P e r c i v a l
„Du bist ja heute noch komischer drauf als gestern", meint Ell mit vollem Mund. Mit glühend roten Wangen sehe ich zu ihr auf. „Was? Wieso? Nein, es ist gar nichts. Wie kommst du darauf?", hetze ich zusammen. „Wow, Percy, da muss dich ja was echt vollkommen durch den Wind gebracht haben", lacht sie. Peinlich berührt stehe ich auf. „Ich gehe schon mal. Wir sehen uns nachher", murmle ich, ehe ich meinen Teller nehme und davon eile. Mit einem schlechten Gewissen gebe ich meinen immer noch halb vollen Teller ab. Die Frau hinter dem Tresen schenkt mir nur einen kurzen Blick, während sie ihn kommentarlos annimmt. Schnell verlasse ich die Aula und gehe nach draußen. Völlig in Gedanken suche ich den Weg in die Bibliothek. Ich muss meinen Aufsatz noch zu Ende schreiben, was ich mir eigentlich schon gestern vorgenommen habe, konnte jedoch nicht die Motivation dazu finden. Ich sollte eigentlich genug Stichpunkte zusammengefasst haben, so dass ich ohne Probleme anfangen kann zu schreiben. Gerade als ich durch den großen Torbogen trete, sehe ich eine ganz bestimmte Person vor dem Tresen stehen und mit Ezra reden. „Ich werde die Bestellung noch heute aufgeben, das sollte kein Problem darstellen", sagt Ares und unterschreibt irgendetwas auf einem Klemmbrett. Sofort halte ich in meinem Tun inne und bin bestrebt, mich umzudrehen, wegzurennen und mich unter meiner Decke zu verschrecken. Doch gerade, als ich dem nachgehen wollte, macht Ezra auf mich aufmerksam. „Oh, hallo Percy", begrüßt er mich. Schluckend nehme ich all meinen Mut zusammen und gehe einige Schritte auf die beiden zu. Ares' Augen fallen plötzlich auf mich und eine Gänsehaut breitet sich überall auf mir aus, nimmt mich ein und sein Geruch lässt mich schwindelig werden. Er mustert mich intensiv, begrüßt mich jedoch nicht so wie Ezra. „Hey, wie... äh geht es deinem Sohn?", frage ich ihn unsicher und stehe nun genau vor dem Tresen, neben Ares und werde von seiner Wärme sofort überschwemmt. „Gut, er ist heute bei seiner Mutter", erklärt er und nimmt das Klemmbrett an, was Ares ihm reicht. „Sch-Schön", hauche ich und lächle schief. Unweigerlich nimmt mein Gesicht vor Peinlichkeit eine rote, tiefe Farbe an. „Alles klar, ich mach da noch schnell ein Stempel drauf", meint Ezra zu Ares, der bestätigend nickt. Daraufhin verschwindet er nach hinten und lässt mich hier alleine, mit ihm. Eine beklemmende Stille entsteht zwischen uns. „War es hilfreich?", brummt er fragend. Erschrocken zucke ich zusammen, da ich nicht erwartet habe, dass er mich anspricht. „Ähm naja...", ich zögere. „Sch-Schon ein wenig, denke ich." „Du denkst?" Ich spüre förmlich seinen brennenden Blick auf mir. Mittlerweile muss ich krebsrot sein. Überall. „Ich ähm...", sicherheitshalber schaue ich noch einmal, ob Ezra wiederkommt, was er aber nicht tut. Verdammt. „Ich habe mir erst fast eine Stunde eine Dokumentation angesehen, wie eine Biene eine Blume bestäubt, bis ich bemerkt habe, dass es unmöglich das sein konnte, was du meintest", murmle ich. Mein Herz bleibt plötzlich einfach stehen, ohne es verhindern zu können, als ich ihn tatsächlich lachen höre. Er lacht. Einfach so. Und es klingt ehrlich. Ein tiefes Lachen, nicht unbedingt laut und befreit, aber es ist da und seine Augen funkeln dabei, wie ich feststelle, als ich einfach aufsehen musste. „Du machst dich lustig über mich", klage ich betroffen. Er schnauft. „Das tue ich." Empört sehe ich zu ihm. Er bestätigt es auch noch?! Seufzend schüttle ich mit dem Kopf, ehe ich weiterrede. „Ich habe dann noch etwas weiter gesucht, bis ich ein paar Sachen gelesen habe. Das alles klang wirklich brutal. Viel schlimmer fand ich