P e r c i v a l
„Na komm, Omega, zeig mir, was ihr da drüben so lernt." Er tänzelt mit seinen Beinen, während er schlagbereit seine Arme nach oben genommen hat. Um den Ring herum grölen die andern wie wild und feuern meinen Gegner an. Angst, die sich tief in meine Knochen frisst, überfällt mich. Selbst meine Beine fangen an zu schlottern und ich stehe nur kurz vor einer Hyperventilation. „Heb endlich deine Fäuste!", brüllt er mich an, was mich heftig zusammenzucken lässt. Sofort hebe ich meine Fäuste, wie es mir der Beta vor mir befiehlt. Ich habe nie sonderlich aktiv bei den Trainingseinheiten mitgemacht, die wir hatten. Ich weiß nicht, wie ich mich am besten stelle, meine Hände halte oder generell einen Kampf führe. Ich war dafür zuständig Wasser zu holen, dafür zu sorgen, dass es den anderen an nichts fehlt. „Bitte, ich glaube, das ist wirklich alles nur ein großes Missverständnis...", wollte ich erneut an seiner Vernunft appellieren, doch das fängt mir nur seine Wut ein. „Mann, hör endlich auf zu labern und kämpf!", damit führt er seinen ersten Schlag aus und trifft mich damit mit voller Wucht auf meine Nase. Beinahe sofort breche ich zusammen und halte mir schmerzerfüllt meine blutende Nase. Verdammt! Schmerz durchzuckt meinen Nasenrücken bis in meinen Schädel. „Steh auf!", brüllen die Umherstehenden und ich werde von einigen angestoßen, die durch die Gummibänder greifen. Ohne sonderlich viel Kraft, sehe ich mich gezwungen wieder in die Senkrechte zu gehen. Der Kerl vor mir tänzelt aufgeregt und schüttelt seine Arme aus, als wäre das alles erst der Anfang. „Bitte...", versuche ich es nochmal mit gebrochener Stimme. „Whites sind echt so erbärmlich", spuckt er und geht auf mich zu, während mir seine Augen entschlossen entgegen blicken und mir das Versprechen geben, gleich seine Faust in mich zu rammen. Schnell hebe ich zum Schutz meine Arme vors Gesicht und mache mich klein. Ein Knall ertönt, als wäre jemand mit gewaltiger Kraft auf den Boden gesprungen, ehe ein erschütterndes Brüllen durch den Raum und wahrscheinlich durch die gesamte Schule hallt. Meine Ohren klingeln und doch bleibt der Schlag aus, weshalb ich meine Arme runter nehme und vor mich sehe. Ein breiter, riesiger Rücken versperrt mir die Sicht, doch ich weiß sofort, wer das ist. Alleine dieser Geruch lässt meinen ganzen Körper lockerer werden. Er macht einige bedrohliche Schritte vorwärts, so dass die Sicht auf einen zitternden, knienden Nikos frei wird. Meine Augen weiten sich bei dem Anblick, wie er den Kopf vor Ehrfurcht gesenkt hat und die Hände flach auf seinen Oberschenkeln liegen. Geschockt sehe ich um mich, alle, die eben noch den Kampf so angefeuert haben, haben nun den Kopf gesenkt. „E-Entschuldige, mein Alpha. Ich bitte vielmals um Verzeihung", haucht Nikos und ich sehe ihn nur völlig erstaunt an. „Wie lauten die Regeln", knurrt er so animalisch, dass selbst ich Angst bekomme. Nikos vor ihm muss hart schlucken und lässt den Kopf gesenkt. „19 Uhr Ausgangssperre, kein AT konsumieren und... keine Kämpfe zwischen den Teams."
