vierzigster Brief I Lügengebilde

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Liebe Elisabeth,

Im Moment steht alles auf der Kippe. Viel mehr, als ich jemals hätte denken können.

Pembroke - wieso kam ich überhaupt hierher? An den Ort, mit dem ich immer so viel verbunden habe, Gutes sowie Schlechtes und der nun wieder alles in Frage stellte.

Wieso muss sich immer alles ändern? Wieso muss ich mich immer entscheiden? Wieso finde ich niemals die Antworten die ich erhoffe? 

Irgendwann werde ich mich noch in meinen Lügen verheddern, auch wenn ich versuche sie zu entwirren. Eine Lüge bleibt dennoch, doch wenn ich diese aufdecke, was dann? Was dann, egal welche Antwort kommen würde, nichts ist so grausam wie die ewige Angst. Vielleicht wird alles gut, vielleicht endet auch morgen alles. Ich weiß es nicht, genieße deine Briefe, solange ich dir schreibe, meine liebe Elisabeth. 

Sicherlich fragst du doch nun schon, was geschehen ist. Was meine Nervosität auf sich zog und mich wieder zweifeln lies. Nun, diese Frage ist einfach zu beantworten. Ich habe das erreicht, was ich wollte, doch was jetzt? Ich bin nicht gerade der Mensch, welcher an Weihnachten gerne sein Leben verlieren würde, so reizvoll es manchmal wirkte. Und ich war nie der Mensch, welcher ausgerechnet am Weihnachtstag seine größte Lüge erzählt.

Edevan ist weder ratlos noch besorgt, da er nichts von meinen Zweifeln weiß. Ich nerve ihn mit lieber nicht mit solch unnützen Dingen. Dir kann ich aber alles erzählen, denn du stehst auch nach dem Tod an meiner Seite, so wie du es immer getan hast und immer tun wirst. Mit Sicherheit kennst du schon die Lösung, vermutlich sogar die perfekte, aber es ist eben so, wie es ist. 

Dieses kleine Dokument stellte wieder alles auf den Kopf. Wie kann ein so kleiner Zettel nur so viel bedeuten? Es ist kurz vor zehn, noch zwei Stunden bis Mitternacht. So kurze Zeit bis Weihnachten. Zu wenig Zeit um einen Plan zu entwickeln.

Diese bitterkalten Straßen sind fast genauso kalt wie die Herzen. Die Herzen der Menschen, welche mich zu so absurden Fehlern verleiten. Egal wo auf der Welt, immer gibt es jemanden, welcher nur sich sieht und alle anderen hasst. Egal wo man ist, wann und wer. Auch wenn ich mich eine Zeit lang dazuzählen durfte, was nicht gerade ruhmreich ist. Ich frage mich, wie diese bitterkalten Herzen ein echtes Leben führen können hinter all diesem Hass. Ich konnte es nicht. 

Ich frage mich, wie diese bitterkalten Herzen, eisiger als jeder Schneesturm, etwas verstehen können. Manchmal frage ich mich auch, ob jemals mich hier jemand verstehen wird. Vermutlich nicht. 

Du fragst dich jetzt bestimmt, was es mit der erwähnten Lüge auf sich hat, doch dazu habe ich jetzt keine Zeit. Du wirst es schon verstehen, sobald ich mich entschieden habe. 

In Liebe 

Dein dich verehrender

James Relish"

Mit Tränen der Verzweiflung in den Augen kippte sein Kopf auf den Brief. So wenige Worte bedeuteten wieder alles. Mit wenigen Worten konnte sein Versteckspiel enden, doch was dann? Oder er könnte sich noch einmal das Lügengebilde aufbauen, welches damals zusammenbrach.

Egal wohin man kommt, man kann nie  von sich selbst davonlaufen---, diese Worte bereiteten ihm noch die ganze Nacht Kopfzerbrechen. 

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