POV Mila
Als ich Noah abends ins Bett bringe, fragt er mich, wann wir wieder etwas mit Taylor unternehmen. Ich muss darüber lächeln, dass er sie genauso gern hat wie ich. Die Gefühle, die ich in mir habe, haben sich heute nochmal bestätigt. Sie hat tatsächlich jemanden für mich geschlagen, um meine Ehre zu verteidigen. Nie hätte ich ihr zugetraut, dass sie handgreiflich gegenüber Lea wird. Es hat mir gezeigt, dass ich nicht mehr allein bin. Taylor ist die erste Entscheidung in meinem Leben, von der ich sicher bin, dass sie richtig ist. Sie holt das Beste aus mir heraus und erweckt mein wahres Ich wieder zum Leben. Zu lange war ich nur gestresst und genervt von allem und konnte bei nichts Hundert Prozent geben. Durch sie bin ich wieder motiviert und lerne mein Leben zu lieben, auch wenn es nicht leicht ist. Ich weiß, dass Noah meine Veränderung auch spürt und sie auf ihn übergeht. Wenn ich mich sicher fühle, gibt ihm das auch Zuversicht. Ich schreibe Taylor, ob wir uns morgen Nachmittag auf einem der Spielplätze treffen wollen. Noah wird sich freuen und ich kann ihr nochmal gut zureden, was den Vorfall mit Lea betrifft. Ich frage mich, ob sie zu ihrer Mutter gegangen ist und was das für Taylor bedeutet. Bisher hat Taylor mir nichts weiter dazu gesagt, vielleicht gibt es noch keine Strafe. Ich gebe Noah noch einen Kuss auf die Stirn, dann mache ich sein Licht aus und gehe in den Flur. Mein Vater ist wieder zuhause und momentan auch in ganz guter Verfassung. Ich habe ihm nicht erzählt, dass er Noah in große Gefahr gebracht hat, weil ihn das vielleicht wieder zur Flasche treiben würde. Trotzdem scheint er zu wissen, dass er Mist gebaut hat. Er verhält sich zurückhaltend, versucht aber zumindest einige Sachen im Haus zu übernehmen. Morgens sehe ich ihn manchmal in den Stellenanzeigen lesen, was mir etwas Hoffnung gibt. Wenn er Geld verdienen würde, wäre unsere Situation schon um einiges einfacher.
Mein Vater sitzt im Wohnzimmer vorm Fernseher und schaut eine seiner früheren Lieblingssendungen. Es ist ein Quiz, das ich früher manchmal zusammen mit ihm geschaut habe. Kurz überlege ich direkt ins Bett zu gehen, doch dann setze ich mich doch zu ihm. Er zuckt kurz überrascht zusammen, dann erklärt er mir, welche Kandidaten heute da sind. Er veralbert ihre Anziehsachen und ich muss sogar darüber schmunzeln. Ich habe meinen Vater lange nicht mehr albern sehen und es tut irgendwie gut. Er erklärt, dass die eine „eine absolute Jungfrau Maria" sei und Gott sie wohl nicht zum Sieg führen wird. Ich lächele über seinen Enthusiasmus, muss aber auch sofort an Taylor denken. Ich werde nie kapieren, warum sie so sehr an etwas glaubt, das nicht bewiesen werden kann. Es fällt mir echt schwer, mich in dieser Hinsicht in sie hineinzuversetzen. Wir raten bei den Fragen immer abwechselnd mit und ich merke, dass mein Vater mal ein intelligenter Mann war. Früher hat er in einer Forschungseinrichtung gearbeitet und war auf dem Weg Doktor in der Physik zu werden. Mittlerweile ist das schwer vorstellbar, doch irgendwo hinter der Fassade des alkoholabhängigen zerschundenen Mannes schlummert noch ein Wissenschaftler und ich hoffe auch ein Vater.
POV Taylor
Ich hebe Noah zum wiederholten Male an die Kletterwand, damit er den höheren Parcours klettern kann. Es fällt mir schwerer als sonst in Milas Nähe zu sein, weil mein schlechtes Gewissen mich zu erdrücken droht. In der Schule habe ich kaum mit ihr geredet, weil Lea mich die ganze Zeit im Blick hatte. Ihr für heute Nachmittag abzusagen, habe ich nicht übers Herz gebracht. Vielleicht war es auch einfach mein egoistischer Wunsch, noch ein wenig Zeit mit ihr zu haben, bevor ich alles zerstöre. Sie sitzt auf einer Bank einige Meter von uns entfernt und beobachtet grinsend, wie wir spielen. Als Noah fertig ist, kommt er zu mir und sagt: „Kann ich dich was fragen?" Ich nicke sofort und knie mich zu ihm. „Wärst du sauer, wenn Mimi mal keine Zeit für dich hätte?", fragt er schüchtern und ich frage mich sofort, was dahinter steckt. „Nein", antworte ich wahrheitsgemäß und er schaut mich erstaunt an: „Warum nicht? Muss sie nicht immer Zeit für dich haben?" Ich schmunzele und schüttele den Kopf: „Wenn du jemanden sehr lieb hast, dann lässt du ihm auch mal seinen Freiraum. Wenn Mila keine Zeit für mich hat, dann wird es einen guten Grund haben." Noah scheint kurz über meine Worte nachzudenken, dann schlussfolgert er: „Weil sie dich auch sehr lieb hat?" Mein Herz wird warm bei der naiven und schönen Sichtweise des kleinen Jungen. Ich schaue an ihm vorbei zu meiner Freundin, die mich lieb anlächelt, aber nichts von dem Gespräch mitbekommen zu haben scheint. „Ja genau", antworte ich ihm und er fängt an zu lächeln. „Hat jemand keine Zeit für dich?", frage ich ihn und er nickt. Dann erzählt er mir von seinem besten Freund und ich erkläre ihm, dass es bestimmt Gründe hat, dass er keine Zeit hat. Noah trägt noch immer meine Kette um seinen Hals, obwohl sie ihm zu groß ist. Ich muss die beiden beschützen, auch wenn ich sie damit vielleicht verliere.
