Kapitel 22

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P e r c i v a l

Ich tue mich schwer damit, all die Flaschen auf meinen Armen zu balancieren. Mal davon abgesehen, dass ich eh schon viel zu spät dran bin und nicht mal annähernd weiß, wo ich überhaupt hin muss. Vor wenigen Minuten war noch ein massiger Strom an Schülern da, die alle das Schulgebäude verlassen haben, um beim nächsten Wettkampf dabei zu sein. Soweit ich weiß, ist heute die Disziplin Wettklettern. Wieder eine, dessen Nutzen ich nicht sonderlich verstehe. Ich weiß aber, dass aus unserem Team Levin der beste darin ist. Schon beim Training war er immer der beste von allen, weshalb ich meinen würde, dass wir heute tatsächlich ganz gute Chancen hätten. Es war immer erstaunlich anzusehen, wie er alleine mit seiner Kraft diese riesigen Bäume hochklettern kann und dann auch noch in einer Geschwindigkeit, die einem alleine beim Zusehen schwindelig werden lässt. Ich hoffe und wünsche es mir, dass mein Team heute den ersten Platz macht. Gerade als ich durch den Eingang will, stoße ich mit jemanden zusammen und alle Flaschen fallen auf den Boden. „Entschuldige!", sage ich sofort und sehe meinem Gegenüber in die Augen. Überrascht blicke ich in die von Ell, die aufgeregt funkeln und heute mit einem dunklen, lilafarbenen Lidschatten übermalt sind. „Percy! Was ein Zufall, dich habe ich gesucht", meint sie und packt mich plötzlich an der Hand. „Was...?", will ich verwirrt fragen, werde jedoch mit solch einem Ruck weitergezogen, dass ich ihr nur hinterher stolpern kann. „Aber Ell, die Flaschen!", versuche ich zu protestieren. „Pscht!", zischt sie nur und drückt mich in eine Ecke, gegen das Schloss. „Was ist denn lo-...", unterbrechend presst sie ihre Hand gegen meinen Mund und sieht aufmerksam zur Seite, wo ein großer, kräftiger Mann erscheint. Er sieht sich um, runzelt verwirrt die Stirn, ehe er sich wieder abwendet, ohne uns in der Ecke gesehen zu haben. „Wächter", brummt Ell genervt, als sie langsam von meinem Mund ablässt. „Sie haben sich in den letzten Tagen um das Schulgelände verdoppelt", meint sie und packt wieder meine Hand. Sie sieht sich noch einmal um, kann aber anscheinend niemanden sehen, weil sie zusammen mit mir losrennt. „Verdammt, Ell! Jetzt sag mir doch, was hier los ist." Eindringlich sehe ich in ihr konzentriertes Gesicht, während sie sich immer wieder umsieht, uns beiden hinter Bäumen versteckt und wir weiter rennen, bis wir die einzige Straße erreichen, die zur Schule führt. „Wir machen einen Ausflug", sagt sie dann schlussendlich und grinst breit. Wir beide rennen die Straße etwas weiter runter, so dass wir die Schule gar nicht mehr sehen können und umgeben sind von dem dichten Wald. „Und was ist mit dem Wettkampf?" „Ach komm, die brauchen dich doch eh nicht und das Ergebnis wirst du auch noch heute Abend erfahren", meint sie. In einer kleinen Einbuchtung an einer Kurve steht ein kleiner, dunkelblauer Wagen. „Oh gut, sie sind schon da", murmelt sie und zieht mich zu dem Auto. „Wer sind denn ‚sie'?", frage ich und mein innerer, ängstlicher Omega meldet sich zu Wort. Sie reißt die hinteren Türen auf und steigt schnell ein. Unsicher folge ich ihr ins Innere, wo Ell schon wild und herzlich begrüßt wird. „Na komm Percy, sie beißen nicht", und deutet mit dem Kopf auf die drei Personen. Tief atme ich durch und setze mich auf den letzten verblieben Platz. Als die Tür zufällt, fahren sie auch schon los. „Also, hinter dem Steuer sitzt Billy, er hat letztes Jahr sein Abschluss gemacht und gehört zu meinen engsten Freunden", stellt mir Ell den Jungen hinter dem Lenkrad vor, dessen Gesicht mit Piercings verziert ist und seine Haare rabenschwarz sind. „Sowie Billys Freundin, Trinity", sie weist auf das Mädchen mit den langen, rosa Haaren, die damit das absolute Gegenteil zu ihrem Freund darstellt. „Und Cass", sie deutet neben sich auf ein Mädchen mit wunderschönen rotbraunen Haaren und hellblauen Kristallaugen. „Eigentlich heiße ich Cassie, doch wenn du mich so nennst, bist du tot, klar?", sie lächelt liebreizend, was im absoluten Gegensatz zu ihrer Drohung steht und hält mir ihre Hand hin. Eingeschüchtert schüttle ich eben diese. „Percy. Eigentlich Percival, aber ich bringe dich nicht um, wenn du mich so nennst", meine ich und versuche mich an einem kleinen Witz. Ihre Augen fangen belustigt an zu funkeln. „Ich mag den Kleinen", sagt sie. „Ell meinte, du bist cool, mal sehen, ob sie recht behält", kommt es von Billy und er wirft mir einen kurzen Blick durch den Rückspiegel zu. Hart schlucke ich und muss mich konzentrieren nicht anzufangen zu zittern. „Ach, mach dir nichts draus. So war er auch zu mir, als ich neu zur Gruppe dazu gestoßen bin. Mittlerweile sind wir zusammen." Das Mädchen mit den pinken Haaren, Trinity, dreht sich zu mir um und lächelt sanft. „Ich bin Trinity", stellt sie sich noch einmal breitstrahlend vor. „H-Hey", meine ich und versuche mich an einem netten Lächeln. „Verdammt Billy, du hast den Kleinen total verängstigt", strafend sieht Trinity zu ihrem Freund. „Der soll sich nicht so haben." „Er ist ein Omega, nimm etwas Rücksicht", knurrt Ell und sieht Billy durch den Rückspiegel mit zusammengekniffenen Augen an. „Ein Omega?", fragen alle gleichzeitig völlig überrascht.
Oh, na das kann ja was werden.

Black DepthsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt