neununddreißigster Brief I Intrigen

44 25 18
                                    

"Liebste Elisabeth,

ich bin immer noch in Pembroke, diesmal habe ich mir eine vorübergehende Arbeit gesucht.

Edevan Industries. Wie alt dieses Gebäude wohl schon ist? Doch niemals hatte es einen solch schlimmen Besitzer wie den jetzigen. Mister Drehlan, nicht gerade die Nettigkeit in Person und intrigant wie kaum ein anderer. Mag sogar sein, dass er schlimmer als Darcys Cousin aus London ist. Und wenn irgendetwas schlimmer als London ist, muss es schon fast an die Hölle grenzen. 

Ich wunderte mich sehr, dass er mich nicht erkannt hat, aber schließlich hat er mich nur wenige Sekunden angesehen. Von einem Kanditen zum nächsten, die meisten können ihren Lohn am Ende des Monats sowieso nicht verlangen, wieso sollte er dann auf Wert auf die Qualität der Arbeit legen? 

Überhaupt, ich bin nur hier, um ein Dokument zu finden. Solange mich nicht einer der Männer mit den Peitschen bemerkt, würde ich hier sogar nach zwei Tagen lebendig herauskommen, was leider nicht alle von sich sagen können. Dieses Dokument ist alles, was zählt, bis ich von hier wegkommen würde. Und ich hoffe, es wird bald sein, denn mit jedem Tag hier sinkt die Überlebenschance. Zum Glück kenne ich mich schon so gut hier aus, wie sonst niemand außer Darcy, und genau das ist mein Vorteil. 

Vermutlich fragst du dich gerade, welches Dokument so wichtig sein könnte. Nun, es ist die originale Urkunde der zeitlichen Verwaltung der Firma. Der Gegenbeweis zu all den Aussagen vonseiten Drehlans. Und so wie dieser Buchhalter immer auf die perfekte Ordnung achtete, so wird er wohl auch dieses Dokument ordentlich irgendwo eingeheftet haben. 

Die meiste Mühe kostet es jedoch aufzupassen, dass keiner der Wärter sich ausgerechnet direkt vor dein Versteck zur Zeit seiner Wache stellt. Mir passiert das leider allzu oft, was wirklich zu bedauern ist. In diesem Tempo brauche ich noch Monate bis zum Büro, aber ich will kein Risiko eingehen, welches mein Letztes sein könnte. 

Drehlan wird bekommen, was er verdient. Keine Sorge - mit Todesfällen verhasster Leute halte ich mich diesmal zurück. Doch wenn herauskommt, was er getan hat, dann ist das Rache genug.  

Auf die genauen Bedingungen hier will ich lieber nicht eingehen. Ich weiß, was du für ein zartes Seelchen bist, meine Liebe. Doch mir wird nichts geschehen, das kannst du mir glauben. 

Dann auf Wiedersehen. 

Für immer und ewig 

Dein 

James"

James schlug das winzige Stück Papier, welches er heimlich im fast vollständig dunklen Raum beschrieben hatte, zusammen und steckte es in sein Kästchen. Auch wenn er so ruhig wie möglich in seinem Brief wirken wollte, so pochte sein Herz doch laut. 

Würde er es wirklich schaffen? War seine Entscheidung, Darcy zu helfen, wirklich richtig? Und was, wenn er enttarnt werden würde? Zweifel ohne Ende nagten an ihm und nebenbei die Angst vor den Ungewissen. 

Doch noch beängstigender war es, dass er sich gleichermaßen den Tod wünschte. Wie schön es doch wäre, endlich zu Elisabeth zurückkehren zu können. Und dennoch war er an ein Leben gebunden, welches er erst langsam zu akzeptierte. War das Leben den Verlust wert? 

Manchmal scheint das Leben sich zum Besseren zu verwandeln, und doch bleibt die Angst vor Morgen--- 


Remember and forgetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt