Alles hat einen Anfang, sogar das Ende---
Als Elisabeth, James' Frau, durch einen Vulkanausbruch stirbt, ist er am Boden zerstört. Doch schon kurz danach erfährt er, dass Lord Fernsby von der drohenden Gefahr Bescheid wusste. Es kommt zum Streit und...
nach zwei Wochen in Lenham hat sich wieder etwas zugetragen. Besser gesagt vor fünf Tagen, aber ich vermied es, dir zu schreiben, bevor ich besser informiert gewesen bin.
Der Bürgermeister ist tot. Aber es waren weder Darcy, noch ich. Er wurde in seinem Büro erstochen aufgefunden, kurz vor einem Gespräch mit uns. Ich denke, ich habe wirklich Talent, zur passenden Zeit am falschen Ort anzukommen, was nicht viele von sich sagen können. Jawohl, Elisabeth, ich war der Hauptverdächtige, was du dir wahrscheinlich schon gedacht hast. Es war schließlich auch die richtige Zeit. Aber zweihundert Pfund Sterling verzögern eine Verhaftung ungemein, also weiß ich schon jetzt, wer der Mörder ist.
Wir waren kurz vor dem Rathaus als es zu regnen anfing. Der Bürgermeister hatte uns um ein Gespräch gebeten, als neue, reiche Einwohner seiner Stadt. Vermutlich dachte er dabei an ein kleines Geldgeschenk zugunsten der Stadt, zu dessen Erbitten er jedoch nicht mehr kam. Eine Gestalt in einem grauen Regenmantel huschte am Hintereingang hinaus und im ersten Moment glaubte ich, meine Augen würden mir einen Streich spielen. Wer würde auch um sieben Uhr morgens im Eilschritt aus einem Rathaus rennen? Also gingen Darcy und ich die Treppen hinauf. Lange standen wir nur da und klopften an die dicke Eichentür, aber als kein einziges Geräusch zu hören war, traten wir ein. Es ist schließlich kalt gewesen, und ich für meinen Teil, wäre, wenn die Tür nicht offen wäre, einfach wieder nachhause gegangen. Für Darcy kam es aber einer Art Höflichkeit gleich zu warten. Der einzig mögliche Kompromiss war, einfach einmal hineinzuschauen. Doch drinnen lag der Bürgermeister ausgeblutet auf dem Fußboden. Den Anblick waren sowohl ich, als auch Darcy schon lange gewöhnt bei anderen Leichen, also erschreckte sich nur die Sekretärin, welche wenige Minuten später in das Zimmer kam. Wieso müssen Sekretärinnen auch so zimperlich sein, was Leichen angeht? Die Leichen können doch nicht mehr aufstehen und irgendetwas machen, also sind sie vollkommen harmlos. Ich hätte vielleicht nicht den Puls fühlen sollen, aber das kann man auch nicht mehr ändern. Also wurde ich erstmal verhaftet und ein paar Stunden später wieder freigelassen; die Polizisten fanden das Geld wohl schöner, als sich mit mir herumplagen zu müssen.
Nun, da du dich sicherlich schon lange langweilst, Elisabeth, stelle ich dir alle Verdächtigen mit ihrem Motiven und ihrem Verhalten vor, und du kannst raten, wer es ist. Morgen werde ich dir die vollständige Lösung erzählen, welche ich vor wenigen Minuten der Polizei vorstellte. Also ...
Da wäre Misses Kiddart, die Sekretärin. Ich brauchte eine rege Weile, sie etwas näher kennenzulernen, wobei mir Misses Dysentery mit einigen Informationen behilflich war. Die Post im Moment ist sehr schnell und sie hat mir innerhalb von zwei Stunden geantwortet, der Brief kam heute Morgen an. Nur zwei Tage für einen Brief, so etwas gab es noch nie, auch wenn die wohl wichtigste Postroute von Pembroke über London nach Dover direkt über diesen Ort hier führt.
Misses Kiddarts Eltern starben früh an der Jahrhundertseuche, welche die Familie heimsuchte. Nur sie und ihre älteste Schwester überlebten. Also wurde ihre Schwester wie eine zweite Familie, musste jedoch mit fünfzehn das Haus verlassen, um Ferndall, unseren toten Bürgermeister zu heiraten. Sie selbst heiratete wenige Jahre später einen sehr zuvorkommenden Mann, welcher jedoch sehr früh verstarb, wegen der Arbeit beim Goldabbau. Ihre Schwester bekam, kurz nachdem Misses Kiddart geheiratet hatte, ein Kind. Ferndall war nie zu Hause und die Mutter wurde schwer krank. Als sie eines Tages in ihrem Haus an einer Meningitis starb, ließ der Vater das Baby hinrichten und kümmerte sich nicht mehr darum, dass es seine Schuld war.
