P e r c i v a l
Sicher, ich verstand selbst nicht ganz, was mit mir passierte, was ich fühlte und warum ich so reagierte, doch ich wusste, dass es nicht nur mir so ging. Er schien nur viel mehr gegen dieses innere Gefühl anzukämpfen als ich. Ich wusste kaum wie mir geschah, als ich mich kniend vor ihm auf den Boden wiederfand. Was hatte er uns beiden nur angetan, dass ich nicht mal mehr Herr meines eigenen Körpers sein konnte. Es ist für mich schon immer so wichtig gewesen, dass ich selbst bestimmen kann, was ich will und was nicht. Alleine schon durch mein Omega-Wesen war ich kaum in der Lage, das auch wirklich umzusetzen. Gegen meine biologische Beschaffenheit konnte ich kaum bis nie etwas ändern, doch meine Gedanken, meine Gefühle und meine Entscheidungen traf ich immer selbst. Ich steuerte sie, weil sie mir gehören, weil ich das Recht habe, meine eigenen Entscheidungen zu treffen, doch jetzt? Ich fühle mich, als wäre ich in Ketten gelegt, nackt und unbeschützt vor die Füße eines tyrannischen Alphas geschmissen. Tränen, die ich nicht verhindern kann, kommen auf. Tief aus meiner Seele. Frustriert, wütend und ängstlich bahnen sie sich einen Weg über meine Wangen. Dieses erdrückende Gefühl in mir, das mich zu all dem getrieben hat, zieht sich zurück wie eine Art Nebel. Es lässt mich wieder durchatmen, als der Druck auf meiner Brust verschwindet. Schluchzend breche ich zur Seite weg, weil die zurückkehrende Macht über meinen Körper kaum zu tragen ist. Peinlich berührt presse ich meine Hände vor meinen Augen, da ich überhaupt nicht weinen will. Es ist so peinlich, doch sie stürzen in Bächen über meine Wange, ohne dass ich es verhindern kann. Ich weiß nicht einmal wieso. Dieses Gefühl, einfach nicht aufhören zu können, ist beschämend. Ein Arm schlingt sich um meinen Rücken und alleine durch diese Kraft werde ich wieder auf meine Beine gezogen, die zittern wie Espenlaub. Seine riesige Hand greift nach meinen Handgelenken, um sie von meinem nassen Gesicht wegzuziehen. Verschwommen sehe ich wiederwillig zu ihm auf. Sein Gesicht ist noch immer kalt, starr und ich erkenne auch noch einen Hauch von Wut. Alles an ihm schreit nach Missmut, doch sein Handeln zeigt das Gegenteil. „Weinen zeugt von Schwäche", brummt er und wischt mir wenig sanft die Tränen weg. Eine Eiseskälte legt sich um mein Herz. Nicht im Stande darauf etwas zu erwidern, sehe ich ihn einfach mit großen Augen an. Mir ist gar nicht bewusst, wie nah wir uns sind und wie kräftig er mich an sich presst, um das Gleichgewicht zu halten. Ist er sich dessen selbst bewusst? Wie sein Duft in meine Lungen eindringt, meine Nerven betäubt und meine Sinne benebelt. Wie seine Ausstrahlung mich umgibt und anders als mich komplett zu überhäufen, zieht sie mich mit in diesen Nebel. „Du-...", er schluckt und schaut dann auf seine Hand, die noch immer an meiner Wange ruht. Ruckartig lässt er mich los und ich falle beinahe auf meinen Hintern. „Du solltest jetzt zu deinem Team gehen", murmelt er etwas zerstreut und fährt sich durch seine dunklen Haare. Eine Geste, die mich zweifelsohne dazu bringt, ihm beinahe alles zu verzeihen. Verwirrt über meine eigenen Gedanken schüttle ich den Kopf, ehe ich bestätigend nicke. „Ja... Ja, Sie... Sie haben... Recht. Ich sollte dann... gehen", ich weise auf das Gebäude hinter mir, mache aber keine Anstalten der Erste zu sein, der geht. Was ist nur los mit mir? Unsere Augen hängen aneinander wie zwei Ertrinkende, doch der Abstand von wenigen Metern lässt mich wenigstens atmen. Alles in mir schreit, dass ich gehen sollte, doch meine Beine sind wie festgewachsen.
„Alpha ich-...", erschrocken schaue ich zu dem Mann, der mit einem Zettel in der Hand auf uns zu geeilt kam, jetzt jedoch stockend zwischen uns stehen bleibt und neugierig zwischen uns beide hin und her sieht. Unentschlossen sehe ich noch einmal zu Ares und stelle fest, wie sein Blick noch immer auf mir liegt. Schluckend senke ich schnell den meinen und drehe mich fluchtartig um und eile wieder ins Schulgebäude.
