Kapitel 33

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Am nächsten Morgen spüre ich beim Frühstück deutlich, dass ich nicht genug geschlafen habe. Noah ist total aufgedreht, doch ausnahmsweise spiele ich nicht mit ihm. Jean gibt uns noch ein bisschen Kuchen mit, den sie mit Noah gebacken hat. Dann laden wir unsere Koffer ins Auto und meine Tante bringt uns zum Bahnhof. Noah verabschiedet sich von Tony und umarmt dann auch meine Tante. Mila lächelt sie nur an und sagt: „Danke für das schöne Wochenende." Jean nickt lächelnd und die beiden laufen zu Anna, die sich noch von Lars verabschiedet. Ich nehme meinen Koffer und umarme meine Tante fest. „Danke", flüstere ich und meine Tante lächelt. „Sei mutig, Taylor. Es ist nicht alles in Stein gemeißelt", sagt sie und drückt mit ihrer Hand meine Schulter. Ich weiß nicht, worauf sie damit hinauswill, aber irgendetwas sagt mir, dass sie Mila meint. Meine Tante konnte mich schon immer gut durchschauen und vermutlich ist es relativ offensichtlich, wie gerne ich dieses Mädchen habe. Ich bin mir sicher, dass sie meinen Eltern nichts verraten wird, so ist meine Tante einfach. Sie winkt uns und Tony bellt den Zug an, als wir losfahren. Diesmal sitze ich neben Mila und Anna darf sich mit Noah beschäftigen. Ich schließe hin und wieder die Augen und nicke irgendwann ein.

Als ich wieder aufwache, ist mir kuschelig warm und der angenehme Duft von Parfum steigt in meine Nase. Mir fällt auf, dass ich an Mila lehne und sie ihren Arm um mich gelegt hat. Die drei spielen gerade ein Kartenspiel, wobei Mila nur ihre eine Hand benutzen kann. Müde reibe ich mir die Augen und Anna schmunzelt über meinen Anblick. „Ich wünschte, ich könnte im Zug so tief schlafen", sagt sie grinsend. Das könnte sie sicherlich, wenn sie nur so wenig geschlafen hätte wie ich. Mila hingegen wirkt frisch und als hätte sie nicht mit mir nahezu durchgemacht. Vermutlich ist sie es gewohnt, wenig zu schlafen und es macht ihr nicht mehr so viel aus. Verschlafen wie ich bin, gebe ich ihr einen Kuss auf die Wange, bevor ich mich von ihr löse. Erst als ich meine Flasche aufdrehe, kommt mir in den Sinn, dass wir nicht allein sind. Ich sehe auf und erkenne, dass Anna über mein Verhalten warm lächelt. Noah scheint es gar nicht komisch gefunden zu haben, nur Mila wirkt überrascht. Ich grinse sie verschmitzt an und sie greift unter dem Tisch nach meiner Hand. Es sind die letzten Minuten, die wir dieses Wochenende zusammen verbringen und ich genieße jede einzelne davon. Denn abends in meinem Bett fühle ich mich unendlich allein und all die blöden Gedanken prasseln auf mich herein. Ich habe tatsächlich mit einem Mädchen geschlafen, doch das ist wohl fast das geringste Übel. Ich habe ein Mädchen so gern, dass ich nicht mehr klar denken kann. Vorm Schlafen gehen schreibe ich Sam, dass wir uns dringend sehen müssen. Ich muss mit jemandem über das alles reden, der nicht selbst mittendrin steckt. Dann sehe ich eine Nachricht von einer Nummer, die ich nicht eingespeichert habe. Ich muss lächeln, Mila muss sich meine Nummer von meiner Tante geholt haben.

Schlaf schön, Dancing Queen. Danke für das Wochenende. Noah liebt dich jetzt noch mehr.

Ich muss lächeln und antworte ihr, dass ich es auch schön fand. Tatsächlich vermisse ich sie jetzt schon und wünsche mir, sie würde neben mir liegen. Mich hat es wirklich voll erwischt, das habe ich ja super unter Kontrolle gehabt.

POV Mila

Am Montagmorgen bin ich pünktlich in der Schule, weil sich mein Bruder ausnahmsweise beeilt hat. Er hat sich gestern Abend bei mir für das Wochenende bedankt und mir gesagt, dass er mich lieb hat. Es hat mir gezeigt, dass all mein Stress nicht umsonst ist und ich weiter machen muss. Seitdem kann ich es kaum abwarten, Taylor zu sehen. Ich will mich unbedingt bei ihr bedanken, weil sie uns diese Chance ermöglicht hat. Sie steht jedoch wie immer bei Lea, sodass ich nicht zu ihr gehen kann. Erst im Unterricht treffen sich unsere Blicke und sie schenkt mir ihr Lächeln. Ich schreibe ihr einen Zettel und reiche ihn ihr unbemerkt. Darauf steht, dass sie in der Pause zu der Ecke kommen soll, in der wir nach meinem Boxkampf standen. Sie faltet den Zettel wieder zu, nachdem sie ihn gelesen hat und steckt ihn in ihr Mäppchen. Ich versuche mich, auf den Unterricht zu konzentrieren, um die Klausur nicht zu verkacken.

In der Pause warte ich dann in der Ecke, doch nach einigen Minuten bin ich mir sicher, dass Taylor nicht kommen wird. Ich zücke eine Zigarette und zünde sie an. Der erste Zug beruhigt mich direkt etwas und ich lehne mich zurück gegen die Wand. Mein Vater hat die Wohnung über das Wochenende völlig verwüstet, vermutlich weil ich seinen Alkohol vorher entsorgt habe. Ich muss die nächsten Wochen mehr arbeiten, weil Noah neue Klamotten braucht und ich gleichzeitig unsere Miete bezahlen muss. Das Kindergeld reicht nicht für alles und ich will auch etwas für Noah sparen. Ich schaue auf mein Handy und sehe, dass Vera mir geschrieben hat. Sie ist eine von den Tänzerinnen, mit denen ich mal was hatte. Sie will sich mit mir treffen, doch ich ignoriere ihre Nachricht einfach. Ich gehe auf den Chat mit Taylor, doch sie war seit heute Morgen nicht mehr online. Ein Knirschen des Bodens neben mir, lässt mich zusammen zucken und im nächsten Moment spüre ich Hände auf meinen Wangen und Lippen, die meine berühren. Sofort erwidere ich Taylors Kuss und muss leicht in ihn hinein lächeln. „Hey", murmele ich grinsend, als sie mich wieder freigibt. Ihr Blick fällt auf die Zigarette in meiner Hand und sie verzieht ihr Gesicht: „Sonst schmeckst du besser." Ich hebe entschuldigend meine Arme und sage: „Ich dachte, du hättest mich vergessen." Sie schüttelt sofort den Kopf und greift nach meiner Hand. „Ich brauchte nur einen Vorwand, um zu flüchten. Sehen wir uns nachher im Bus?" Ich nicke grinsend, schmeiße die Kippe weg und ziehe sie nochmal zu mir. Wir küssen uns und ich fühle mich lebendig und unbeschwert.

Wer hätte gedacht, dass jemand wie Taylor, so etwas in mir auslösen könnte?

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