge ich sie förmlich dazu. Wie kann jemand solch eine Wirkung auf mich haben? „Mila", sagt sie, steht ebenfalls auf und will nach meiner Hand greifen. Schnell weiche ich ihr aus und bin erleichtert, als eine weitere Person in die Umkleide kommt. Es ist ein Mädchen mit einer Sporttasche, die uns sofort verwirrt mustert. Schnell mache ich ihr Platz und gehe zu meiner Tasche. Ich tue so, als würde ich nach etwas darin kramen und hoffe, dass Taylor einfach geht. Ich spüre ihren Blick in meinem Rücken, als sie leise sagt: „Es tut mir leid." Ich ignoriere sie und krame weiter, ohne ein richtiges Ziel. Sie seufzt und meint dann: „Sag Noah bitte, dass ich ihn auch vermisse." Das sind die letzten Worte, die sie sagt, dann verlässt sie den Raum und damit auch mich.
Ich schlucke, dass sie an Noah denkt, zerreißt mein Herz aufs Neue. Natürlich tut sie das, weil sie eben einfach ein Engel ist. Wie kann sie so perfekt sein und mir trotzdem mein verdammtes Herz in tausend Stücke reißen. Ich hatte wirklich gedacht, dass ich auf einem guten Weg sei, sie zu vergessen. Dieser Moment eben hat mir das genaue Gegenteil bewiesen. Ich schaffe es keine zwei Sekunden in ihrer Nähe zu sein, ohne mich sofort wieder aufs Neue zu verlieben. Ich hatte keine Ahnung, wie sehr sie mir gefehlt hat. Es fällt mir schwer, ihr nicht sofort nachzulaufen. Ich muss endlich von ihr loskommen, sie wird nicht plötzlich zurück in mein Leben kommen und erst recht wird nicht plötzlich die Vergangenheit verschwinden. Mein Blick fällt auf den Kreuzanhänger und Tränen steigen in meine Augen, am liebsten würde ich diese Kette auf der Stelle zerstören. Dann denke ich jedoch an Noah und bringe es nicht über mein Herz. Ich sehe schon seine strahlenden Augen vor mir, wenn ich ihm von Taylors Worten erzähle. Er liebt sie und wenigstens er soll das auch weiterhin dürfen. Eigentlich hätte ich mich über meinen Sieg freuen sollen, doch er ist mir in diesem Moment vollkommen egal. Ich lasse mich auf die Bank sinken und betrachte den Anhänger in meinen Händen. Manchmal wäre es wirklich schön, mehr wie meine Mutter zu sein. Dann wären mir alle anderen egal und ich hätte keine Probleme.
POV Taylor
„Bitte was?", fragt Sam und hält sich sofort den Mund zu,weil sie viel zu laut war. Wir sitzen im Zug auf dem Weg nach Hause und ich habe ihr den Kuss mit Mila gebeichtet. „Ich habe das absolut nicht so geplant. Ich wollte ihr wirklich alles erklären, aber dann hat sie mich so angesehen wie früher." Sam schüttelt den Kopf und wirkt, als würde sie die Welt nicht mehr verstehen. Sie trinkt etwas von einem ihrer Energydrinks und meint dann: „Immerhin hatte ich Recht, sie steht noch auf dich." Ich seufze und fahre mir durch meine Haare: „Ja, aber sie will nichts mehr von mir wissen und wir werden uns nicht wieder sehen. Das heute hilft mir sicherlich nicht, sie endlich zu vergessen." Nein, es wühlt mich nur auf und ich kann nur noch an Milas Augen und ihre Lippen denken. Ich liebe sie immer noch und will wieder mit ihr zusammen sein. „Dann hör auf, es zu probieren. Versuch lieber einen Weg zu finden, sie zurück zubekommen", versucht Sam, mich zu ermutigen, doch ich schnaube nur. „Meine Eltern lassen das niemals zu." Die ganze Heimfahrt versuchen wir einen Weg zu finden, wie ich und Mila wieder zusammen sein können. Letztendlich ist es aber doch zwecklos, denn ich wohne jetzt vier Stunden von ihr entfernt und werde keine Lüge finden, die meine Eltern überzeugen könnte. Genauso wenig werden sie je verstehen, was ich durchmache, sie hören mir ja nicht mal zu. Als ich abends in meinem Zimmer sitze, verfluche ich mich dafür, dass ich nicht mit Mila geredet habe. Ich hätte ihr doch erzählen können, warum ich das alles gemacht habe. Ich hätte mich entschuldigen können und ihr die Chance geben können, mit mir abzuschließen. Es wäre nur fair gewesen, aber ich war einfach zu schwach. Ich konnte ihren Berührungen nicht widerstehen und ich könnte mich jetzt dafür ohrfeigen.
Ich stecke mir meine Kopfhörer in die Ohren und suche auf Spotify ein Lied, das Mila mir mal gezeigt hat. Es ist ruhig und erreicht immer sofort mein Herz, eigentlich passt es gar nicht zu ihr. Sie steht viel mehr auf Rock und raue Klänge, nicht auf gefühlsduselige Songs. Nur dieses eine Lied hat es ihr angetan, hat sie mir damals erzählt. Ich kann sie mittlerweile gut verstehen.
Ich schaue hinauf an meine Decke und denke daran zurück, wie ich Mila zum ersten Mal gesehen habe. Wie sie mich im Sekretariat frech angesehen hat und wie sie mich von der ersten Sekunde an fasziniert hat. Ich sehe vor mir, wie sie mich angrinst, nachdem wir gegeneinander geboxt haben und sie einen Schlag von mir abbekommen hat. Vorsichtig streiche ich über meine ramponierte Wange, die ich morgen hoffentlich mit Make-Up abdecken kann. Mein Handy schaltet ein Lied weiter und „Baby Can I Hold You" ertönt in meinen Ohren. Ich würde ihr gerne sagen, wie leid es mir tut, wie sehr ich sie vermisse und wie sehr sie mein Leben verändert hat. Ich hoffe sie sagt Noah, dass er mir fehlt. Wie sehr wünsche ich mir, dass es den beiden gut geht. Ständig mache ich mir Sorgen, dass ihnen etwas zustoßen könnte. Ihr Vater ist unberechenbar und ich würde nie erfahren, wenn er ihnen etwas antun würde. Schnell verdränge ich meine dunklen Gedanken und drehe mich auf die Seite. Ich schließe meine Augen und schlafe mit der Erinnerung an Milas warmen Atem an meiner Haut ein.
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My own heaven
RomanceTaylor ist eine fleißige, kluge junge Frau, die ihr Leben genau so führt, wie ihre Eltern es für sie vorgesehen haben. Doch sie trägt ein Geheimnis mit sich, sie fühlt sich zu Mädchen hingezogen. Das widerspricht ihrem Glauben und den könnte sie nie...