Kapitel 28

1.3K 77 2
                                    

Abends gehe ich zum alten Kino und lerne ein paar Vokabeln. Ich muss mich wirklich anstrengen, um die Klasse zu schaffen. Wenn ich weiter für Noah sorgen will, muss ich meinen Abschluss schaffen. Ich war nie gut im auswendig lernen und daran konnte auch Taylor bisher nichts ändern. Seit einigen Jahren ist meine Konzentration immer schlechter geworden, gerade verbessert sich das zumindest wieder.

„Streber", reißt mich irgendwann eine Stimme aus meiner Konzentration und ich muss automatisch lachen. „Sagst du", erwidere ich und Taylor gibt mir als Antwort einen kurzen Kuss. „Nenn mich deinen Retter", sagt sie grinsend und tippt aufgeregt auf meinen Knien herum. Ich ziehe fragend eine Augenbraue hoch: „Wir können zu deiner Tante?" Sie nickt grinsend und Vorfreude breitet sich in mir aus. Ich werde endlich hier rauskommen und muss dafür nicht meinen Bruder allein lassen. Außerdem habe ich ein ganzes Wochenende mit Taylor, weit weg von den Leuten hier. Ich springe von der Bank und hebe Taylor stürmisch in meine Arme. „Danke", nuschele ich in ihre Haare und drehe sie mit mir im Kreis. Sie kichert und als ich sie herunterlasse, lächelt sie: „Ich will dir auch einen Teil meiner Familie zeigen." Ich nicke und streichele ihre Wange: „Ich freue mich, sie kennenzulernen."

POV Taylor

„Schreib uns, wenn du da bist und hör nicht so auf Jeans Gerede", sagt meine Mutter, als sie mich zum Bahnhof bringt. Sie hat nicht wirklich ein optimales Verhältnis zu ihrer Schwester. Tante Jean war schon immer eine Rebellin und meine Mutter kam damit nie zurecht. Ich mag meine Tante wirklich gern, weil bei ihr immer alles so locker ist. Ohnehin wollte ich sie mal wieder besuchen und sie hat sich riesig über meinen Anruf gefreut. Ob ich jemanden mitbringe, war ihr völlig egal. Von ihrer Seite aus hätte ich auch meine ganze Klasse mitbringen können. Meinen Eltern habe ich nur erzählt, dass eine Freundin aus der Schule ihren Freund besucht und wir deshalb zusammen fahren können. Am Bahnhof verabschiede ich mich schnell von meiner Mutter und nehme ihr die Blumen für meine Tante ab. „Genießt das Wochenende ohne mich", sage ich und gebe ihr noch einen Kuss auf die Wange. Sie sieht mir nach, wie ich in den Zug steige und ich bin echt froh, dass die anderen schon drinnen auf mich warten. Ich brauche extra lange, um mein Gepäck zu verstauen, sodass der Zug losfährt, bevor ich sitze.

„Taylor", höre ich Noah rufen, als ich durch den Gang laufe. Er winkt mir aufgeregt aus einem Vierer zu und klopft auf den Sitz neben sich. Anna und Mila sitzen ihm gegenüber und drehen sich ebenfalls in meine Richtung. Anna winkt mir ebenfalls zu, während Mila mich kurz mustert und dann schief lächelt. Ich lächele zurück und setze mich neben den kleinen Jungen. „Hey Noah", begrüße ich ihn und er zeigt mir sofort das Buch, das er dabei hat. Ich lächele und höre ihm zu, während Anna mich mustert. Ich weiß nicht, wie sie zu mir steht, was mich etwas nervös macht. Auf einmal tritt Mila mir unterm Tisch gegens Bein, was mich zum Zucken bringt. Ich blicke sie fragend an, doch sie wirft Anna einen vielsagenden Blick zu. Diese sieht zwischen mir und Mila hin und her und lacht dann. „Junge, du hast sie gerade getreten und nicht mich", sagt sie zu Mila, die daraufhin entschuldigend zu mir sieht. Ich erwidere Annas Lachen leicht und sie mustert mich interessiert. „Wohnt deine Tante direkt in der Stadt?", fragt sie und wir kommen etwas ins Gespräch. Sie erzählt mir von ihrem Freund und ich merke schnell, dass sie wirklich verliebt sein muss. Vor allem weil Mila mir schon erzählt hat, wie blöd Lars oft zu Anna ist. Die Zugfahrt dauert drei Stunden, die wir mit reden und schließlich mit Kartenspielen verbringen. Noah wird gegen Ende ziemlich quengelig und will ständig auf meinen Schoß. Ich merke, dass Anna mich jedes Mal mustert, wenn Noah mit mir redet. Ich habe das Gefühl, dass sie ihn weniger kennt als ich. Ob ich die erste war, der Mila ihr zuhause gezeigt hat? Ich sage Noah, dass wir bald da sind und er dann was zu essen bekommt. Er gibt jedoch keine Ruhe und Milas bittender Blick, erweicht mich schließlich. „Dann komm her", sage ich und Noah klettert sofort auf meinen Schoß. Er fängt an mit meiner Kette herumzuspielen, die es ihm wohl echt angetan hat. Anna sieht kurz leicht gekränkt aus, doch dann sieht sie mir in die Augen und ein kleines Lächeln erscheint auf ihren Lippen. Ich erwidere es und habe das Gefühl, es wird ein gutes Wochenende werden.

