Kapitel 46

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POV Taylor

Ich laufe mit Nick über den Schulhof und wir reden über sein neues Videospiel, als er mich anstupst. „Was geht denn da ab?"

Ich folge seinem Blick und sehe die Tänzerinnen inklusive Lea um Mila herumstehen. Verwirrt runzele ich die Stirn und gehe näher an das Geschehen heran. „Leute wie ich?", fragt Mila und ich höre in ihrer Stimme, dass sie verletzt und wütend ist. „Vielleicht sollte ich mal allen erzählen, was wirklich bei dir abgeht", sagt Lea gehässig und ich sehe, wie Mila ihre Fäuste so fest ballt, dass die Fingerknöchel weiß werden. Sie wird sie schlagen, wenn Lea weiterredet, da bin ich mir sicher. Genau das will Lea, damit es einen Grund gibt, Mila zu verpetzen. Panik steigt in mir auf und ich will meine Freundin verteidigen. In diesem Moment wächst meine Wut auf Lea ins Unermessliche. Was ist ihr Problem, dass sie ständig alle quälen muss? Ihr kann doch egal sein, was mit Mila los ist. Wieso weiß sie überhaupt etwas über ihre Situation? Als Lea ihren Mund wieder öffnet, schlägt mein Herz schnell und fest und mein Körper gehorcht mir für einen Moment nicht. „Ich sage gerne allen, dass dein Vater", sagt Lea, doch weiter kommt sie nicht. Für eine Sekunde ist es als wäre ich nicht anwesend. Dann geht der Moment vorbei und ich schaue hinab auf die Kapitänin des Tanzteams, die sich ihre Wange hält. Alle Tänzerinnen starren mich an, meine Faust ist immer noch geballt, ich habe sie tatsächlich vor allen Leuten geschlagen. „Ich bin nicht immer zu nett", zische ich und Leas Augen weiten sich erstaunt. Alle der Anwesenden starren mich verwirrt an, keiner macht Anstalten, Lea aufzuhelfen. Keine Ahnung, woher ich diesen Mut nehme, geschweige denn diese Dummheit. Ich werde von der Schule verwiesen, wenn Lea zu ihrer Mutter geht. Als mir das bewusst wird, drehe ich mich auf dem Absatz um und laufe weg.

Was habe ich mir nur gedacht. Ich habe einfach so jemanden geschlagen, das ist moralisch so falsch. Ich habe natürlich nicht so geschlagen, dass sie sich ernsthaft verletzt. Weh getan hat es ihr trotzdem und irgendwie hatte sie es auch verdient. Ich erschrecke mich vor meinen eigenen Gedanken, was ist los mit mir. Erst außerhalb des Schulhofes an einer Bushaltestelle halte ich an und fahre mir durch meine Haare. Das ist nicht der Grund, warum ich boxen gehe. „Tay?", höre ich eine Stimme nach mir fragen und mir fällt erst jetzt wieder ein, warum ich so dumm war. Mila steht vor mir und mustert mich prüfend. Dann legt sie ihren Kopf schief und lächelt leicht: „Hast du das gerade für mich gemacht?" Ich verziehe das Gesicht und nicke beschämt. Ich habe nur daran gedacht, sie zu beschützen. Nicht eine Sekunde habe ich an mein eigenes Schicksal gedacht. „Du hättest das nicht tun müssen", sagt Mila, doch ich schnaube nur. „Damit du sie schlägst und dann von der Schule fliegst? Das will sie doch." Mila seufzt und nickt: „Das stimmt, aber es war mein Kampf." Ich schüttele den Kopf und sehe ihr in die Augen. Wie kann sie es immer noch nicht kapiert haben? Ich schubse sie leicht und sage: „Wann versteht du endlich, dass wir ein Team sind?" Mila schmunzelt nur und als ich sie nochmal schubsen will, zieht sie mich in ihre Arme. Sie küsst mich und hält mich fest, sodass ich mich nicht dagegen wehren kann. Während sie mich fest in ihren Arm nimmt, flüstert sie mir zu: „Tut mir leid. Ich bin es nicht gewohnt, dass jemand mich beschützt." „Gewöhn dich besser dran", nuschele ich in ihre Schulter und spüre sie lächeln. Von weitem hören wir die Schulklingel, der Unterricht geht weiter. Ich werde sicherlich zur Direktorin müssen und riesigen Ärger bekommen. Meine Eltern werden unglaublich enttäuscht von mir sein und sich fragen, woher ich diese Aggressionen habe. Ich werde ihnen wohl kaum erklären können, warum ich Lea geschlagen habe oder woher ich überhaupt so einen guten Schlag habe. „Hey, du wirst nicht von der Schule fliegen. Du hast dir nie was geleistet und bist eine Vorzeigeschülerin. Ich kann gerne sagen, dass ich dich dazu gebracht habe", versichert Mila mir, doch ich schüttele sofort den Kopf. „Du machst gar nichts, klar?" Ich sehe, dass sie damit nicht zufrieden ist, aber letztendlich nickt sie gehorsam. Als wir in die Klasse kommen, sieht Lea mich wütend an. Sie hält sich ein Kühlakku an ihre Wange und wirkt ziemlich verärgert. Ich überlege kurz, mich bei ihr zu entschuldigen, doch es scheint mir der falsche Moment dafür zu sein.

