Kapitel 40

1.3K 70 6
                                    

POV Taylor

„Wer hat hier Energy bestellt?", ertönt Sams Stimme zwischen den Leuten, die aus dem Zug strömen. Als ich sie sehe, muss ich sofort breit grinsen und laufe zu ihr. Sie nimmt mich lachend in ihren Arm, es tut gut, ein vertrautes Gesicht zu sehen. Meine täglichen Gespräche mit ihr fehlen mir sehr, genauso wie ihre blöden Sprüche, die mich zum Lachen bringen. „Neben mir im Zug saß ein Schnuckel, sehen die hier alle so aus?", fragt sie, während wir zum Bus laufen. Ich runzele die Stirn: „Achtest du immer noch auf so was?" Ich kann mir denken, dass Sam eine lockere Beziehung führt, trotzdem ist es seltsam für mich. Sie verdreht die Augen: „Ach, ich bin wieder single, es sollte nicht sein." Bevor ich fragen kann, was passiert ist, redet sie schon drauf los. Sie erzählt mir, dass er doch nicht das war, was sie wollte und dass sie jetzt wieder auf der Suche ist. „Ich brauche nichts Festes, aber ich habe Lust mich auszuleben. Ich meine du schläfst mit einer glatten Zehn, da will ich auch was erleben." Wie immer sagt Sam einfach, was sie denkt und bringt mich damit in Verlegenheit. Ich laufe rot an, ich habe ihr nicht von meinem ersten Mal erzählt. „Ich schlafe nicht mit ihr", sage ich sofort und versuche, meine Scham zu verstecken. Wir stehen in einem vollen Bus und es mir echt unangenehm vor den anderen Leuten. Sicherlich hört uns keiner zu, trotzdem sind meine Wangen ganz heiß. Ich hatte Sam von der Nacht bei meiner Tante erzählen wollen, aber auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Außerdem hatte ich mir so leichter einreden können, dass es gar nichts richtiges gewesen ist und ich keine Sünde begangen habe. Sam sieht mich mit einem Blick an, den ich zu gut kenne. Sie glaubt mir kein Wort. „Ich hoffe einfach mal stark, dass du nicht so prüde bist, den besten Teil deines Geheimnisses ungenutzt zu lassen." Ich verziehe das Gesicht, muss aber gleichzeitig leicht über ihre Worte lachen. „Außerdem denke ich, dass ich aus einem Grund hier bin und der heißt sicherlich nicht Langeweile", fügt sie hinzu und zieht eine Augenbraue hoch. Ich seufze und nicke ergeben, es hat eh keinen Sinn, sie anzulügen. Trotzdem warte ich bis wir aus dem Bus ausgestiegen sind, um zu erzählen. „Als wir bei meiner Tante waren, haben wir zusammen in einem Bett geschlafen und irgendwie ist es dann einfach passiert", murmele ich und Sam grinst sofort. „Wie wars?", fragt sie neugierig und ich werde sofort wieder rot. Es fällt mir wirklich nicht leicht, über solche Dinge zu reden. „Gut", sage ich nur leise und muss etwas lächeln. Die Erinnerung an diese Nacht lässt mein Herz höher schlagen und meinen Bauch kribbeln. „Ich bezweifle, dass ich Details bekomme, aber wo liegt dann das Problem?", fragt Sam, während wir in meine Straße einbiegen. Ich seufze und reibe mir über mein Gesicht: „Genau das ist das Problem. Es sollte sich nicht gut anfühlen, es ist nicht richtig." Sofort bleibt Sam stehen und hält mich an meinem Arm fest. Sie schnipst vor meinem Gesicht herum, sodass ich sie verwirrt ansehe, dann meint sie: „Hör endlich auf damit." Ich runzele die Stirn und frage verdutzt: „Womit?" „Dich selbst zu belügen. Seit ich dich kenne, versuchst du es immer nur anderen recht zu machen. Dabei weiß ich genau, dass deine eigenen Überzeugungen andere sind. Du denkst gar nicht wirklich, dass es falsch ist, was du machst. Du würdest nämlich nie etwas machen, was sich für dich selbst falsch anfühlt." Ich höre, was meine beste Freundin sagt, doch es kommt nicht wirklich bei mir an. Natürlich ist es falsch gewesen, mit Mila zu schlafen, vor Gott ist es eine Sünde.