Irgendwie wollte ich wirklich nicht, dass sie die Mörderin war. Nicht nur, dass sie vom Äußerlichen meiner Tante Harriet Mase ähnelte, mit den dunkelbraunen Augen, dem tiefsitzenden grauen Haaransatz und der robusten und doch schmalen Statur. Zudem war die Geschichte wirklich ähnlich, auch wenn das Harriet durchaus nicht so lange zu leben hatte, mit ihren dreiundzwanzig Jahren. Wenn Mister Ferndall so wie mein liebenswerter Onkel war, konnte ich auch verstehen, wieso ihn jemand getötet hatte. Natürlich, auch mein Vater hatte sein erstes und sein letztes Kind eigenhändig umgebracht, aber immerhin hatte er jederzeit gut für Mutter gesorgt, so sehr er auch mich und Marcy gehasst hatte.
Aber weniger von meiner Lebensgeschichte, welche dich sicherlich wenig interessiert und zudem so schwer zu erzählen ist wie ein neuartiges physikalisches Experiment mit über hundert Schritten. Mrs Kiddart kam nach Winchester, ohne genau zu wissen, was sie tun sollte. Vor wenigen Wochen jedoch bekam sie eine Anstellung als zweite Sekretärin. Dass dieser Geizhals wirklich zwei Sekretärinnen brauchte, war zu bezweifeln und als Bezahlung eine Unterkunft und Essen - man konnte ihn, egal wie man es auch drehte, nicht mögen.
Dann gibt noch seine Mutter, unsere liebe Misses Ferndall, eine sehr geschätzte Frau im Dorf. Sie leitet jede Wohltätigkeitsorganisation hier und scheint beinahe so anhänglich zu sein wie Edevan, nur dass sie sich um noch mehr Nervensägen kümmert. Bis ihr Sohn achtzehn wurde, waren sie eine glückliche Familie wie in Büchern. Reicher Vater, fürsorgliche Mutter, intelligenter Sohn und liebenswerte Tochter, manchmal frage ich mich wirklich, wie solche ekelhaft perfekten Familien existieren können, mich hätte so etwas genervt. Eigentlich sollte der Sohn, so wie es sich gehört, alles erben, was vermutlich die beste Lösung gewesen wäre. Doch kurz nach seiner Volljährigkeit starb sein Vater und hinterließ den größten Teil seines Vermögens seiner Tochter. Mister Ferndall, ich meine den jungen Ferndall, auch wenn er jetzt steinalt ist, tobte vor Wut. Bevor sie etwas von dem Tod des Vaters und dem Erbe erfahren konnte, ließ er seine Schwester verloben und verbannte sie aufs Land, wo man nie wieder etwas von ihr hörte. Traurig, wie bösartig manche Menschen schon in jungen Jahren sind und wie aus perfekten Familien abscheuliche werden, aber da gibt es nichts, was man dagegen tun kann. Am Ende wird sowieso der Mörder an den Galgen gebracht und Ferndall als armes Opfer betitelt, aber so ist die Welt. Und selbst wenn es ein Unfall war, gehängt werden doch alle. Schade, dass ausgerechnet ich sie verraten musste, doch man muss immer zuerst seinen eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen. Ich werde schon wegen zwei Verbrechen gesucht, da kann ich mir nicht noch ein drittes anlasten, welches ich nicht einmal begangen habe. Doch genug von meinem nutzlosen Geschwafel.
Würde Misses Kiddart ihr neues Leben mit einem Mord aufs Spiel setzen? Zum ersten Mal schien es sich zum Guten zu wenden, wäre Rache dann Motiv genug?
Wenn Misses Ferndall wirklich einen Mord begehen würde, wäre ihr Leben ruiniert. Alles, was sie sich all die Jahrzehnte über aufgebaut hatte, wäre nur noch Erinnerung. Wieso sollte sie also ihr eigen Fleisch und Blut zu dem denkbar schlechtesten Zeitpunkt töten?
Und wenn es doch jemand aus der Stadt war, welche Gründe hätte er nur? Was meinst du?
Auf Wiedersehen.
Dein
James"
James faltete den zerknitterten Brief zusammen und schlug die Zeitung auf. Unachtsam blätterte er sie einmal durch, um sie dann wieder uninteressiert zuzuschlagen. Etwas Wichtiges auf der letzten Seite hatte er aber überlesen. "Gary Gilbert in der Nähe von Dover gesichtet" war der Titel des Artikels. "Angestellter von Lord Fernsby weiterhin auf der Flucht. Achtung, denn er könnte gewalttätig sein und hat schon zwei Polizisten zusammengeschlagen und wird des Mordes verdächtigt. Wenn jemand Näheres über seinen Verbleib weiß, sollte er diese Informationen der Polizei melden."
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