„Ich wette, du kommst nicht bis nach ganz oben in der Burg", stichelt Mila, als sie zu uns kommt. Noah nimmt die Herausforderung sofort an und rennt zu dem Spielgerät. Ich schmunzele: „Du hast deine Tricks?" Sie nickt und setzte sich auf die große Drehscheibe. Ich setze mich zu ihr und mustere meine Freundin. Sie trägt eine helle Jeans und Converse, die schön verwaschen aussehen. Wie immer fällt mein Blick auf ihr Tattoo und ich denke an ihre Worte. Sie sollte frei sein und selbst über ihr Leben bestimmen können. Ich will sie nicht verletzen, doch ich kann nicht mit ihr reden. Außerdem bin ich mir sicher, dass sie nicht zulassen würde, dass ich Chris küsse. Dann hätte Lea gewonnen und ich muss verhindern, dass sie Milas Familie zerstört. Als sie sich zurücklehnt, tue ich es ihr gleich und wir schauen gemeinsam in den Himmel. Es sind nur wenige Wolken zu sehen, der Rest ist ein intensives Blau.
„Tay?", fragt Mila und ich brumme fragend. Ich kenne diesen Tonfall, sie will irgendetwas von mir wissen. Wenn sie so zurückhaltend fragt, fällt es ihr nicht leicht, darüber zu reden. „Wie kannst du daran glauben, dass es einen Gott gibt?", fragt sie vorsichtig und ich bin ziemlich verblüfft von ihrer Direktheit. Ich überlege kurz, wie ich es ihr am besten erklären soll. Schließlich stelle ich ihr lieber eine Gegenfrage: „Warum willst du das wissen?" Sie streicht mit ihren Fingern sanft über meine Hand, die zwischen uns auf der Platte liegt. „Ich möchte dich verstehen. Der Glauben ist ein großer Teil deines Lebens und ich will nicht, dass du ihn vor mir verdeckt hältst. Ich will alles von dir kennen." Ich muss lächeln und spüre, dass mir Tränen in die Augen steigen. Schnell blinzele ich und schlucke, um sie zurückzuhalten. Nie hätte ich erwartet, dass Mila so offen sein könnte. Ich weiß genau, dass sie meinen Glauben immer dämlich fand und trotzdem versucht sie, es zu verstehen. Es berührt mich tief in meinem Herzen und ich seufze. „Du darfst es dir nicht so vorstellen, dass da eine Person ist, die auf uns herabsieht und alles lenkt", sage ich und hebe meine Hände über uns. Ich zeige von einem Ende des Himmels zum anderen und fahre fort: „Es ist viel mehr so, dass alles von etwas zusammen gehalten wird. Ich mag es, zu glauben, dass alles, was wir tun, einen Sinn hat. Ich glaube nicht alles, was in der Bibel steht und ich vertraue auf Wissenschaft. Aber es gibt auch Sachen, die die Wissenschaft nicht erklären kann. Zum Beispiel, warum ich auf dich stehe und nicht auf einen Mann, obwohl es evolutionär keinen Vorteil für mich gibt, mit dir zusammen zu sein." Ich spüre, wie Mila schmunzelt und dann über meine Worte nachzudenken scheint. „Du erklärst dir deine sexuelle Orientierung durch Gott?", fragt sie dann und wirkt überrascht. Tatsächlich habe ich darüber noch nie aktiv nachgedacht, doch irgendwie hat sie Recht. „Die Gesetze meiner Religion sagen etwas anderes, aber die haben sich auch nur irgendwelche Menschen ausgedacht. Ich denke, dass ich so wie ich bin, genau richtig bin. Es liegt in meinem Blut, dass ich so bin." Mila richtet sich leicht auf und schaut auf mich herab. Sie streicht eine Haarsträhne aus meinem Gesicht und lächelt. „Deswegen hast du mich nie so angesehen, wie alle anderen es tun. Dein Herz ist rein, lass dir das gesagt sein, Taylor Brown." Ich lächele geschmeichelt und sage: „Danke, dass du immer für mich da bist." Sie nickt sofort, beugt sich zu mir und gibt mir einen kurzen Kuss. Dann steht sie auf und meint grinsend: „Ich glaube ich fange an, deinen Glauben zu verstehen." Dann gibt sie der Drehscheibe einen festen Stoß und ich klammere mich lachend daran fest, um nicht herunter zu fliegen. Noah kommt zu uns gelaufen und Mila hebt ihn zu mir auf die Scheibe, wo er sich sofort auf mich draufsetzt. „Uff, ich werde zerquetscht", stöhne ich gespielt auf und Noah lacht.
Es ist ein wundervoller Nachmittag und als ich schließlich auf dem Heimweg bin, tut mein Herz nur noch weh.
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My own heaven
RomanceTaylor ist eine fleißige, kluge junge Frau, die ihr Leben genau so führt, wie ihre Eltern es für sie vorgesehen haben. Doch sie trägt ein Geheimnis mit sich, sie fühlt sich zu Mädchen hingezogen. Das widerspricht ihrem Glauben und den könnte sie nie...