"Liebe Elisabeth,
es ist wieder etwas geschehen, leider. Zum zweiten Mal diese Woche. Zudem werde ich Pembroke verlassen. Sorge dich nicht, mir ist nichts geschehen. Ich glaube, ich sollte lieber von vorne anfangen, es ist leider ziemlich viel und ich habe nicht mehr viel Zeit, bevor ich abreise.
Alles begann vorgestern, und wenn ich mich nicht irre gegen Mittag. Ich arbeitete gerade in meinem Zimmer, als eine Erschütterung alle Papiere auf den Boden fegte. Draußen krachte es laut und auch Schreie ertönten. Ich lief sofort aus dem Zimmer um nachzusehen, was geschehen war. So wie es klang, musste es schon etwas Furchtbares sein. Leider bestätigte sich diese Ahnung auch; am Ende des Ganges war ein Schreckensszenario zu sehen.
Der Durchgang zum Nebengebäude an einem Ende des Flurs war eingestürzt und nach und nach fiel es in sich zusammen. Wände brachen auseinander, Fenster zersplitterten, Schreie ertönten und Menschen stürzten. Ein Feuer entflammte sich und alle rasten wie wild durch das Gebäude, um einen nicht existenten Ausweg zu finden. Grauenhaft.
Dann bemerkte ich durch Zufall einen Menschen, welcher fast direkt unter unserem Fenster stand. Er stand bewegungslos da und grinste, bis alles zum Stillstand kam. Er war der einzige, welcher sich nicht rührte und jagte mir damit einen kalten Schauer über den Rücken. Etwas an seiner Art war gruselig und gleichermaßen abstoßend. Schlichtweg fürchterlich.
Miss Dalory, der Buchhalter, dessen Namen ich immer noch nicht kenne und Mister Edevan kamen aus ihren Zimmern gestürmt. Mrs Edevan, welche auf die Toilette gehen wollte, lief seelenruhig weiter, als ob nichts geschehen wäre, auch wenn sie normalerweise bei dem leisesten Geräusch wie eine Sirene schrie. Aber so war sie eben, nie tat sie das, was man erwartete. Miss Dalory und der Buchhalter jedoch, der eine halbwegs schockiert und die andere völlig entsetzt, machten sich auf den Weg die ellenlangen Treppen hinunter, um sich das Desaster von unten anzusehen. Ich beobachtete die Person, welche unten stand und sah, wie sie erst lächelte und dann etwas Rundes aus der Tasche holte. Ich wusste noch nicht, was der Mann in dem langen gelben Mantel und übergroßen Schuhen vorhatte, aber ich wusste, dass es nichts Gutes sein konnte.
Der Mann dort unten grinste einmal, bevor die Kugel aus seiner Hand ins Fenster flog. Kraft hatte er, doch ich begriff den Sinn der Tat erst, als das rechte Fenster, wie auch die dazugehörige Wand, mehrere Meter in die Luft geschleudert wurde, bevor beides in winzigen Stückchen zu Boden krachte. Dasselbe Szenario wie eben wiederholte sich nun auf der anderen Seite des Gebäudes. Dieses sackte wie in Zeitlupe vor meinen Augen ab, ein klarer Riss entstand und etwa drei Meter des Gebäudes fielen, mitsamt den sich drin befindenden Menschen, herunter. Todesschreie ertönten mitsamt von Splittern des Steins und der Knochen. Der Untergang gefangen in einem Bild. Abermals.
Es war ein Anblick des Schreckens. Es war ... Es war genau wie bei dem Vulkanausbruch. Ein Lärm, der Tod, schnell aufeinanderfolgend genau wie hier. In meinen Augen verdrehten sich die Bilder. Die Bombe, der Vulkan, die Bombe, der Vulkan, Lärm, Tod und danach einfach nur nichts. Ich bewegte mich nicht mehr, ich fühlte nichts, ich dachte nicht. Ich stand da, als wäre ich eingefroren. Aus dem Augenwinkel sah ich mich zittern, doch ich wusste nicht wieso. Ich stand einfach da. Zitternd, während nur wenige Meter entfernt von mir an die hundert Menschen starben. Innerlich von Leere erfüllt. Leere und endloser Angst.
"Mister Relish? Sind Sie in Ordnung?", nahm ich Mister Edevans Stimme irgendwoher aus der Ferne war. Nichts außer dem Geschehenen zählte. Nichts außer dem Tod. Und ich hatte nichts getan. Verdammt, ich hätte etwas tun müssen! Fernsby durfte nicht damit davonkommen!
Mein Herz hämmerte immer noch bis zum Himmel, während ich halb bei Bewusstsein noch den Mann unter dem Fenster beobachtete. Den Mörder. Mister Edevan sprach noch etwas, aber ich war zu abgelenkt. Der Mann ging mit einem höhnischen Lachen davon, das ich trotz der Entfernung sehr klar wahrnehmen konnte. Er klang wie Fernsby. So gemein, so skrupellos. Und wieder waren Menschen tot, für nichts und wieder nichts.
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Remember and forget
Mystery / ThrillerAlles hat einen Anfang, sogar das Ende--- Als Elisabeth, James' Frau, durch einen Vulkanausbruch stirbt, ist er am Boden zerstört. Doch schon kurz danach erfährt er, dass Lord Fernsby von der drohenden Gefahr Bescheid wusste. Es kommt zum Streit und...