Immer schneller lief James über den steinigen Weg, welcher, je weiter er rannte, immer mehr von Asche umhüllt wurde. Hustend versuchte er schneller voranzukommen, um Elisabeth womöglich noch rechtzeitig zu erreichen, bevor sie unverweigerlich vom Erdboden verschwinden würde. Asche und Bimsstein regnete vom Himmel herab und er hielt schützend seine Aktentasche über den Kopf. Doch seine Gedanken galten einzig und allein seiner Frau.
Die fallenden Steine verbrannten seine Arme, doch nichts tat so sehr weh wie der Gedanke an seine geliebte Frau. Es schien ihm das Herz von innen auszufressen. Gute Erinnerungen wurden zum Albtraum. Nur noch Schwermütigkeit erfüllte die endlosen Weiten des kleinen Dorfes, dessen Existenz nun infrage stand.
Für James schien der graue Nebel, welcher den gesamten Himmel überzog, wie ein schlechter Traum, wohlwissend, dass es doch Realität war. Der Rauch setzte sich in seinen Atemwegen fest und gab ihm das Gefühl zu ersticken. Tränen schossen ihm in die Augen. Das hinunterfallende Bimsstein prasselte auf ihn hinab, ohne dass er einen wirklichen Schutz hatte. Starke Verbrennungen zierten seine Arme, welche vor Schmerz schon zitterten. Doch er konnte keine Pause einlegen. Einzig und allein die Hoffnung, Elisabeth retten zu können, trieb ihm immer weiter an.
Eine Höllenhitze ging vom Boden aus. Lauter Donner ertönte im Hintergrund, ein Lärm, welcher alles zu zerstören drohte und den Tod ankündigte. James schreckte zusammen und zitterte stärker. In seinen Ohren bebte noch mehrere Minuten lang der Widerhall. Es war ein Albtraum, die Hölle auf Erden für James, doch war es leider Wirklichkeit. Es war die Realität, welcher er noch viele Jahre davon zulaufen versuchte, so wie er jetzt auf sie zulief.
Doch er wollte nicht aufhören zu rennen. Er wollte nicht wahrhaben, dass alles real war; er wollte und konnte es einfach noch nicht. Aufwachen, bemerken, dass es ein schlechter Traum war, so sollte es sein. Doch spätestens als er nicht einmal mehr am Horizont den Himmel erkennen konnte, sah er ein, dass es Zeit war. Zeit war um umzukehren und alles zu lassen, wie es war, auch wenn es so viel endlosen Schmerz bedeutete. Langsam, immer wieder sich zurückdrehend, ging er den Weg nach hinten, häufiger über Geröll und erkaltetes Bimsstein stolpernd. Die Sicht wurde nicht besser, nein, sie verdunkelte sich und nur noch das rote Leuchten von dem weit entfernten Vulkan war erkennbar. Die Lava, welche ihm wie sein Herzensblut vorkamen, ergoss sich tausende von Meilen entfernt über die Erde, doch würde bald für immer vertrocknen und damit alles begraben, woran sein Herz jemals hing. Trockenes Gestein würde eine Welt voller Liebe erfüllen. Welch eine grausame Vorstellung.
Zerstörung war das einzige Wort, welches sein Kopf in diesem Moment finden konnte. James Welt zersplitterte von Sekunde zu Sekunde ein Stückchen mehr. All diese Menschen, welche nun untergingen. Diese Welt, welche nun im Nichts verschwand. Sein Herz zersplitterte mit dieser Welt. Tausend Teile, von denen er niemals alle wiederfinden würde. Tausend Teile, welche den Untergang bedeuteten. Wie konnte er nun jemals wieder leben?
Alles um ihn herum war in Schutt und Asche gehüllt. Jeder einzelne Atemzug kostete ihm seine gesamte Überwindung und der bestialische Gestank von Rauch erfüllte die Luft. Nichts und niemand war in der Dunkelheit erkennbar. Der helllichte Tag war zur Nacht des Untergangs geworden. Und wenn am Morgen die Sonne wieder aufgehen würde, so blieben nur noch Trümmer.
Weshalb? Weshalb kam alles so, wie es kam? Weshalb konnte nicht die Ruhe über die Zerstörung siegen, so wie schon immer? Seine Gedanken rasten im Kreis. Er suchte Antworten auf Fragen, welche er bisher niemals stellen musste. Fragen, welche immer überflüssig waren, ihn jedoch nicht einfach gehen ließen. Gedanken, welche er niemals hatte, ließen ihm keine Sekunde dieser Zeit. Die Luft wurde von Minute zu Minute wärmer, sodass es ihm vorkam, als würde er bei lebendigem Leibe verbrennen. Doch gleichzeitig existierte eine horrende Kälte, welche sein Herz bald einzunehmen drohte.
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Remember and forget
Mystery / ThrillerAlles hat einen Anfang, sogar das Ende--- Als Elisabeth, James' Frau, durch einen Vulkanausbruch stirbt, ist er am Boden zerstört. Doch schon kurz danach erfährt er, dass Lord Fernsby von der drohenden Gefahr Bescheid wusste. Es kommt zum Streit und...