Nach einer weiteren halben Stunde kommen wir an, Noah ist mittlerweile eingeschlafen. Mila will ihn mir abnehmen, doch ich schüttele lächelnd den Kopf. „Alles gut, nimm nur meinen Koffer." Sie lächelt mich dankbar an und wir verlassen den Zug. Lars wartet schon und Anna wirft sich gleich um seinen Hals. Die beiden knutschen sich ab und ich drehe den schlafenden Noah von ihnen weg. Falls er aufwacht, muss er sich das nicht ansehen. Mila lacht über meine Aktion und lehnt sich dicht zu mir. „Ich weiß, was die machen, sobald sie allein sind", flüstert sie mir zu und ich schmunzele. Ich halte Ausschau nach meiner Tante, doch eigentlich muss mir klar sein, dass sie nicht da ist. Meine Tante hat ein absolutes Problem mit Pünktlichkeit. „Mag Noah Anna nicht?", frage ich Mila leise. Sie sieht zu ihrer besten Freundin und fährt sich durch die Haare. Mir fällt auf, dass das bei den kurzen Haaren noch cooler aussieht. „Er kennt sie nicht und ist normalerweise schüchterner. Keine Ahnung, warum er so in dich verschossen ist." Beim zweiten Teil des Satzes grinst sie und ich werde etwas rot. Noahs Körper ist angenehm warm an meinem, aber so langsam wird er wirklich schwer. Anna und Lars verabschieden sich erstmal von uns und wir machen einen Treffpunkt in der Stadt für später aus. Dann laufen wir zum Parkplatz und nach einigen Minuten kommt der Mercedes meiner Tante vorgefahren. Sie steigt aus und kommt lächelnd auf uns zu: „Mensch, seid ihr etwa zu früh angekommen?" Ich schüttele lachend den Kopf und erwidere ihre Umarmung so gut es geht mit Noah auf dem Arm. „Du musst Mila sein", sagt meine Tante und zieht meine Freundin in eine Umarmung. Ich spüre förmlich, wie überfordert Mila davon ist und muss leicht lachen.

Die Autofahrt zum Haus meiner Tante dauert nicht lange und wir werden schon im Garten von ihrem kleinen Hund begrüßt. Sofort ist Noah wieder hellwach und begeistert. „Darf ich mit ihm spielen?", fragt er Mila aufgeregt. Die sieht meine Tante fragend an, welche nur lacht: „Tony braucht eh Bewegung, aber mach dich und den Hund nicht so dreckig." Während Noah mit Tony durch den Garten rennt, gehen wir ins Haus. Tante Jean bringt uns in den ersten Stock und in das Gästezimmer, in dem sonst immer meine Eltern schlafen. „Ich dachte Noah könnte in dem kleinen Gästezimmer schlafen, damit ihr ihn nicht weckt, wenn ihr spät nach Hause kommt", erklärt Jean und ich will schon protestieren, dass das nicht unser Plan war. „Ach Kind, ich weiß schon, dass ich dieses Wochenende der Babysitter bin. Ganz ehrlich, mir gefällt das ganz gut", sagt meine Tante, bevor ich etwas dagegen sagen kann. Ich lächele sie dankbar an und bringe meinen Koffer in das Zimmer. „Es stört euch doch nicht, in einem Bett zu schlafen, oder?", fragt sie und mir fällt erst jetzt das Ehebett auf. Mein Blick wandert zu Mila, doch sie sieht aus dem Fenster und scheint, gar nicht zugehört zu haben. „Alles gut", antworte ich also und meine Tante lässt uns allein, damit wir auspacken können. Ich stelle mich zu Mila und beobachte einige Sekunden Noah und Tony im Garten. „Alles okay?", frage ich vorsichtig und sie nickt, jedoch ohne mich anzusehen. Mittlerweile weiß ich, dass Mila nicht immer mit mir über ihre Gedanken reden wird. Also lehne ich mich einfach gegen sie und schließe meine Arme um ihre Hüfte. Sofort schlingt sie ihre Arme um mich und schmiegt ihre Wange an meine. So stehen wir einige Momente und ich genieße einfach ihre Nähe. Ihr Duft ist wie eine Droge für mich, keine Ahnung, ob mich jemals schon etwas so angezogen hat. „Wir schlafen also in einem Bett?", fragt Mila irgendwann und ich höre genau ihre Hintergedanken heraus. Sie hat meiner Tante also sehr wohl zugehört, nur mir die Entscheidung überlassen. Ich löse mich von ihr und grinse: „Ich werde eine Mauer aus Kissen bauen, damit du mich nicht berührst." Sofort erscheint auf Milas Gesicht ihr verwegenes Grinsen, das mich unheimlich anzieht. Sie kommt mir für einen Moment ganz nah und flüstert mir zu: „Das werden wir ja sehen." Dann lässt sie mich stehen und ich habe am ganzen Körper Gänsehaut. Ich schüttele den Kopf und versuche meine Gedanken in keine falsche Richtung abdriften zu lassen. Ich werde anständig sein und einfach das Wochenende genießen.

My own heavenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt