Kapitel 3

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P e r c i v a l

Schweißgebadet wache ich aus meinem Traum auf, der sich seit Tagen ständig wiederholte. Diese Stimme... wie sie nach mir ruft. Es verpasst mir eine Gänsehaut, wenn ich auch nur daran denke. Vielleicht sollte ich darüber mal mit meinem Vater reden? Denn, auch wenn mir diese Stimme ein Gefühl von Sicherheit beschert, überschwemmt mich jedes Mal die Angst, die Verzweiflung; ein Leid, das ich kaum ertrage. Es ist kaum zu beschreiben und vielleicht auch unmöglich. Wie kann man sich so sehr nach etwas verzerren und es gleichzeitig so fürchten? Seufzend stehe ich auf und mache mich für die Schule fertig. Ein weiterer Gedanke zwängt sich zu meinem Traum. Augen so blau wie das Eis an der Antarktis und so grau wie die Wolken am Himmel, wenn ein frischer Regen aufzieht. Sie verfolgen mich seit dem Treffen mit den Stämmen. Ares. Nie habe ich es für möglich gehalten, dass sich eine Person innerhalb eines einzigen Treffens so in mein Gedächtnis brennt.

Lächelnd verabschiede ich mich von meinem Dad, der entspannt seinen Kaffee in der Küche trinkt und trete in die kühle Brise nach draußen. Mit dem Fahrrad mache ich mich, wie jeden Morgen, auf den Weg zur Schule und grüße meine unmotivierten Nachbarn. Schule ist für mich eine Notwendigkeit. Unterricht macht mir nicht unbedingt Spaß, weil ich finde, dass an Schulen die kreativen Fähigkeiten viel zu wenig gefördert werden, außerdem ist der psychische Stress, wenn man es nicht schafft, einfach immens groß. So geht es zumindest vielen. Ich komme zum Glück ziemlich gut durch die Schule. Den Schulstoff sauge ich auf, lass ihn in den Klausuren raus und sperre ihn wieder aus, da es so viele schönere Dinge gibt, mit denen ich mich lieber beschäftige. Seufzend schließe ich die Augen und lächle breit, als mir der Duft von frisch gemähtem Gras in die Nase zieht. Es scheint ein schöner Tag zu werden, so fühlt es sich an.

In der Schule hat mir Hamish wieder mein Geld abgenommen und noch immer halte ich meinen Bauch, in den er einige Male getreten hat. Mit den Jahren gewöhnt man sich daran, dass es passiert, doch der Schmerz bleibt jedes Mal unerwartet heftig. In der Mittagspause setze ich mich an meinen Tisch und genieße das Brot, das ich mir gestern Abend noch schnell geschmiert habe, sodass es mein Vater nicht mitbekommt. Ich will einfach nicht, dass er erfährt, dass mein Geld von Mitschülern abgenommen wird. Es ist mir manchmal... unangenehm, dass ich vom Körperbau so gar nicht nach meinem Vater komme. Er ist nicht ohne Grund der Beta. Mein Vater ist früher im Schulteam gewesen und hat so einige Kämpfe gewonnen, dadurch war er sogar relativ bekannt. Wahrscheinlich hat er mich deswegen dazu genötigt dem Schulteam beizutreten, auch wenn das unterbewusst passiert ist. Eigentlich hätten sie mich auch nie genommen, wäre mein Dad nicht der, der er nun mal ist. Kämpfen tue ich trotzdem nicht. Ich bin eher ihr Laufbursche, wenn sie etwas brauchen. Zum Glück, muss ich sagen, denn ich denke, wäre ich in einer anderen Position, würde ich das gar nicht überleben. Ein Omega ist einfach nicht dafür gemacht, um zu kämpfen. Ich sehe es nicht als Fluch oder ähnliches, ein Omega zu sein. Irgendwie fühle ich mich dadurch wenigstens etwas besonderes, auch wenn das beklemmende Gefühl, der einzige meiner Art zu sein, bleibt. Warum ausgerechnet mir die Aufgabe zuteil wurde, das Erbe der Omegas fortzuführen, nachdem Jahrzehnte vergehen mussten, weiß keiner. Mein Dad ist stolz darüber, obwohl mein Rang - abgesehen von dieser einen Tatsache - nichts Besonderes ist. Ich bin nicht anders, außer, dass ich einfach etwas kleiner bin und keinen kräftigen Körperbau besitze. Aber es gibt auch zierliche Betas. Manchmal frage ich mich, ob ich keine Freunde habe, weil ich ein Omega bin. Mein Vater meint, ich sei eine liebenswürdige Person. Ja, ich bin manchmal schüchtern, aber nicht so schüchtern, dass ich es nie probiert hätte Freunde zu finden. Unangenehm erinnere ich mich an meine Kindergartenzeit zurück, in der ich nie akzeptiert wurde und sie mich angeschaut haben, als wäre ich eine Abnormität. Unsere Pheromone, die wir von Geburt an absondern, sagen uns sofort, welchen Rang wir besitzen. Mein Vater hat mir erklärt, dass Alphas nach Wald - und starker, überschwemmender Dominanz riechen. Ein Beta hingegen sondert den Duft von Regen ab oder riecht nach Seen. Dieser Duftstoff  spezifiziert sich zudem durch den Eigengeruch, die Stimmung und vor allem die Autorität und Persönlichkeit des Gestaltwandlers. Nur wenige Alphas haben die Fähigkeit, diesen zu regulieren und nur das zu zeigen, was der andere wahrnehmen soll. Omegas würden süßlich riechen, erklärte mir mein Dad, als ich ihn einmal fragte, welchen Duft ich hätte, da ich meinen Eigengeruch nicht bestimmen konnte. Allerdings hat Dad bei seiner Erklärung nichts Vergleichbares finden können, um meinen Duft näher zu beschreiben. Er meinte nur, der Duft sei sehr angenehm und berauschend. Man verspüre sofort den Wunsch mich zu beschützen. Doch anscheinend gilt das nur für meinen Vater und ich denke, dass das nur sein väterlicher Beschützerinstinkt ist. Ich weiß, dass mich mein Dad sehr liebt und alles tun würde, damit ich sicher bin. Er hat mich alleine großgezogen und musste Mutter und Vater zur selben Zeit sein. Ich bin nicht sehr traurig darüber, dass mich meine Mutter verlassen hat. Mein Dad tut mir nur sehr leid. Ich weiß, dass er sie sehr geliebt haben muss, doch warum sie plötzlich einfach weggegangen ist, wusste selbst er nicht. Er spricht nie wirklich von ihr und ich dränge ihn auch nie dazu. Sie war nie präsent in meinem Leben und wieso sollte ich einer Frau hinterher trauen, die anscheinend nichts mit mir zutun haben will. Das ist aber egal, denn dadurch bin ich mit meinem Dad sehr stark verbunden. Er ist mein bester Freund und Vater zu gleich. Ich wüsste nicht, was ich ohne ihn machen sollte, denn all die Liebe, die ich jemals in meinem Leben bekommen habe, kam alleine nur von ihm. Genießerisch schlürfe ich an meiner Schokomilch. Hoffentlich geht die Zeit schnell rum, damit ich endlich auf Arbeit kann.

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