Kapitel 60

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P e r c i v a l

Ich fühle mich sicher. Sicherer als ich mich wohl jemals bei jemand anderen gefühlt habe. Auch wenn es schmerzt, muss ich zugeben, dass er mir dieses besondere Gefühl von Sicherheit gibt, das mir nicht mal mein Dad geben konnte. Nicht auf diese Art und Weise. Ich liebe das Gefühl, suhle mich darin wie ein Süchtiger und will nur mehr davon. Dass seine Arme ebenso fest um mich geschlungen sind wie meine um ihn, beflügelt mich und lässt alles in mir kribbeln. Sanft streiche ich mit meiner Nasenspitze über seinen Hals. Am liebsten würde ich ihm hier und jetzt sagen, wie viel er mir bedeutet, dass ich nicht mehr ohne ihn kann und ihn bitten, mich nie wieder gehen zu lassen, doch ich beiße mir auf die Lippe. Es geht nicht. Nicht jetzt und vielleicht niemals. Zögerlich löse ich mich von ihm und beinahe sofort reagiert er und löst seine Arme ebenfalls von mir, damit ich ungehindert meine Beine wieder auf den Asphalt stellen kann. Meine Hand lasse ich langsam über seine Brust gleiten, da etwas in mir nicht bereit ist, von ihm zu lassen. „Ich denke, es ist keine gute Idee, wenn du mich fährst", murmle ich und mache einen Schritt von ihm zurück. Gerade als er etwas darauf erwidern wollte, wird lautstark die Tür aufgestoßen und eine aufgebrachte Ell kommt herausgestürmt. Kurz darauf erscheint auch Billy und die anderen beiden. „Geht's dir gut? Was ist passiert?! Hat dir jemand wehgetan? Ich bring diese Person u-...", sie hält ruckartig inne, als sie Ares sieht, wie er vor mir steht und mich beinahe niederstarrt. Er hat für keine Sekunde den Blick von mir abgewendet. „Alles gut, ich bin nur müde...", murmle ich und lasse absichtlich aus, was mir auf der Toilette passiert ist. Nicht um diejenigen zu beschützen, weil sie wahrscheinlich sonst von Ell fertiggemacht werden, geschweige denn, was Ares tun würde, der solch ein Verhalten niemals toleriert, sondern meinetwegen. Auf eine verdrehte Art und Weise ist es mir peinlich, was passiert ist. Es ist absurd, doch es ist dieses unangenehme Gefühl in meinem Herzen, was mich zu dieser Lüge treibt. Anhand des Blickes, den mir Ares weiterhin zuwirft, schätze ich, dass er mir nicht glaubt. Ell gibt sich aber mit meinen Worten zufrieden, vielleicht auch, weil sie zuvor schon meine Augenringe gesehen hat. Zwar bin ich gerade alles andere als müde, nur erschöpft und etwas ausgelaugt, doch ich wollte einfach nur noch nach Hause. „Sollen wir dich heimfahren?", fragt mich Trinity und lächelt mich sanft an. „Ja, das wäre echt nett." Meine Worte veranlassen Billy dazu, sogleich zu seinem Auto zu gehen, und ich wollte ihm mit den anderen auch folgen, als mich Ares am Oberarm packt. Ruckartig zieht er mich von hinten an sich und beugt sich seitlich über meine Schulter, um mir etwas ins Ohr zu flüstern. „Wenn du mir nicht erzählst, was passiert ist, werde ich es selbst herausfinden und sollte sich herausstellen, dass dir jemand wehgetan hat, werde ich diese Person umbringen." Mein Atem setzt aus. Mit großen Augen sehe ich zu ihm auf. Das kann er unmöglich ernst meinen, doch er sieht mir mit hartem Blick entgegen. Wir führen ein kurzes Blickduell, das ich leider verliere und auf den Boden sehe. Ich löse mich aus seinem Griff und wende mich noch ein letztes Mal zu ihm. „Das wirst du nicht tun!", zische ich zurück und gehe zu den anderen. Glaubt er, mir damit einen Gefallen zu tun? Was denkt er sich dabei, wenn er einfach sowas sagt? Ihm muss doch bewusst sein, dass ich sowas niemals wollen würde.
Im Auto ist es still, nur Trinity und Billy unterhalten sich leise über etwas. Ich sehe aus dem Fenster und verfolge die düsteren, an uns vorbeiziehenden Bäume. Als wir ankommen, schnalle ich mich ab und greife nach dem Türgriff, doch als ich höre, wie sich zwei weitere Personen abschnallen, halte ich inne. Ell und Cass waren gerade dabei, ebenfalls auszusteigen. „Was macht ihr?", frage ich die beiden. „Aussteigen", stellt Cass klar, als wäre es doch offensichtlich. Verwirrt runzle ich die Stirn. „Aber... ihr wohnt nicht hier?" Kurz zweifle ich an mir selbst. Sie schnaufen beide belustigt. „Ich habe beschlossen, dich heute Nacht nicht alleine zu lassen, immerhin hast du morgen Geburtstag", meint Ell. „Und ich werde mich in ein gewisses Zimmer einquartieren, bis besagte Person nach Hause kommt", erklärt Cass. Daraufhin steigen beide einfach aus und ich sitze immer noch wie bedröppelt da. „Äh... danke fürs Fahren", verabschiede ich mich noch und steige nun auch aus. Cass ist schon dabei ins Haus zu gehen, während Ell noch auf mich wartet. „Ist ihr bewusst, dass das auch nach hinten losgehen kann?", frage ich Ell, als wir ihr folgen. „Ich schätze, das ist ihr egal." Beide sehen wir uns an, ehe wir breit grinsen müssen und mir sogar ein Lacher entflieht. „Ich drücke ihr die Daumen." „Ich halte sie lieber für Remi gedrückt", meint Ell und sofort müssen wir beide laut loslachen. Überrascht halte ich inne. Mit großen Augen sehe ich zu ihr, die noch immer etwas lacht. „Was?", sie grinst. Fröhlich sehe ich sie an. Es ist schön, sie so lachen zu hören. „Ach nichts." Wir beide betreten das Haus und gehen gleich nach oben.

Black DepthsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt