Kapitel 97

5.4K 379 24
                                    

P e r c i v a l

„Warum hast du mir das nie erzählt?" Ich kann noch immer nicht fassen, was damals passiert sein soll. Was für ein Glück im Unglück muss ich haben, dass er immer zur rechten Zeit am rechten Ort ist? „Ich hielt es nicht für nötig." „Nicht für nötig?" Verständnislos sehe ich ihn an. „Ich weiß nicht, wieso du in diesen Wald gegangen bist. Was dich dort hingeführt hat, doch du hattest Glück, dass ich gerade noch rechtzeitig gekommen bin. Im Nachhinein dachte ich, es wäre vielleicht besser, wenn du dich nicht an das Geschehene erinnerst." „Denkst du wirklich, es war besser für mich oder besser für dich?" „Percy", knurrt er warnend, doch ich schüttle den Kopf. „Nein! Ich finde es nicht okay, dass du so lange gewartet hast, bis du mir das erzählst." „Ich hielt es für das Richtige." Seufzend richte ich mich auf. „Ich dachte, wir haben darüber geredet, dass wir solche Dinge nicht mehr für uns behalten! Du wusstest, warum ich mich nie verwandelt habe und ich weiß es bei dir zum Beispiel nicht. Findest du das nicht etwas ungerecht?" Ich ziehe eine Augenbraue hoch und mustere sein Gesicht. Es ist wieder so verschlossen und nichtssagend, wie immer. Er richtet sich nun ebenfalls auf. „Ich wusste ja nicht, dass dich das so interessiert." „Nun, das tut es!" Jetzt ist er es, der ein Seufzen entlässt und über sein Gesicht streicht. „Ich habe keine sonderlich gute Verbindung zu meinem Wolf. Er erinnert mich immer an den Abend, als meine Mutter sich umgebracht hat. Mehr oder weniger habe ich ihm unterbewusst die Schuld daran gegeben. Also habe ich ihn unterdrückt, bis mir bewusst geworden ist, dass das nur Konsequenzen mit sich bringt, also habe ich gelernt ihn zu kontrollieren. Mich nur halb in ihn zu verwandeln, gab mir das Gefühl noch immer die Kontrolle über alles zu haben und selbst bestimmen zu können. Außerdem half mir das Konzentrieren darauf, nicht immer an diese Nacht zu denken. Das ist die Geschichte." Als er geendet hat, steht er von unserem Bett auf. In mir kommt plötzlich das Bedürfnis auf, ihn in dieser Gestalt zu sehen, zu sehen, wie er aussieht, wie sich sein Fell zwischen meinen Fingern anfühlt. Mit meinen Augen verfolge ich, wie er im Bad verschwindet. Langsam stehe ich ebenfalls auf und folge ihm auf Zehenspitzen ins Bad. Er lehnt über dem Waschbecken und hat den Kopf gesenkt. Ein unangenehmes Gefühl entsteht in meiner Magengrube. Vielleicht hätte ich das ganze etwas anders angehen sollen. Sehr wahrscheinlich sogar, doch manchmal kommt es einfach über einen. „Es tut mir leid", flüstere ich und gehe auf ihn zu. Sanft lege ich meine Hand auf seine warme Haut, die nun wieder ihre normale Temperatur angenommen hat. „Ich wollte dich nicht dazu drängen, etwas zu erzählen, wozu du noch nicht bereit warst." Im Spiegel betrachte ich seine Erscheinung. Er ist so groß und mächtig. Ein Flattern entsteht in meinem Magen, was das unangenehme Gefühl verschwinden lässt. Ich hauche ihm einen Kuss auf den Oberarm und schlüpfe unter seinen Arm hindurch. Jetzt stehe ich zwischen ihm und dem Waschbecken. Seine Augen liegen ungeahnt intensiv auf mir. „Wenn du dich, wann auch immer das sein mag, bereit dazu fühlst, dich zu verwandeln, bin ich da und ich würde es lieben diesen Moment mit dir zu teilen, für dich da zu sein, dich zu unterstützen." Er schnauft, doch es ist kein genervtes, denn einer seiner Mundwinkel zuckt und unweigerlich wird das Flattern nur noch stärker. Mit den Händen packt er mich und setzt mich auf den Waschbeckenrand. „Danke", brummt er und klingt so ehrlich, dass ich nicht anders kann, als zu lächeln. „Immer." Als seine Lippen auf meine treffen, ist er sanft und es ist ein unbeschreiblich erfüllendes Gefühl. „Ich muss dir noch was sagen", raunt er nahe an meinen Lippen. „Und was?" Meine Augen sind geschlossen und ich sehne mich nach seinen Berührungen. „Ich muss heute Abend wegfahren." Abrupt öffnen sich meine Lider. „Was? Wieso?" „Für morgen ist ein Treffen mit den Rudelführern einberufen worden, um zu entscheiden, was wir gegen das Vide-Problem tun, und über Fallons Machenschaften ein Urteil fällen." „Wie... Wie lange wirst du weg sein?" Er schmunzelt. „Sieh mich nicht so an, Bi." Seine warme Hand legt sich auf meine Wange und streicht mit seinem Daumen über meine Haut. „Ich werde bis morgen wegbleiben. Wahrscheinlich werde ich erst abends wiederkommen." Hart muss ich schlucken. Wir haben noch nie eine einzige Nacht getrennt voneinander verbracht, seit wir uns markiert haben. „Kann ich mitkommen?" Er schüttelt den Kopf. „Nein, ich werde dich nicht zu einem Treffen voller Alphas mitnehmen. Kommt gar nicht in Frage." „Aber genau auf so ein Treffen haben wir uns kennengelernt." „Percy." Ernst sieht er mich an und mir wird klar, dass ich nichts tun könnte, um seine Meinung zu ändern. Fest schlinge ich meine Arme und Beine um ihn. „Das wird schrecklich werden." Zögerlich erwidert er meine Umklammerung und haucht einen Kuss auf meinen Nacken. „Ich werde versuchen, früher wiederzukommen."

Black DepthsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt