Alles hat einen Anfang, sogar das Ende---
Als Elisabeth, James' Frau, durch einen Vulkanausbruch stirbt, ist er am Boden zerstört. Doch schon kurz danach erfährt er, dass Lord Fernsby von der drohenden Gefahr Bescheid wusste. Es kommt zum Streit und...
Im Moment ist es recht ruhig in Lenham, keine neuen Ereignisse, keine Morde und nichts zu tun am Nachmittag. Ich habe dir versprochen, ich würde dir einiges aus Darcys Tagebuch schreiben. Nun, da ich Zeit habe, tue ich es am besten jetzt. Ich konnte keine Seiten vermerken, deshalb weiß ich nicht mehr, wo die Textstellen sind, welche ich dir herausgesucht habe. Fangen wir von ganz hinten, von den neusten Einträgen an. Wenn auch nicht so heiter, so kann man doch manchmal über seine Wortwahl lachen. Es scheint, als würde er sich in Gesprächen sehr bemühen, um vernünftig zu reden, wohingegen er in seinem Tagebuch so altertümlich und überschwänglich schreibt, dass man sich ein Lachen verkneifen muss.
„ ... und hiermit übertrage ich, Darcy Edevan, meinen Besitz bis zur Rückkehr nach London für Verwaltungs- und Anlagezwecke Mr Drehlan, meinem jetzigen Buchalter. Jegliche Veruntreuung des Geldes wird jedoch unumgängliche Konsequenzen ziehen ...
Ich war mir nicht ganz sicher, ob ich ihm wirklich vertrauen sollte, aber ich tat es aus dem Vertrauen, welches schon zahlreiche Leute ihn gesetzt hatten, ob zurecht, war mir unklar. Ich habe einfach keine Zeit, um fortwährend zwischen Pembroke und Lenham hin- und herzureisen, welch ein Gräuel wäre dies doch!
So vollendete ich meine Unterschrift unter dem Brief und klebte ebendiesen zu. Vorsichtig lehnte ich mich in meinem hohen grauen Sessel zurück und blickte nachdenklich aus dem Fenster. Seichte Nebelschwaden hingen in der Luft und der Mond, weder nicht, noch ganz verschwunden, sondern in der perfekten Verbindung der beiden Zustände, tauchte auf und verschwand wieder hinter den Federwolken, welche den dunkler werdenden Nachthimmel bedeckten. Langsam verschwand das Leuten hinter Wolken, welche sich bis zum Himmel türmten und die Welt der Träume bildlich zu Leben erweckten."
Welch ein Gräuel seine Ausdrucksweise doch beizeiten ist, bevor sie in der Welt der Träume verschwindet! Er vergaß während des Schreibens wohl, dass es ein Brief an sein Tagebuch sein sollte und nicht an das Königshaus.
"Zwischen den riesigen Wolken, welche auch aus der Ferne so weich wie Watte erschienen, lagen große Felder vom Himmel, welche wie mitternachtsblauer Samt wirkten. Mein Blick jedoch schweifte zu den Bäumen, welche durch das dunkle und seichte, fast verschwommene Schimmern der Laternen aufleuchteten. Wie die Knochen der Toten, nach Rache gesinnt und doch ewig im Höllenfeuer festgehalten."
Sein Ernst? Tote? Ich wage zu behaupten, dass ich in Metaphern immer schon gut war, doch sein Text war davon nur so erfüllt!
"Dunkel und verschwommen, so wie der Himmel, war momentan auch meine Stimmung. Wieso konnte ich einfach nicht ein normaler Mensch sein, welcher ein ruhiges Leben führt? Ein Häuschen am Straßenrand, jemand, der dasteht und kommt um einen nach der Arbeit zu begrüßen, ein Spaziergang im Mondschein und weder Morde noch Selbstmorde in Sichtweite. Jemand, wie die Menschen auf der Straße, welche ein Leben führen, das wie ein Ei dem anderen gleicht. Ich seufzte."
Schreibt er wirklich seine Reaktionen nieder? Darcy, Darcy, das ist doch keine Literatur eines Kindes! Ich hätte von einem Absolventen der Universität und einem der berühmtesten Geschäftsleute Wales wirklich mehr erwartet. Schreiben ist eine Kunst und keine sinnlose Gefühlsduselei.
"Nein, ich hatte mir mein Leben zwar so ausgemalt, mir aber dennoch ein anderes zugelegt. Allein der Gedanke daran, was geschehen wäre, wenn sich niemand um James und Theodora gekümmert hätte, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Nein, was bei meinem Bruder geschehen war, sollte nicht nochmal geschehen und außerdem hänge ich sehr an solchen Menschen. Ich weiß nicht, wahrscheinlich habe ich das, was James fehlt. Empathie. Daran würde sich aber auch niemals etwas ändern.
Theodora und James sind, beziehungsweise waren, aber auch wirklich etwas Besonderes. Trotz aller Fehler, welche sie begehen oder auch begangen haben. Und irgendwie habe ich langsam auch gelernt, wie sie zu denken, was ich vielleicht nicht sollte. Mit etwas Glück gelingt mir bei James sogar das, was bei Theodora nicht funktioniert hat: Dass er jemals ein normales Leben als Mensch führen wird. Denn momentan ist er eher eine Eisstatue. Ihn nur einmal lächeln zu sehen, würde heißen, wenigstens etwas erreicht zu haben. Nicht, dass ich für die Mühen eine Art Bezahlung wollte, nein, ich wollte nur wieder alles in Ordnung bringen. Diese heile Welt, welche ich das letzte Mal mit siebzehn sah, wieder herstellen. All die verschwundenen Träume wieder erscheinen lassen."
Weiß er, dass ich sein Tagebuch lese, oder wieso schreibt er, dass ich etwas "Besonderes" sei? Mir kommt das recht albern vor, liebste Elisabeth. Natürlich bin ich etwas Besonderes! Zwar nicht so perfekt wie du, aber immerhin. Er ist bei allem sicherlich nur neidisch.
"Aber daraus würde wohl nichts werden, wie Träume doch nie in Erfüllung gehen. Ich stand von meinem Stuhl auf und machte mich auf den Weg in die mittlerweile rabenschwarze Nacht, welche mich wie die Hoffnungslosigkeit verschlang."
Welche Tragödie! Welch ein Drama! Darcy wird sicherlich der neue Shakespeare. Das war es dann für heute. Er kommt und wenn er sein Passwort ändert, kann ich sicherlich nicht dir 'Die Dramen von Darcy Edevan' zuschicken.
Auf Wiedersehen
James"
Er lehnte sich im Sessel zurück und ließ das Briefpapier sinken. Längst hatte er alles vergessen, was vor wenigen Monaten noch gezählt hatte. Werte wie Ehrlichkeit, Freundschaft und Hoffnung, an welche er immer geglaubt hatte, hatte er vergessen. Nur noch Gedankenlosigkeit und Bosheit erfüllten ihn. Er vergaß, was wichtig war. Er vergaß, was richtig war. Und auf diese Art vergaß er auch sich selbst, das, was ihn wirklich ausmachte. Nichts zählte mehr für ihn.
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