Kapitel 8

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P e r c i v a l

Blau, grün, rot. Blau, grün, rot. Blau, grün, rot. „Blau, grün... rot", kichere ich und fahre benommen die Steine im Flur nach. Wo bin ich? „E-Egal",  entkommt es mir schwammig und frage mich, warum die Steine diese Farben haben. Als wären sie dreidimensional. Ich sehe Stunden auf meine Hand und schwenke sie hin und her. Sie existiert dreimal. Wow... Also habe ich, sechs Hände. „Ich habe sechs Hände!", rufe ich begeistert aus. Wer kann schon von sich behaupten, dass er sechs Hände hat. Eine Spinne? Nein, das waren acht. Oder? Was war nochmal eine Spinne? Ich glaube, die können fliegen. Fliegende Spinnen? Oh bitte nicht, ich mag keine Spinnen. Spinnen spinnen zu viel. Obwohl Spider-Man cool ist. „Wusch...", mache ich und strecke meine Hand aus, als würden Seile rausfliegen. Kichernd drehe ich mich im Kreis und frage mich wirklich ernsthaft, warum die Decke im Schloss so viele weiße Punkte hat. Und seit wann ist der Boden nass und haarig? Verwirrt sehe ich nach unten. Freudig lege ich mich auf den Boden und umarme das Gras. Lieblich reibe ich meine Nase an ihm und sauge die Frische in mir auf. Es fühlt sich interessant an. Mit großen Augen sehe ich meinen drei Händen dabei zu, wie sie über das Gras fahren. Ich liebkose es. Nun, ich habe schon schrägere Sachen gemacht. Lachend drehe ich mich um und sehe in den Himmel, jedenfalls hoffe ich, es ist der Himmel. Glücklich mache ich einen Grasengel, auch wenn es im Schnee mehr Spaß machen würde. Schnee. Schnee. „Schneeee...", quieke ich lachend und möchte jetzt Schnee haben. Plötzlich von einem Energieschub gepackt, springe ich auf. „Musik!", befehle ich dem Orchester und deute zu Mr. Baum, den Dirigenten. Meine Augen schließen sich und ich folge der Melodie des Lebens. Langsam drehe ich mich mit ausgestreckten Armen im Kreis, fühle den Wind durch mein Haar gleiten und spüre das nasse Gras zwischen meinen Zehen. Hatte ich nicht mal Schuhe? Naja, wer braucht schon Schuhe. Wieso gibt es überhaupt Schuhe? Oh, ich schaffe Schuhe ab. Sollen alle barfuß laufen! „Schuhe... Schuheee... Schmuseee... Schmusen.... Hm... Ich will Schmusen!", traurig stampfe ich mit dem Fuß auf. Ich will kuscheln. „Kuuscheeln...", murmle ich unverständlich.
Müde öffne ich meine Augen. Laut entkommt mir ein Quieken, als ich jemanden vor mir stehen sehe. Ein großer Körper. Ob er kuscheln will? „Willst du kuscheln?", nuschle ich fragend und tue mich wirklich schwer damit, die Augen offen zu halten. Auffordernd breite ich meine Arme aus. Doch die Person bleibt einfach stehen. Nein! So nicht! Mehr oder weniger schwankend und stolpernd, gehe ich nach vorne. Eine Welle voller Hormone, Dominanz, Wald und Wut kommt mir entgegen, doch mir fällt das Filtern so schwer, da ich überall auch mich selbst rieche. „Bitte", flehe ich mehr weinerlich, als ich wollte. Den letzten Schritt falle ich und der Aufprall ist weich, warm und Gott, ich habe mich noch nie so zu Hause gefühlt. So willkommen, so unfassbar sicher. Schnell presse ich mich näher, drücke alles von mir an den viel zu großen Körper, genieße es, nicht alleine zu sein. „Ich will mich nicht verstecken", entkommt es mir nach gefühlten zehn Minuten und ich frage mich, warum er die Arme nicht um mich legt. Tränen entkommen meinen Augen und benetzen die nackte Haut, als ich an Ell denke. Nackte Haut? Verstört sehe ich auf den Bauch, weiter runter und muss zufrieden feststellen, dass er eine Hose trägt. Glücklich presse ich mich wieder näher. Kann man in einen Körper kriechen? Oh, das wäre toll. Ich will nicht, dass mein Rücken so kalt ist. „Homosexualität sollte keine Straftat sein. Welcher Alpha würde so etwas bestimmen? Es sollte erlaubt sein, mit jeden zu kuscheln, den man lieb hat. Man hat den Menschen lieb, nicht das Geschlecht. Mr. Cart-", mir entflieht ein Hicksen, „wright sollte das nicht befürworten, oder wie siehst du das, Mr. Brennend-warmer-Körper?", murmle ich mehr zu mir, um mir selbst einzureden, dass genau das der Fall ist. „Bitte hab mich lieb." Ich presse bebend meine Stirn an die Brust und lege meine Hände an seinen Rücken, drücke ihn an mich, fühle Unebenheiten, die mich aber in diesen Moment nicht interessieren. Die emotionale Einsamkeit, die ich erleide, seitdem mich Meilen von meinem Dad trennen, übermannt mich wie ein Tsunami. Die Brust bewegt sich heftig und eine Regung geht durch diesen riesigen Körper. Angst überfällt mich; Angst, die so plötzlich aufkommt, dass ich wimmere. Doch dann schlingen sich diese gigantischen Arme um mich; die Hände fahren über meinen schmalen Rücken, bis sie jeweils meine Taille erreichen und er mich ruckartig an sich drückt. Ich keuche laut auf, komme mit all diesen Gefühlen, die mich in diesen Moment überschwemmen nicht klar, vor allem dieses Verlangen zu behaupten, er wäre meins. Als gehöre er mir. Als hätte ich ein Anrecht auf diese Person, diesen Körper, diese Zuneigung. Ich kann nicht mehr atmen, so heftig ist das Gefühl von innen heraus ausgefüllt zu werden. Als würde sich die Leere in meiner Brust schließen. Vervollständigt werden. Dieses Kribbeln am ganzen Körper lässt mich schwindelig zurück. Die verschiedenen Emotionen lassen mich vollkommen überfordert dastehen. Ein Knurren, so gewaltig, dass selbst der Boden erbebt, dringt zu mir hervor und dann überfällt es mich wie eine Welle. Schwärze verschlingt mich, so tief wie die unvorstellbarste Unendlichkeit.

Black DepthsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt