Kapitel 74

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POV Mila

Wir sitzen draußen auf der Terrasse und essen gemeinsam, obwohl ich nicht viel herunterbekomme. Meine Gefühle sind aufgewühlt, auch wenn ich versucht habe, sie abzustellen. Egal wie sehr ich mich anstrenge, alles abzublocken, Taylor findet immer einen Weg zu mir. Ich habe einen Teil meiner Mutter in mir, doch es fühlt sich eher so an, als sei es ein Teil von Taylor. Wieso lässt Jean es zu, dass wir uns sehen? Sie weiß genau, dass ich jedem Gespräch über sie in den letzten Wochen demonstrativ aus dem Weg gegangen bin. Noah erzählt Taylor stolz von der Ehrung, die ich für den Boxkampf erhalten habe. Sie sieht mich kurz an, doch ich blicke sofort auf meinen Teller. Also wendet sie sich wieder an meinen Bruder und lächelt: „Ja sie hat sehr gut gekämpft." Noah nickt und erinnert sich wieder: „Du warst auch da." Taylor nickt und ihr Lächeln wird etwas breiter, sie hat wohl nicht gedacht, dass ich ihn wirklich von ihr grüßen würde. Sie lehnt sich etwas zu Noah und fragt: „Hat sie dir auch erzählt, wie sie mich vermöbelt hat?" Er kichert sofort aufgeregt und schüttelt den Kopf. Dann sieht er zu mir und ich zucke die Achseln: „Sie hatte es verdient." Taylors Lächeln verliert an Glanz und ich merke deutlich, dass ich die Stimmung zerstört habe. Es fällt mir verdammt schwer, so zu tun, als sei alles in Ordnung. Taylor schluckt, reibt sich kurz die Stirn und murmelt dann: „Entschuldigt mich kurz." Dann steht sie auf und läuft mit schnellen Schritten ins Haus. Noah sieht mich traurig und leicht wütend an, doch ich verdrehe nur die Augen. Es ist sicherlich nicht meine Schuld, dass es so zwischen uns ist. Ich kann mich nicht die ganze Zeit verstellen, nur damit niemand verletzt ist. Ich bin auch verletzt und es interessiert niemanden.

Jean liest unbeirrt weiter in ihrem Gartenbuch und beachtet uns nicht weiter. Noah allerdings ist den Tränen nahe, als er sagt: „Warum bist du so?" Ich runzele die Stirn: „Wie bin ich denn?" Er zieht die Nase hoch und blickt anklagend: „Du bist gemein. Tay ist immer lieb zu dir." Ich verdrehe die Augen und sage leicht genervt: „Du verstehst das nicht, du bist zu klein." Wütend haut er mir gegen den Arm und jammert: „Du sollst das nicht sagen." Er fängt an zu weinen und es tut mir leid, dass ich es gesagt habe. Seufzend knie ich mich vor seinen Stuhl und streichele seine kleinen Hände: „Hey, tut mir leid. Ich mache es wieder gut okay?" Er schluchzt und schmiert sich seine Tränen an den Ärmel seines Pullovers. Besorgt streiche ich ihm durch seine kurzen Haare, ich wollte ihn nicht traurig machen. Das liegt nur an Taylor, sie macht mich so wütend. Beim Anblick meines Bruders bemerke ich, dass ich mich selbst belüge. Ich bin nicht erst, seitdem ich Taylor kenne, ein Arsch, ich war es schon immer. Tatsächlich ist Taylor der Grund, warum ich eine Zeit lang keiner war. Noah schnieft und flüstert: „Ich dachte es wäre wieder alles okay im Krankenhaus. Ihr habt doch Händchen gehalten."

Verwirrt runzele ich die Stirn, wovon redet er da. Taylor war nicht bei mir im Krankenhaus, jedenfalls hat es mir keiner erzählt. Warum hätte sie da sein sollen, aber gehen sollen, bevor ich aufwache. „Sie war nicht da", sage ich mehr zu mir selbst, bin mir dabei jedoch nicht mehr sicher. Ich weiß noch, dass ich im Krankenhaus mehrmals von ihr geträumt habe, aber das waren doch alles Träume, oder? Ich richte mich langsam auf und versuche, mich genauer an die Zeit zu erinnern. Es ist vergebens, ich hatte viel zu viel Schmerzmittel in mir, um die Realität von einem Traum zu unterscheiden. „In dir kennst du die Wahrheit", sagt Jean und ich sehe, dass sie ihr Buch weggelegt hat. Vermutlich belauscht sie uns schon die ganze Zeit und hat nur gewartet, in welche Richtung das Gespräch läuft. Ich sehe sie an und etwas Wut steigt in mir auf. Haben mich alle die ganze Zeit angelogen? „Sag es mir", sage ich und versuche meine Wut zu unterdrücken. Jean seufzt und lehnt sich in ihrem Stuhl zurück: „Denkst du denn wirklich, Anna hätte mich damals angerufen?" Ich sehe sie an und meine Wut weicht langsam. Es ist nicht ihre Schuld und auch nicht Annas. Es war eine Leichtigkeit für sie, mich anzulügen, weil ich ihnen glauben wollte. Ich wollte daran glauben, dass Taylor ein schlechter Mensch ist und kein Teil meines Lebens. Ich wollte sie vergessen und nicht wahrhaben, dass es doch eindeutig ihre Handschrift trägt, dass Jean uns hilft. Anna hat Jeans Nummer vermutlich gar nicht, aber ich weiß, dass sie die von Sam besitzt. Sie wusste, dass mir Taylor immer noch wichtig war und muss es ihr gesagt haben. Langsam fügt sich das Puzzle vor meinen Augen und ich kapiere, dass ich doch die Böse bin. Mit Sicherheit liegt es an ihren Eltern, dass sie nicht geblieben ist. Sie kennt mich und wusste, was ich denken würde. Natürlich, sie hat es genau so gewollt. Es fällt mir leichter, sauer auf sie zu sein, als sie zu vermissen und dafür hat sie die Böse gespielt. Ich sehe das Kreuz an Noahs Hals glänzen und mir wird klar, dass sie noch immer der Engel ist, in den ich mich verliebt habe. Ich beuge mich zu Noah und flüstere: „Ich bringe das in Ordnung, Großer." Dann gebe ich ihm einen Kuss auf die Stirn und atme tief durch. Ich bin bereit, endlich wirklich mit Taylor zu reden.

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