Kapitel 19

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P e r c i v a l

„Das muss doch ehrlich so verdammt langweilig sein", meint Ell und sieht zu mir. Ja, das ist es. Es ist verdammt öde, doch es ist nun einmal meine Aufgabe. Heute findet der zweite Wettkampf für diese Woche statt und ich hatte natürlich wieder die ehrenvolle Aufgabe, am Ziel zu stehen und die Wasserflaschen für meine Teamkameraden bereit zu halten. Im Prinzip ist es ein Staffellauf und im Ziel wartet dann die nächste Person, der man den goldenen Stab überreicht. Von allen Disziplinen ist es die langweiligste. Mittlerweile sind wir schon bei der letzten Runde und vor der gruselt es mich irgendwie am meisten, denn durchs Ziel wird Hamish laufen und diesen habe ich seit dem Vorfall in der Küche nicht mehr gesehen. Mich lässt das Gefühl nicht los, dass er mir vielleicht aus dem Weg geht. Wundern würde es mich nicht, er war nie sonderlich gut seine Fehler einzugestehen. Ich beantworte Ells Frage bloß mit einem Achselzucken. „Was ist mit dir? Warum nimmst du nicht an den Kämpfen teil?", frage ich und sehe zu ihr. Ihre Haare sind heute ganz wild umher gestylte und ein mitternachtschwarzer Lippenstift ziert ihre vollen Lippen. Sie verschränkt augenverdrehend ihre Arme ineinander, die mit einer Art gerissenen Strumpfhose verdeckt sind. Sieht interessant aus. „Dieser Scheiß interessiert mich nicht", brummt sie, doch wie ihr Blick bei den anderen aus ihrem Rudel hängt, die bereits durchs Ziel gelaufen sind, lässt mich ihre Antwort in Frage stellen. Verwundert runzle ich meine Stirn, denn ich könnte mir niemals im Leben vorstellen, dass Ell sich etwas verbieten lässt und wenn sie es denn will, nicht einfach macht. „Trainierst du?", will ich wissen und versuche dadurch noch etwas mehr zu erfahren. „Nein, nicht in der Trainingshalle und auch nicht mit den Anderen", beantwortet sie tatsächlich meine Frage. Also trainiert sie? Warum nicht mit den Anderen? „Und du Zwerg, hast du schon mal gekämpft?" „Nein, ist nicht so mein Ding", antworte ich ehrlich und sehe wieder konzentriert zum Ziel, da gerade jemand an diesem erscheint. Ein Red, damit haben wir schon mal nicht gewonnen. Jubel bricht aus und er wird herzlich von seinem Team begrüßt. Fast schon verträumt sehe ich zu ihm. Oft habe ich mir so etwas, diese Zugehörigkeit, dieses Gefühl gewonnen zu haben und bejubelt zu werden, gewünscht. Aber mittlerweile habe ich mich irgendwie damit abgefunden, dass ich einfach nicht dazu bestimmt bin an diesen Punkt zu gelangen und das ist... okay.
Der Nächste, der durchs Ziel gelaufen kommt, ist Malik, der wütend zu den Reds rüber sieht und beinahe brutal den goldenen Stab seinem Trainer in die Hand drückt und damit zweiter Platz ist. Zalen Blake scheint ihm irgendwas zu sagen und ihm beschwichtigend auf die Schulter zu klopfen. Er wirft noch einen wütenden Blick zu Ares, der ohne jegliche Emotion den Wettkampf die ganze Zeit etwas abseits beobachtet hat. Seine Arme sind verschränkt und sein Stand erhaben. Es ist mal wieder ehrfürchtig, wie er so dasteht und über uns hinweg sieht. Was er wohl gerade denkt? Ob er sauer auf Malik ist, dass er nicht gewonnen hat? Oder ist es ihm egal? Jubel von Seiten meines Teams bricht aus, als Hamish zum Vorschein kommt, verschwitzt und völlig außer Atem. Er reicht unseren Trainer den goldenen Stab und ist damit noch dritter geworden. Wenige Sekunden später kommt auch der Letzte durchs Ziel. Ein Blue, der sich kaum noch auf den Beinen halten kann. Ich trete vor, als Hamish näher kommt, um ihm seine Wasserflasche zu reichen, ohne ein Wort an ihn. Für eine Sekunde sieht er zu mir, in meine Augen, ehe er abfällig schnauft, mir die Flasche aus meiner Hand reißt und sie schnell öffnet. Er wendet sich ab, um zu seinen Freunden zu gehen. Ich weiß auch nicht, was ich erwartet habe. Vielleicht so etwas wie Schuld? Zumindest das. Eine Entschuldigung habe ich mir nicht einmal erhofft. Dafür kenne ich ihn zu gut und habe schon viel zu viele blaue Flecke von ihm bekommen. Ob er auch nur für eine Sekunde drüber nachgedacht hat, Hilfe zu holen? Oder hat er mich wirklich zurückgelassen, mit der Hoffnung, mich würde vielleicht jemand finden? Darüber nachzudenken, dass er vielleicht gehofft haben könnte, dass mich niemand findet, will ich erst gar nicht. Vielleicht ist es leichtsinnig zu glauben, er könnte sich bessern und ihm jedes Mal wieder eine Chance zu geben.

Black DepthsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt