P e r c i v a l
Nervös streiche ich zum wiederholten Male durch meine Haare und hoffe so sehr, dass man mir nicht ansieht, was soeben passiert ist. Nachdem sich Ares einmal durch die Haare gegangen ist und seine Kleidung gerichtet hat, kann man absolut nichts mehr von dem Geschehenen erahnen. Selbst die Schwellung seiner Lippen ist nach wenigen Sekunden verschwunden gewesen. Kurz sehe ich zu ihm, als wir vor der Tür stehen und es nervt mich, dass er so ein selbstgefälliges Lächeln auf den Lippen trägt. „Was?!", krächze ich und ignoriere das eklige Gefühl zwischen meinen Pobacken. Ich muss dringend duschen. Gerade als ich erneut durch meine Haare gehe, ist sein Gesicht plötzlich direkt vor mir. Erschrocken sehe ich ihn mit großen Augen an. „Ich unterdrücke unsere Gerüche, sie werden nichts bemerken. Deine Lippen sind auch kaum noch geschwollen und deine Haare waren davor schon ein völliges Chaos." „Versprochen?" Ein Schmunzeln entsteht auf seinen Lippen. „Versprochen." „Und sie haben nichts gehört?" Röte schießt in meine Wangen und ich wende verlegen den Blick ab. „Die Wände sind im ganzen Haus schalldicht. Selbst wenn sie wollten, hätten sie nichts hören können." Verwirrt sehe ich zu ihm auf. „Aber warum hast du dann gesagt-...", ich unterbreche mich selbst und spüre die Hitze in jeden Winkel steigen. „Nun, wir sollten das Schicksal nicht unbedingt herausfordern." Er grinst und ich verdrehe die Augen. „So laut bin ich nun wirklich nicht." „Hm...", brummt er und sieht auf meine Lippen, auf die ich, ohne dass ich es bemerkt habe, beiße. „Lass das!", murre ich. „Was?" Seine tiefe Stimme beschert mir eine intensive Gänsehaut. „Mich so anzusehen." „Wie denn?" „Als wolltest du das von eben sofort wiederholen", krächze ich und verfluche meinen Körper, als ein erregender Schauer mein Rücken hinab fährt. Erneut. Ihm entflieht nur ein nicht identifizierbarer Laut, der sich stark nach einer Zustimmung anhört, aber auch etwas Verzweifeltes hat, weil er genau das gerade nicht kann. Als sich Ares von mir zurückzieht, entsteht ein sehnsüchtiges Ziehen in meinem Herzen und ich wünsche mir sofort, mich mit ihm in ein Bett zu kuscheln. Zusammen verlassen wir jedoch wieder das Büro mit einem gebührenden Abstand zueinander. Einerseits wahrscheinlich, um den Schein zu wahren, andererseits auch, weil wir beide nicht erneut in Versuchung geraten wollen. Wir finden Eze und meinen Dad in der Küche, die beide völlig stumm an der Theke lehnen. Mein Dad trinkt an einem Glas Wasser und scheint ausgiebig die Einrichtung zu mustern. „Dad", mache ich ihn auf uns aufmerksam. Beide sehen sofort zu uns. „Sie können bleiben", kommt es ohne Umschweife von Ares. Erleichterung und Wärme durchzieht mich. „Vorerst." Ruckartig erstarre ich und sehe mit entsetztem Blick zu Ares, den er jedoch nicht erwidert. „Sehen Sie es als eine Art Probezeit an", brummt er und verschränkt die Arme erhaben vor seiner Brust. „Aber Ar-..." „Mein Entschluss steht fest." Unzufrieden presse ich die Kiefer aufeinander und sehe ehrlich verletzt zu ihm. „Hier gibt es kein freies Zimmer, weshalb-..." „Er kann bei mir schlafen!", unterbreche ich meinen Alpha und er sieht sofort zu mir. „Nein", kommt es völlig unerwartet streng und kalt von ihm. „Was?", verwirrt sehe ich ihn an. „Ich kann auf dem Boden schlafen, das macht mir nichts aus." Seine stürmischen Augen sehen direkt in meine und irgendwie habe ich das Gefühl, wir würden hier gerade eine stumme Diskussion führen, doch worüber? Was passt ihm denn nicht? „Fein", murrt er, als würde er es alles andere als ‚fein' finden. Ohne ein weiteres Wort wendet sich Ares von uns ab und geht. Sein angespannter Rücken und sein grimmiger Blick sprechen für sich. Er ist ziemlich offensichtlich angepisst. Mein Blick huscht kurz zu Eze, der selbst etwas verwirrt die Stirn runzelt, ehe er dem Alpha hinterhergeht. „Komm, ich zeige dir mein Zimmer." Auffordernd nehme ich die Hand meines Vaters und ziehe ihn durch das Haus nach oben. Staunenden sieht er sich überall um, mustert jeden Winkel und ich sehe all die ungestellten Fragen in seinen müden Augen. „Mein Zimmer ist nicht sonderlich groß, aber bis wir was Eigenes für dich gefunden haben, sollte es reichen." Ich lächle ihn an, als ich die Tür öffne. Er sieht sich genau um und betrachtet alles ausgiebig. Die ganzen Pflanzen, meine Poster, all die Kleinigkeiten. „Wir können dir morgen ein paar Sachen in der Stadt kaufen", murmle ich überlegend, während ich zum Schrank laufe und ihm den Pullover von ihm und eine zu große Jogginghose rausziehe. „Die sollten erstmal passen." Etwas unbeholfen steht mein Dad im Raum und sieht sich noch immer um. „Dir geht es gut hier, nicht wahr?" Irgendwie klingt seine Stimme merkwürdig belegt. Ich lächle schwach. „Ja", antworte ich ganz schlicht und gehe auf ihn zu. „Ich habe dich schrecklich vermisst, Dad, doch zu den Whites habe ich mich nicht mehr zugehörig gefühlt. Vielleicht habe ich das auch nie getan. Hier ist es anders...", ich schlucke und sehe auf meine ineinander verschlungenen Hände. „Ich habe hier Menschen, die ich liebe, die... mich lieben. Freunde, die mir alles bedeuten. Ein Zuhause, in dem ich mich geborgen fühle und einen Alpha... den ich mein Leben anvertrauen würde." Als ich wieder aufsehe, sind die Augen meines Vaters direkt auf mich gerichtet. „Ist er gut zu dir?", fragt er mich ernst und ich weiß sofort, wen er meint. „Sehr." Genauso ernst erwidere ich den Blick meines Vaters und versuche ihm zu vermitteln, wie wahr diese Worte sind. „Er interessiert sich wirklich für seine Rudelmitglieder und gibt sein Bestes. Ich weiß, dass er unnahbar und abweisend wirkt, doch das ist nur sein verdrehter Selbstschutz." Seufzend schüttle ich den Kopf, als ich an sein Verhalten denke. „Er ist ein guter und gerechter Alpha." Dad zieht die Augenbrauen zusammen und nimmt die zwei Kleidungsstücke an, die ich ihm reiche. „Ist das mein Pullover?" Ich nicke schmunzelnd, ehe mich die vergangene Trauer überfällt. „Am Anfang hat er noch nach dir gerochen. Fallon hat mir noch gestattet, einige Dinge aus dem Haus mitzunehmen." Mit dem Daumen streicht er andächtig über den Pullover, den er früher oft zu Hause getragen hat. Ohne Worte nimmt er mich noch einmal in den Arm und ich ziehe tief seinen Duft in meine Lungen. Ich würde ihn niemals wieder verlassen.
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Black Depths
Romance~ Black Depths ~ Ich hatte mir immer vorgestellt, dass mein Leben friedlich und nach meinen Wünschen ablaufen wird. Schon von klein an, wurde ich nicht so akzeptiert, wie ich im Herzen bin. Es war okay, ich lernte damit zu leben, da ich dachte, irge...