„Liebe Elisabeth,
ich vermisse dich mehr denn je.
Newcastle hat sich verändert, ich habe mich verändert. Es ist Herbst und im Frühling war Newcastle noch vollkommen anders. Irgendwie möchte ich nach Wales zurück, zu unserem alten Häuschen.
Das Häuschen auf dem Hügel, nur Wiesen rundherum. Den Blick über weite Grasfelder schweifen lassen. Menschen, welche nicht sinnlos durch die Straßen hetzen. Der Weg, welchen ich tagein, tagaus entlangging, ohne dass ich dessen müde wurde. Aber hier muss ich mich irgendwie in den alten und dennoch neuen Trott einfügen.
Weißt du, die Zeit verfliegt einfach. Drei ganze Jahre habe ich nun ohne dich leben müssen und als ich nach einem ganzen Jahr hierher zurückkam war schon alles verändert. Ich weiß nicht, vielleicht liegt es daran, dass ich alles irgendwie anders sehe. Ich weiß auch nicht weiter...
Veronica ist nun auch verschwunden. Ihre Bibliothek musste früher schließen als erwartet, da ihre neue Aushilfe alles falsch gehandhabt hat. Am Anfang eines Nervenzusammenbruches reist sie jetzt vermutlich durch die ganze Welt.
Die Smiths sind immer noch weg, wenigstens etwas. Doch auch die Johns lassen kaum etwas von sich hören. Newcastle scheint in einem Dornröschenschlaf festzustecken. Und ich? Ich gehe meiner grausigen Beschäftigung nach, nämlich aus dem Fenster sehen, während ich schlafe, oder es wenigstens nur versuche. Es gibt nichts, was ich sonst tun könnte.
Wieso passiert nur so viel in letzter Zeit? Wieso? Und wieso scheine ich alles falsch zu machen? Du warst immer eine Art Beruhigung, um mein Temperament oder meinen Hohn zu zügeln, im Moment werde ich aber verrückt ohne dich. Newcastle ist auf jeden Fall die Ruhe selbst, was mich noch wahnsinnig machen wird.
In der letzten Zeit saß ich stundenlang vor dem Papier, wenn ich nicht einschlafen konnte und las alle meine alten Briefe durch. Jede Zeile, welche ich jemals schrieb. Jedes Wort, welches ich irgendwann einmal zu Papier brachte. Ich denke, je länger ich dir schrieb, desto weniger dachte ich darüber nach, was ich geschrieben habe. Es war egal, dabei hätte ich doch so viel mehr zu schreiben gehabt, was dich mehr interessiert hätte, als meine stetige Verwandlung in ein Monster.
Ich würde die Briefe allzu gerne wegwerfen, aber ich habe sie schließlich an dich geschrieben. Vielleicht hat sich Newcastle nicht verändert, sondern nur ich. Mittlerweile gibt es kaum einen Unterscheid zwischen mir und Fernsby. Zwischen mir und all den Leuten, welche ich immer so sehr gehasst habe.
Wieso nur? Wieso kann ich nicht einfach ich sein? Ich meine, so schwer kann es nicht sein, alles richtig zu machen! Doch selbst wenn - ohne dich fühlt sich jeder Tag wie der größte Fehler meines Lebens an.
Sollte ich vielleicht einen erneuten Sprung wagen, um dich wiederzusehen? Ich hatte schon so oft darüber nachgedacht, doch du wärst dann enttäuscht. Und das Letzte, was ich jemals wollte, war dich zu enttäuschen, meine Liebe.
Es ist sehr ruhig hier, vielleicht zu ruhig, vermutlich geschieht bald etwas. Aber mir fällt nicht das Geringste ein, das geschehen könnte. Denn der Sturm ist schon vorbei und nur noch Zerstörung ist übrig. Eine alles erfüllende Leere in Newcastle.
Ich dachte nie, ich könnte so schreiben. Traurig und tragisch, meine ich. Und... so anders als sonst.
Auf jeden Fall schreibe ich dir bald, meine liebe Elisabeth.
In Liebe,
Dein
James"
James legte den Brief nieder und lehnte sich wieder gegen das Fenster.
Die Hoffnung stirbt zuletzt, doch wenn die Hoffnung stirbt, ist alles aus---
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Remember and forget
Misterio / SuspensoAlles hat einen Anfang, sogar das Ende--- Als Elisabeth, James' Frau, durch einen Vulkanausbruch stirbt, ist er am Boden zerstört. Doch schon kurz danach erfährt er, dass Lord Fernsby von der drohenden Gefahr Bescheid wusste. Es kommt zum Streit und...