aber, als ich weitere Videos ansehen wollte und ich da auf völlig privates Zeug kam!", erkläre ich völlig überfordert. „Sowas sollte niemals bestimmt sein, von anderen gesehen zu werden! Das geht mich doch auch überhaupt nichts an, wie sie sich... liebhaben", krächze ich und kann jetzt sehr gut verstehen, warum wir erst mit achtzehn ins Internet dürfen. „Herzlichen Glückwunsch. Dein erster Porno. Du machst Fortschritte", grinst er und ich stocke. Er weiß, was das ist? Sieht er sich sowas an? Nein. Niemals. Wer macht denn sowas? Sicherlich war das alles nur ein großes Missverständnis und die beiden wurden Opfer von Veröffentlichung privaten Inhalts. „P-Porno?" Mal abgesehen von der völlig peinlichen Situation und der Tatsache, dass er sich über mich lustig macht, ist sein Lächeln wunderschön. Seine Augen glänzen, gehen mehr ins Blau und sein eher zurückhaltendes Lächeln bringt in mir etwas heftig zum Kribbeln. Ich habe ihn noch nie so gesehen. „Hier hab ich-...", kommt es von Ezra, hält aber sofort inne, als er zu uns sieht. Ungläubig liegt sein Blick bei Ares und mir. Kurz sehe ich zur Seite, muss aber feststellen, dass sich sein Gesichtsausdruck sofort wieder verändert hat. Wieder so emotionslos und kalt wie zuvor. „Danke", brummt Ares und nimmt das Klemmbrett wieder an sich, als Ezra sich aus seiner Starre gelöst hat. „Soll ich dich eintragen?", fragt er und ich nicke daraufhin bestätigend. „Du solltest es dir noch einmal ansehen, sowas gibt es auch für dein Beuteschema", meint Ares zu mir, als er bereit ist, zu gehen. Für mein Beuteschema? „N-Nein, das geht mich nichts an", antworte ich und hebe abwehrend meine Hände. Ich hoffe sehr, dass Ezra unser kryptisches Gespräch nicht versteht. „Es ist dafür da. Lass dich darauf ein." „Nein, wirklich, ich kann nicht. Ich fühle mich sehr unwohl dabei." Ich sehe, wie sein Mundwinkel zuckt und er wohl versucht, nicht zu grinsen. Wieso verschließt er sich nur so vor seinen Rudelmitgliedern? Und wieso nicht vor... mir? „Wie du meinst", erwidert er und will gehen, doch ich halte ihn noch kurz auf. „Ich wollte mich aber trotzdem bedanken." Er hält inne, sieht noch einmal zu mir und nickt, ehe er geht.
„Das ist wirklich erstaunlich", murmelt Ezra, als Ares aus unserer Reichweite ist. „Erstaunlich?", frage ich verwirrt. „Ich bin mit ihm zur Schule gegangen. Doch so,... habe ich ihn noch nie gesehen. Er hat mehr Wörter in den wenigen Minuten zu dir gesagt, als er normalerweise im ganzen Jahr redet." Gedankenversunken sieht er zu dem Punkt, wo Ares bis eben noch stand. „Ihr gingt beide in denselben Jahrgang?" Neugierig lehne ich mich vor und beobachte ihn dabei, wie er mich einträgt. „Ja, tatsächlich sogar in dieselbe Klasse", erzählt er. „Oh, wirklich?" Irgendwie erhoffe ich mir mehr zu erfahren. „Wie... Wie war er denn so?" Er sieht kurz überlegend zu mir auf, schätzt wohl ab, ob er mir das erzählen sollte. Er schnauft. „Nicht sonderlich anders als heute. Jedenfalls sein Gemüt. Körperlich hat er sich sehr verändert. Aber schon im letzten Schuljahr hatte er eine sehr ungewöhnlich heftige Muskelausbildung", erklärt er. „Wieso ungewöhnlich?" Es ist ja nun nicht so ungewöhnlich, dass man sich später dazu entscheidet Muskeln zu trainieren. „Naja, er hat nie beim Training teilgenommen oder hat ihn sonst irgendwie beim Sport gesehen. Als hätte sich sein Körper ganz alleine verändert", er zuckt mit den Schultern. „Er hatte auch nie wirklich Freunde. Wenn wir Projekte mit einem Partner machen mussten, haben wir sie meistens zusammen gemacht, trotzdem waren wir nie wirklich... befreundet. Außerdem hat er schon damals sehr wenig geredet. Er ist mir bis heute ein Rätsel.
So, ich habe dich eingetragen", endet er und lächelt auf. „Danke. Wir sehen uns nachher sicherlich noch einmal", verabschiede ich mich und gehe wieder auf den Platz, an dem ich schon das letzte Mal war. Wenig motiviert mache ich mich an den Aufsatz und füge all meine Stichpunkte zu einem Fließtext zusammen.~
„Also wirklich, das ist echt verdammt ätzend", grummelt Ell. Wir sind in der Trainingshalle, nachdem schon alle weg sind und kratzen den Kaugummi unter den Bänken weg. Schmunzelnd sehe ich zu ihr auf. „Du findest beinahe alles ätzend", kichere ich. Empört sieht sie zu mir. „Das stimmt auf gar keinen Fall. Eiscreme ist nicht ätzend", macht sie klar und schwenkt zur Verdeutlichung ihren Kaugummi-Abkratzer in meine Richtung. Lachend schüttle ich den Kopf. „Was ist eigentlich mit dem Idioten, sollte er das nicht auch machen?" Sie deutet auf den Hausmeister, der während er uns im Sitzen beobachtet hat, ob wir unsere Aufgabe auch fleißig erledigen, wohl eingeschlafen ist. Ich zucke nur unwissend mit den Schultern. „Lächerlich so etwas." Genervt legt sie ihren Kratzer beiseite und lehnt sich nach hinten. „Es ist so schönes Wetter draußen und wir müssen uns hier aufhalten. Das ist ätzend." Ich kratze weiterhin an den nächsten Kaugummis und weiß nicht sonderlich, was ich ihr darauf antworten soll. Wir haben gegen die Regeln verstoßen und das ist nun einmal unsere Strafe, ich finde es okay. Ja, sicherlich wäre ich jetzt auch gerne draußen, aber das hier habe ich selbst zu verantworten. „Meinst du, der schläft tief?", fragt sie mich. Überlegend schaue ich zu dem alten Mann mit der befleckten Latzhose. „So, wie er vorhin gerochen hat, schläft er bestimmt seinen Rausch aus", meine ich. Leise steht Ell von den Bänken auf und geht auf ihn zu. „Was machst du?", will ich alarmiert wissen. „Ihn verschönern", flüstert sie und ich kann ihr teuflisches Grinsen bis hier sehen. Oh nein. Sofort stehe ich selbst auf, versucht sie an ihrem Tun zu hindern, was einfach nichts Gutes sein kann. „Ell! Mach nichts Unüberlegtes!", zische ich ihr zu, jetzt sehr besorgt, dass er aufwacht. „Ich mache nur unüberlegte Sachen", murmelt sie und zieht aus ihrer Hosentasche einen schwarzen Filzstift. „Wieso trägst du sowas mit dir rum?!" „Für solche Eventualitäten." Jetzt stehen wir beide vor dem Mann und sehen zu ihm hinab. Sie schnipst plötzlich mit der Hand vor seinem Gesicht. „Bist du verrückt?!", krächze ich und erleide fast einen Herzinfarkt. „Das zählt definitiv zu missbilligendem Verhalten, wenn das der Alpha erfährt, schickt er mich nach Hause!", versuche ich ihr irgendwie ins Gewissen zu reden. „Bleib locker, wenn er aufwacht, sind wir wieder fleißig am Arbeiten und bis er es bemerkt, vergehen Stunden. Bis dahin steht Aussage gegen Aussage. Er hat keine Beweise, dass wir es waren, mal davon abgesehen, dass er eh schon nicht sonderlich gut beim Alpha steht", erklärt sie und setzt bei seinen Augenbrauen an. „Wie meinst du das?", frage ich sie. „Naja, Ares ist nicht unbedingt unbemerkt geblieben, dass er seiner Arbeit nicht wirklich aufmerksam nachgeht und oft sehr stark nach Alkohol riecht und vor allem nach AT", meint Ell. „Wieso hat er ihn dann noch nicht rausgeschmissen?" „Das ist schon ein bisschen her, seitdem hat er es nicht mehr bemerkt. Unser guter Mr. Russ vor uns, hat gelernt, es gut zu verstecken. Doch vor uns, den Schülern, ist es ihm relativ egal." „Oh...", entkommt es mir nur und sie brummt bestätigend. Sie malt die Lücke zwischen seinen beiden Augenbrauen zu und macht weiter, ihm eine Brille zu malen. „Du bist verrückt", lache ich leise und schüttle ungläubig den Kopf. Konzentriert hat sie die Augen zusammengepresst. „Normal wird überbewertet", antwortet sie. Überrascht sehe ich zu ihr. Die Worte kommen mir sehr wohl bekannt vor und erinnern mich schlagartig an den Moment, wo Ares mir wieder geholfen hat. Ob er solche Sachen in seiner Schulzeit auch gemacht hat? Ell malt ihm noch eine schwarze Nase und einen Penis auf die Wange. „Er wird so sauer sein." „Oh ja, das wird er. Aber die Blicke der Mitschüler, wenn er damit durch die Schule läuft, lohnen sich total", meint sie. Plötzlich bewegt er seine Nase und Adrenalin schüttet sich sofort in meinem ganzen Körper aus. Schnell steckt sie ihren Stift weg und wir eilen wieder zu den Bänken. Konzentriert tun wir so, als hätten wir nie aufgehört unserer Arbeit gewissenhaft nachzugehen. Ein Grunzen kommt von ihm, ehe er sich aufrichtet und verschlafen zu uns sieht. „Macht schneller, ich habe heute auch noch Besseres zu tun", befiehlt er mit kratziger Stimme. „Ja, Sir", antworten Ell und ich gleichzeitig. Wir sehen uns beide an und kämpfen darum, nicht zu lachen.
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Black Depths
Romance~ Black Depths ~ Ich hatte mir immer vorgestellt, dass mein Leben friedlich und nach meinen Wünschen ablaufen wird. Schon von klein an, wurde ich nicht so akzeptiert, wie ich im Herzen bin. Es war okay, ich lernte damit zu leben, da ich dachte, irge...