„Anscheinend beherrschst du die Regeln sehr gut, sag mir, wie kann es dann sein, dass einer meiner Rudelmitglieder zu inkompetent ist, die Regeln zu befolgen?", will er wissen und tritt ganz nahe vor ihn. „Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!" Nikos' Blick hebt sich zögernd und die Angst in seinen Augen ist klarer als seine Wut zuvor mir gegenüber. „Alpha, ich bitte um Verzeihung", seine Stimme ist gebrochen und heiser. Der Respekt seinem Alpha gegenüber ist beinahe greifbar und die Einsicht, einen Fehler begangen zu haben, steht ihm im Gesicht. „Du bist disqualifiziert. Geh nun auf dein Zimmer und überlege dir, mit welcher Tat du dein Ungehorsam wieder gut machst", brummt er und das Entsetzen in Nikos' Gesicht bei dem Wort ,Disqualifizierung' lässt Mitgefühl in mir aufkommen. Er ist doch auch nur ein Teenager und sicherlich bedeutet es ihm viel beim Wettkampf mitzuwirken. Der Junge nickt. „Jawohl Alpha", er erhebt sich, neigt noch ein letztes Mal respektvoll den Kopf, ehe er aus dem Ring steigt und zwischen den Umherstehenden, die immer noch den Kopf gesenkt haben, geht. „Das Training ist für heute beendet. Ich erwarte morgen Höchstleistung und nicht erneut so einen Vorfall." „Jawohl Alpha", sagen alle Umherstehenden im Chor, neigen wie zuvor Nikos respektvoll den Kopf, ehe alle ihre Sachen schnappen und gehen. Darunter erkenne ich auch Malik, der kurz verwirrt - aber für mich sichtbar - die Stirn runzelt, ehe auch er geht. Wie ich das jetzt finden soll, dass er mich hier einfach alleine zurücklässt, ohne ein Wort an mich oder ähnliches, ist mir unklar. „Alpha...", spricht ihn der Trainer, Zalen Blake, an. „Geh, wir klären das heute Abend", brummt der Alpha und Zalen gehorcht ohne Widerworte. Die plötzliche Stille um uns ist erdrückend. Noch immer hat er den Rücken zu mir gedreht und irgendwie fürchte ich mich vor dem Moment, wenn er sich umdreht und mich sieht - wieder einmal hilfsbedürftig, verletzt und gedemütigt. „Folge mir", sind seine einzigen Worte an mich. Ich zögere, ehe ich langsam hinter ihm her gehe, immer noch am Zittern und mit blutender Nase. Damit ich nicht den Boden voll blute, halte ich meine Hand davor. Sein breiter Rücken vor mir gibt so viel Wärme ab, dass sich ein wohliges Gefühl in mir ausbreitet. Plötzlich kommt in mir das innerliche Bedürfnis auf, mich an seinen Rücken zu pressen und seine ganze Wärme für mich zu beanspruchen. Er führt mich in einen kleinen, weißen Raum. Sehr offensichtlich ein Krankenzimmer, wenn wohl die Verletzungen größer werden als geplant. Er sucht einige Sachen in einem weißen Schrank zusammen. Still betrachte ich ihn dabei, wie er konzentriert und stumm ein Tuch rausholt. Als er sich zu mir dreht, packt er mich unter meinen Achseln und hebt mich mit Leichtigkeit auf die Liege im Zimmer. Ich schäme mich dafür, wieder einmal seine Hilfe zu beanspruchen. Er reicht mir das Tuch. „Press das gegen deine Nase", weist er mich an und will, nachdem ich das Tuch angenommen habe, nach meinem Arm greifen. Schnell entziehe ich ihm diesen. „Du brauchst mich nicht heilen, schon gut", flüstere ich und sehe nach unten zu meinen baumelnden Beinen. „Du solltest nichts mit Blacks anfangen", sagt er so plötzlich und mit dieser gewissen Abneigung, dass ich zu ihm aufsehen muss. „Was?", frage ich ihn verwirrt. „Du hast mich schon verstanden", brummt er und reicht mir zusätzlich noch einen Kühlakku, den er eben aus dem kleinen Minikühlschrank geholt hat. „D-Danke", hauche ich. Er lehnt sich mir gegenüber an einen Schrank und verschränkt seine Arme. Die Stille zwischen uns ist erdrückend und es frustriert mich so sehr, dass ich einfach nur will, dass er mich in den Arm nimmt. Nur ganz kurz. „Nimm dich vor Malik in Acht, er ist immer nur auf das Beste für sich selbst aus", durchbricht er dann die Stille. „Da unterscheidet ihr euch ja gar nicht so sehr", murmle ich und drücke das Eis gegen meine Stirn, da jetzt heftige Kopfschmerzen einsetzen. „Du solltest nicht über Dinge reden, die du nicht verstehst." Verletzt sehe ich zu ihm. „Du behandelst mich wie ein kleines Kind", brumme ich wütend. „Weil du auch eins bist." Das bricht mir ehrlich das Herz. Traurig senke ich wieder den Blick, nicht drauf aus, jetzt mit ihm zu streiten. Vorsichtig nehme ich das Tuch von meiner Nase und sehe, wie es schon voller Blut ist. „Tut es weh?", will er dann leise wissen. Vorsichtig sehe ich zu ihm. Sein Gesicht ist verschlossen, doch seine Augen glänzen und irgendwas sagt mir, dass es... Besorgnis ist, was ich in ihnen sehe. „Es geht schon..." „Lass mich dir helfen, Omega", seine Worte sind eindringlich und das Wort ,Omega' sollte mich sicherlich noch einmal drauf hinweisen, dass ich sie benötige. Genervt willige ich ein und halte ihm meinen Arm hin. Er umgreift ihn wie das eine Mal in der Küche und das blaue Licht entsteht wieder zwischen uns. Es ist erstaunlich, selbst der Sog ist wie damals. Meine Augen schwenken zu seinem Gesicht. Wieso nur kann er mich so wenig leiden? Das Bedürfnis ihn zu berühren ist groß, sehr groß, denn diese Bindung über unsere Arme lässt mich diese verwirrenden Gefühle nur stärker fühlen. Überlegend lege ich den Kopf schief und studiere sein Gesicht. Wie seine Augen geschlossen und seine Augenbrauen angestrengt zusammengezogen sind. Plötzlich ist meine Hand auch schon in der Luft und ohne dass ich es wirklich realisiere, lege ich meine Hand an seine Wange. Die heftige Wärme, die in ungeahnten Massen auf mich einschlägt, lässt mich keuchen. Vor meinen inneren Auge erscheinen Bilder, kurz und auch nicht annähernd so klar, als dass ich zu Hundertprozent bezeugen könnte, was sie bedeuten. Ein Junge, nicht viel älter als ich, leidend. Schmerzerfüllt und in sich gekehrt, mit Sehnsüchten und Geheimnissen. Er erscheint mir so unendlich traurig und alleine. Alles in mir sehnt sich plötzlich so verdammt stark ihn zu beschützen, vor all dem Unheil dieser Welt. Das Bild vor mir klärt sich: der Junge wird schärfer, die Gefühle dabei intensiver und das Ganze verwirrender. Ruckartig reißt sich Ares von mir. „Was hast du gemacht?", will er völlig außer Atem wissen. „Ich... I-Ich...", ungläubig sehe ich auf meine Hand, die nicht länger seine Haut berührt. Angestrengt reibt er sich über seine Schläfen. „Da war ein Junge... Er...", weiter komme ich nicht, denn Ares' Knurren unterbricht mich. „Du wirst das Geschehene vergessen und niemals darüber sprechen, verstanden?", seine Stimme ist tyrannisch und beängstigend. „O-Okay", hauche ich, noch immer nicht ganz klar, was gerade eben passiert ist. Wer war dieser Junge? Was ist ihm widerfahren? Woher kamen diese Bilder? Hat er sie auch gesehen? Weiß er, wer dieser Junge ist? Kann er ihm helfen? „Du solltest gehen und komme nicht mehr in die Trainingshalle der Blacks", weist er mich an. Ich nicke, noch immer in Gedanken versunken, springe ich von der Liege und bin mir gar nicht bewusst, dass die Kopfschmerzen verschwunden sind, meine Nase nicht mehr blutet und mein Körper wieder völlig genesen ist. Ein Danke wäre angebracht, erinnere ich mich plötzlich, kurz vor der Tür und halte noch einmal inne. „Danke... wieder einmal", ich mache eine kreisende Bewegung um mein Gesicht, um ihm zu verdeutlichen, dass ich das Heilen meine. Er nickt steif und steht noch immer an dem Punkt wie zuvor, in seiner Hand umgreift er fest mein mit Blut besudeltes Tuch. „Weißt du, ich denke, es ist etwas hart, Nikos gleich von den Spielen zu disqualifizieren", meine ich leise und blicke zu ihm auf. „Stellst du meine Entscheidungen in Frage?" Definitiv sauer sieht er nun zu mir. „Nein ich... ich...", schluckend halte ich inne. "Er ist noch ein Teenager, wir machen Fehler, das hast du sicherlich auch und bei deinen Kämpfen vergessen, worum es eigentlich geht", versuche ich zu überzeugen, denn das schlechte Gewissen gegenüber Nikos überwiegt einfach. „Ich habe nie an den Kämpfen teilgenommen", kommt es plötzlich von ihm und ich sehe überrascht in seine grau-blauen Augen, die nun einen Punkt hinter mir, völlig in Gedanken, fixieren. „Nikos ist disqualifiziert und das werde ich auch nicht widerrufen. Er kennt meine Strafen, kennt die Regeln und wusste sehr wohl, dass du nicht aus meinem Rudel kommst und dazu auch noch ein Omega bist." „Ja, der schwache Omega, hm?", seufze ich. „Hör mal, du musst einfach mal der Tatsache ins Auge blicken. Ja, du bist ein Omega und dadurch körperlich schwächer als ein Beta, weswegen es nicht klug wäre, einen Kampf mit eben diesen zu führen. Das ist keine Abneigung gegen deinesgleichen, sondern einfach eine reine Tatsache. Du musst anfangen dich und dein Wesen zu akzeptieren und stolz darauf zu sein." Mit gerunzelter Stirn sehe ich zu ihm und lasse seine Worte sacken. „Ich will doch einfach normal sein", hauche ich und sehe auf meine Hände, die schwach, klein und dünn sind. „Normal ist nichts besonderes. Geh jetzt", seine Stimme ist beinahe sanft, weswegen ich mit einem schwachen Lächeln zustimme und gehe. Meint er damit, dass ich... besonders bin?Beta: hirntote
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Hey Leute, wünsche euch einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Mal sehen, was das neue Jahr so bringt.Liebe Grüße,
Levi
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Black Depths
Romance~ Black Depths ~ Ich hatte mir immer vorgestellt, dass mein Leben friedlich und nach meinen Wünschen ablaufen wird. Schon von klein an, wurde ich nicht so akzeptiert, wie ich im Herzen bin. Es war okay, ich lernte damit zu leben, da ich dachte, irge...