Völlig durch den Wind, finde ich mich in meinem Zimmer wieder und lasse mich auf mein Bett fallen, drücke meinen Kopf in meine Bettwäsche, die nach Zuhause riecht und brülle mir die Seele aus dem Leib. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. All diese Gefühle, diese verwirrenden Gedanken und diese Hilflosigkeit lassen mir kaum Platz zum Denken. So viel würde ich gerade darum geben, um zu erfahren, was er getan hat und wie es dazu kam, dass alles so ist wie es jetzt ist. Wäre ich doch nie hierhergekommen.~
„Meinst du, dass lässt in den nächsten Tagen wieder nach?", murmle ich zu Ell, die genüsslich ihr Thunfisch-Sandwich isst. Was würde ich darum geben, um nur eine einzige, richtige Mahlzeit zu bekommen, die kein Fleisch enthält. Ich kann immer nur diese verdammt gering ausfallende Beilage essen. Wenn ich Glück habe, springt für mich noch ein Pudding raus. Wäre dies auch nicht so, wäre ich mir ziemlich sicher, dass ich die Köchin bestechen würde. Ich brauche meine wöchentliche Ration an Pudding. Das war schon immer so. Am liebsten Schokolade mit Vanillesoße, aber im Endeffekt ist es mir auch egal: Hauptsache Pudding. „Was meinst du?", fragt sie mit vollem Mund, wobei die Hälfte auf dem Tisch landet. „Bah, Ell...", lache ich und verziehe das Gesicht. „Sorry", nuschelt sie. Ell und ich verstehen uns soweit eigentlich sogar richtig gut. Ich hätte nicht gedacht, dass ich eine Black tatsächlich mögen könnte und irgendwas sagt mir, dass es ihr ebenso geht. Entschieden deute ich auf die Schüler um uns, die mich immerzu verstohlen anstarren, um ihre Frage zu beantworten. „Du bist gerade das Gesprächsthema Nummer Eins bei uns, also eher nicht." „Was, wie meinst du das?", wenig erfreut schlürfe ich an meinem Trinkpäckchen. „Naja, du bist das Interessanteste seit langem an dieser Schule. Das sind Teenager, die brauchen Tratsch, und dass unser Alpha das getan hat, war sowas von unwahrscheinlich, dass es kaum zu glauben ist", erklärt sie und wischt sich mit ihrem Handrücken über den Mund. Seufzend schüttle ich den Kopf, da mir diese ganze Aufmerksamkeit mehr als unangenehm ist.
„Hey Schwesterchen." Malik, der Bruder von Ell, hat sich plötzlich vor uns gesetzt, ihr eine Sandwich Hälfte geklaut und beißt kräftig rein. „Was willst du hier?", fragt ihn Ell genervt und sieht wenig erfreut über sein Auftauchen aus. Um ehrlich zu sein, habe ich ihn bisher nur ein paar Mal auf den Fluren gesehen. So wie es scheint, ist er ziemlich beliebt, weshalb ich mich frage, warum Ell keine wirklichen Freunde hier hat. Jedenfalls hat in meiner Gegenwart noch nie jemand mit ihr gesprochen, doch sie darauf anzusprechen traue ich mich nicht. Vielleicht ist es beleidigend, wenn ich sie frage? Es ist mir einfach zu ungewiss, wie sie darauf reagiert. „Ich wollte meiner Schwester Gesellschaft leisten", antwortet er ihr mit vollem Mund, was mir bestätigt, dass es wohl in der Familie liegt. „Verpiss dich Li", knurrt sie und ihre Augen leuchten gelb-orange auf, die Farbe eines Betas. Malik's Augen verwandeln sich zu Schlitzen und sie scheinen eine stumme Unterhaltung zu führen, während sie sich giftige Blicke zuwerfen. Als Ell ihren Blick unterwürfig senkt, grinst ihr Bruder siegessicher, ehe sich seine dunkelblauen Augen auf mich richten und mir sofort die Röte in die Wangen kriecht. „Du musst Percival Dawn sein", er reicht mir lächelnd seine Hand, „... ich habe schon viel von dir gehört. Mein Name ist Malik Roman", stellt er sich vor. Unsicher schüttle ich seine Hand und sehe fragend zu Ell, die das Ganze mit wenig begeisterten Augen verfolgt. „Du bist Gesprächsthema Nummer Eins, kleiner Omega", beginnt er und Ell unterbricht ihn verständnislos. „Omega??", verwirrt sieht sie zu ihrem Bruder. „Jetzt sag nicht, dass du es nicht riechen kannst?", Malik sieht seine Schwester mit hochgezogener Braue an. „Ja ich mein', da ist etwas anderes, doch ein Omega!? Ich mein', sind die nicht ausgestorben?" „Hey Leute, ich sitze noch hier und ich bin der lebende Beweis, dass meinesgleichen nicht ausgestorben sind", demonstrativ winke ich etwas mit meiner Hand, um ihnen zu symbolisieren, dass ich noch immer mit am Tisch in der Cafeteria sitze. Wieder scheint es so, als würden sie eine stumme Unterhaltung führen. Das ist wirklich gruselig. „Wie dem auch sei...", murmelt Malik und wendet seinen strengen Blick wieder zu mir, der daraufhin auch wieder fröhlicher wirkt. Ob das ganze nur aufgesetzt ist, weiß ich nicht, doch ich vermute es stark. „Du kennst unseren Alpha also persönlich?", will er dann aus dem Nichts wissen und irgendwas in seiner Stimme drängt mein Omega-Wesen, all mein Wissen preiszugeben. „Naja... nicht mehr als alle anderen auch", antworte ich und muss dagegen ankämpfen zu erzählen, was für merkwürdige Aufeinandertreffen wir schon hatten. „Hm...", macht er nur nachdenklich und es scheint mir so, als könnte er durch einen Blick alles erfahren, was er will. Sekunden später löst er sich ruckartig, beißt noch einmal deftig in Ell's Sandwich und verabschiedet sich von uns. „Ist der immer so?", frage ich Ell und sehe dem blonden Schönling hinterher, wie er sich zu einer größeren Gruppe gesellt und gleich freudig empfangen wird. „Wie ein Arschloch? Schon als wir uns einen Bauch geteilt haben", grummelt sieBeta: @hirntote
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Black Depths
Romance~ Black Depths ~ Ich hatte mir immer vorgestellt, dass mein Leben friedlich und nach meinen Wünschen ablaufen wird. Schon von klein an, wurde ich nicht so akzeptiert, wie ich im Herzen bin. Es war okay, ich lernte damit zu leben, da ich dachte, irge...