„Hey, hör mir zu", lenkt Sam meine Aufmerksamkeit wieder auf sich und sagt: „Du hast in den letzten Jahren mit angesehen, wie ich gegen alle möglichen heiligen Regeln unserer Schule verstoßen habe und hast mich nicht einmal verurteilt. Ich weiß, dass du denkst, ich könnte keinen echten Draht zu Gott haben, aber den habe ich. Er ist für mich da, auch wenn ich nicht all diese Regeln befolge. Das ist nicht das, was zählt." Ich sehe in ihre Augen und erinnere mich an die vielen Male, in denen ich ihren Geschichten gelauscht habe. Sam hat wirklich so ziemlich jede Regel gebrochen, die unsere Schule hatte. Vermutlich ist das tatsächlich einer der Gründe, warum ich sie so gerne habe. Trotzdem fällt es mir verdammt schwer, mir selbst einzugestehen, dass ich nicht die gleiche Weltansicht wie meine Eltern habe. „Gott hat diese Regeln nicht erschaffen und das weißt du tief in dir. Er hat dich erschaffen, und zwar genau so wie du bist", sagt Sam und ich kann nicht leugnen, dass mich ihre Worte erreichen. Sie kriechen unter meine Haut bis hin zu meinem Herzen und ich muss unwillkürlich leicht lächeln. Sie hat Recht, Gott hat mich so gewollt, er macht keine Fehler. Sam lächelt mich aufmunternd an und öffnet ihre Arme, zum Glück ist sie hier. Sie nimmt mich fest in ihren Arm und ich flüstere: „Danke, das habe ich gebraucht." Ich spüre, wie sie schmunzelt und murmelt: „Ich weiß, du kleiner Stecher."

POV Mila

„Klingt stressig", meint Anna, nachdem ich ihr von mir und Taylor erzählt habe. Nach Ewigkeiten sitzen wir mal wieder an unserem Platz und essen Pizza. Noah ist bei einem Freund und mein Vater kommt erst in zwei Tagen wieder nach Hause. Ich habe Taylor geschrieben, dass sie auch kommen kann, wenn sie möchte, doch sie hat nicht geantwortet. „Nein so ist es nicht. Es ist halt nicht einfach für sie", erkläre ich und Anna nickt. „Ja, ich verstehe das schon, aber du bist auch zu nett. Am Ende wirst du wieder verletzt und dann muss ich mir das Geheule anhören." Ich schmeiße sie mit einem Stein ab und schüttele den Kopf: „Arsch." Anna lacht nur und nimmt sich noch ein Stück Pizza: „Da denke ich, ich hätte mich mit dem härtesten Mädchen der Schule angefreundet und müsste mir keine Sorgen mehr machen, turns out, sie braucht nur eine Nonne, um zum zahmen Kätzchen zu werden." Ich will sie böse ansehen, doch muss automatisch lachen und drohe ihr: „Junge, ich kann dich immer noch locker die Klippe runter schupsen." Anna grinst selbstsicher und wackelt mit ihren Augenbrauen, um mich zu ärgern. Ich verdrehe nur schmunzelnd die Augen, irgendwie hat sie ja auch Recht. Wobei ich mich nicht für Taylor geändert habe, ich habe vorher nur keinen Grund gehabt, meine verletzliche Seite zu zeigen. „Nein, ernsthaft, ich freue mich für dich", sagt Anna nach einigen Momenten der Stille und lächelt mich ehrlich an. Ich nicke dankbar, das ist mir wichtiger als ich zugebe. Es gibt nicht viele Menschen, deren Meinung mir wichtig ist, doch Anna gehört dazu. Gerade weil sie mir immer meinen Platz gibt und sich nur selten in meine Angelegenheiten einmischt, hat es einen großen Stellenwert bei mir, wenn sie es doch tut. „Danke, dass du cool damit warst, dass sie mitgekommen ist", sage ich und Anna grinst sofort. Sie zwinkert mir zu und sagt: „Ich bin und bleibe dein Wingman." Ich verdrehe lachend die Augen, weil sie recht hat. Sie hat mir schon immer dabei geholfen, Mädchen anzumachen und auf gewisse Weise hat sie mir auch bei Taylor geholfen. Ohne das Wochenende bei ihrer Tante hätten wir nie solche Zweisamkeit haben können.