Die ganze Stunde male ich mir aus, was auf mich zukommen wird. Eine Vorstellung ist schlimmer als die andere und ich bin ziemlich überrascht, als Lea nach dem Unterricht auf mich wartet. Sie ist ausnahmsweise allein und wartet bis alle anderen weg sind, bis sie anfängt zu reden. „Ich werde nicht zu meiner Mutter rennen, falls du das denkst", sagt sie und hat mich damit natürlich durchschaut. „Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte", versuche ich mich herauszureden, doch sie schnaubt nur verächtlich. „Ich weiß genau, was da passiert ist und ich lasse nicht zu, dass du so schlechtes Licht auf unser Team wirfst." Verwirrt runzele ich die Stirn, ich habe eigentlich damit gerechnet, dass ich aus dem Team fliege. „Du bist zu gut, um dich rauszuschmeißen, so gerne ich es auch tun würde. Aber Tänzerinnen geben sich nicht mit Abschaum ab. Du wirst machen, was ich sage, sonst werde ich Milas Geheimnisse überall herumerzählen. Ich werde zu meiner Mutter gehen und dann kannst du sehen, wie schnell das Sozialamt bei ihnen anklopft." Leas Stimme ist scharf und fest, sie meint es definitiv ernst. Sofort ballt sich meine Hand wieder zu einer Faust, sie will mich erpressen. Nur weiß sie leider sehr genau, was sie in der Hand hat. Ich kann nicht riskieren, dass sie Mila so etwas antut. „Was willst du?", frage ich bissig und Lea grinst überheblich. „Chris ist ziemlich interessiert an dir und findet es schade, dass du ihn immer korbst. Du solltest ihm am Sonntag zeigen, dass du auf ihn stehst." Chris ist ein Typ aus unserer Klasse, der auf jeder Party zu mir kommt und mich anbaggert. Ich lasse ihn immer links liegen, aber er scheint es nicht zu verstehen. „Du wirst ihn küssen und dafür sorgen, dass Mila es sieht." Meine Augen weiten sich und ich kann nicht fassen, dass sie das von mir verlangt. Warum hasst sie Mila so sehr, dass sie ihr das antun will? „Und komm ja nicht auf die Idee, es ihr zu erklären. Sie soll sich schön selbst einen Reim daraus machen", sagt Lea noch und lässt mich dann erbarmungslos stehen. Wut sammelt sich in meinem Bauch und Tränen in meinen Augen. Mila war schon mehrmals eifersüchtig, wenn Chris mit mir geredet hat, weil sie weiß, dass er auf mich steht. Ich habe ihr immer versichert, dass sie sich keine Sorgen machen muss. Wenn ich ihn vor ihren Augen küsse, zerstöre ich alles zwischen uns. Ich hasse es, dass Lea eine solche Kontrolle über mich hat. Ich weiß genau, dass sie ihren Plan durchziehen wird, ohne mit der Wimper zu zucken. Leider habe ich absolut nichts gegen sie in der Hand, das mir helfen könnte. Ich fahre mir durch meine hellen Strähnen und weiß nicht weiter. Gerade hatte alles noch so gewirkt, als könnte es sich zum Guten wenden.

Ich hatte wirklich darüber nachgedacht, meinen Eltern die Wahrheit zu sagen.

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