„Oh, wen sehe ich denn da?", sagt Anna plötzlich und schaut lächelnd hinter mich. Verdutzt will ich mich umdrehen, spüre jedoch schon einen Arm um meine Schultern. Weiche Lippen berühren sanft meine Wange und ich lächele, als Taylors Duft in meine Nase steigt. „Hey ihr beiden, das ist Sam. Sam, das ist Anna", sagt Taylor und zeigt auf meine beste Freundin. Sie hat mir gar nicht erzählt, dass Sam übers Wochenende da ist. Ich erinnere mich an die Party, auf der ich ihre Freundin zum ersten Mal gesehen habe. Sie setzt sich neben Anna und schnappt sich ungefragt ein Stück ihrer Pizza. „Mila kennst du ja schon", sagt Taylor und lächelt mich kurz warm an. Sams Blick trifft meinen und sie mustert mich prüfend, aber mit Freundlichkeit in den Augen. Ich nicke ihr zu und bekomme von ihr ein nettes Lächeln. Dann wird sie von Anna abgelenkt, die sich über den Pizzaklau beschwert. Die beiden kommen sofort in eine nicht wirklich ernste Diskussion, sie werden sich sicherlich blendend verstehen. „Sorry, dass ich nicht geschrieben habe, ich hoffe das ist okay", flüstert Taylor mir zu, sie hat sich dicht zu mir gesetzt. Ich lehne mich etwas zurück, um sie besser ansehen zu können und lächele: „Klar." Ich bin froh, dass sie hier ist und unsere Freunde sich kennenlernen. Taylor legt ihre Hand sanft auf meinen Bauch und mustert mich prüfend. „Es ist sehr viel besser", versichere ich ihr und es ist die Wahrheit. Die Stelle tut fast gar nicht mehr weh und ich habe es geschafft, den Bluterguss vor Noah zu verstecken. „Ich kann nächste Woche wieder zum Boxen kommen", flüstere ich Taylor zu und mein Atem streift ihre Wange. Ich sehe sofort die Gänsehaut an ihrem Hals und muss grinsen. Sie lächelt mich verschmitzt an und meint: „Dann kann ich dich endlich wieder verhauen." Lachend ziehe ich sie zu mir und wuschele durch ihre Haare: „Das werden wir ja sehen." Sie lacht und gibt mir einen kurzen Kuss. Mit ihrer Hand fährt sie in meine Haare und krault meinen Hinterkopf. Sie fixiert mit ihrem Blick meine Lippen und beißt sich auf ihre. Wenn sie mich so ansieht, kann ich mich kaum zusammen reißen. Ich will so gerne wieder mit ihr schlafen, doch ich kann sie ja schlecht fragen, ob sie mit zu mir kommt. Sam schläft vermutlich bei ihr und sie werden Zeit miteinander verbringen wollen. „Hey Turteltauben, wir hatten gerade eine fantastische Idee", zerstört Anna den Moment zwischen uns und bringt Taylor dazu von mir abzulassen. Ich sehe sie fragend an und meine beste Freundin grinst: „Ich habe sturmfrei und wir können bei mir feiern." Gerade könnte ich Anna wirklich abknutschen, das ist meine Chance auf Zeit mit Taylor. Meine Freundin sieht mich sofort fragend an, sie denkt bestimmt an Noah. „Er schläft bei einem Freund", sage ich und sofort verzieht sich ihr Mund zu einem breiten Lächeln. „Wir sind dabei", sagt sie und Sam jubelt direkt, sie scheint Feuer und Flamme zu sein. Vorfreude steigt in mir auf und in Taylors Augen sehe ich den gleichen Ausdruck wie eben. Das kann ich mir unmöglich einbilden, sie denkt das Gleiche wie ich.

Ihr kleines Lächeln erwärmt mein Herz und ich kann es nicht erwarten, ihr näher zu sein.

My own heavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt