achtundzwanzigster Brief I Rettung

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"Liebe Elisabeth,

Layla geht es jetzt gut. Was man von den Entführern nicht gerade sagen kann. Es war eine heikle Aktion in Nacht und Nebel, wie man es aus Büchern kennt. Beinahe schon perfekt verlief all das, ich wünschte, es wäre meine Idee gewesen, doch es war Darcys. Ich weiß zwar nicht, was er daran spannend findet, wenn man im Dunkeln Verbrechern hinterherjagt und kaum die Hand vor Augen sieht. Außerdem hätte er mir eigentlich auch Bescheid geben können, bevor wir aus dem Haus sind. Doch alles in allem ist es gut gelaufen. 

Kurz bevor ich den Brief gestern beendet habe, fand Darcy den kleinen Zettel. "Alte Fabrik am Stadtrand."  Keine Geheimschrift, keine Verschlüsselung. Nichts. Und doch war es ihre Handschrift. Sie musste es sich in großer Eile notiert haben. 

Natürlich! Urplötzlich verstand ich, wieso sie so lange gebraucht hatte, um die Verbrecher ausfindig zu machen. Sie hatte genauso wie ich um tausende Ecken gedacht. Alle Verstecke durchleuchtet. Schließlich musste es ein wirklich geheimer Platz sein. Falsch. 

Die alte Fabrik stand wohl schon seit langer Zeit leer; sie schien niemandem zu gehören. Durch die vielen alten Fenster mit kaputten Halterungen und vermoderten Türen war es einfach, herein zu gelangen. Doch wieso sollte das jemand? Da gab es nichts zu holen. Und wieso sonst würde es keinen Besitzer geben? Alles vollkommen logisch und dennoch zu einfach für mich, als dass ich es jemals von alleine verstanden hätte. 

Darcy meinte nur Sekunden, nachdem er den Zettel mir gegeben hatte, wir hätten vorher noch etwas zu erledigen, weshalb ich ganz ohne Waffe hinausging. Dass ich zu einem rosafarbenen Regenschirm, welcher sicherlich Luise gehörte, griff, machte alles nicht besser. So lief ich ihm ahnungslos hinterher, ohne zu wissen, was er bloß vorhatte. Kurz vor der Fabrik begriff ich es, doch dann war es schon zu spät zum Umkehren. Zum Pech für mich, denn ansonsten hätte aus dem grandiosen Abend ein vollends perfekter werden können. 

Es war überall dunkel und nur der verdammte Schirm war im seichten Mondlicht zu erkennen. Es war wirklich albern und doch konnte ich nichts dagegen tun. Manchmal muss man sich eben blamieren, um etwas zu erreichen. 

Ich glaube, ich erspare dir die Details, in denen ich irgendwelche Männer mit meinem Regenschirm verprügelte. Nicht gerade ruhmreich, aber jetzt verstehe ich, wieso Frauen immer so übergroße Regenschirme brauchen. Ein wenig unhandlich sind sie zwar, aber mit Regenschirmen trifft man immer. 

Während ich also mit der kleinen Gruppe beschäftigt war, befreite Darcy die kleine Luise aus ihren Fesseln. Tapfer ist sie jedenfalls. Und zuschlagen kann sie auch. Kommt ganz nach ihrer Tante Elisabeth, nicht wahr? Sie scheint mehr von dir zu haben als von ihren Eltern. 

Nachdem ich die Kerle, welche sich diesen ungemein kindischen Scherz mit Luise erlaubt haben, ein wenig zurechtgestutzt hatte, zündete ich ein Feuerchen an. Es war zwar gegen den Willen von Darcy und meiner Nichte, aber wenn ich mich entschlossen habe, kann mich niemand aufhalten. Ihre Geldquelle waren sie jedenfalls los. Und das Verhör schien recht lustig gewesen zu sein. Ich hatte vorher vergessen, welche Wirkung der entstehende Qualm haben könnte. Leider schienen einige Polizisten ihn auch zu spät mitbekommen zu haben ... 

Aber du kannst dich sogar freuen Elisabeth, keine Toten! Auch wenn es mir Mühe gekostet hatte, mich zu beherrschen, und das wahrscheinlich der Grund war, weshalb Darcy mir nicht sagen wollte, wieso wir rausgingen. 

Vielleicht könnte ich ihm seine misslungene Prosa sogar dadurch verzeihen ... Vielleicht, wenn ich nicht noch mehr misslungene Zeilen entdecke. 

Es klingelt. 

Auf Wiedersehen. 

In Liebe, 

Dein 

James" 

James legte den Brief hin und stand auf. Mit großen Schritten ging er zur Tür und öffnete diese. 

"Mister James Edevan, Sie sind verhaftet."

Er wurde an beiden Seiten an den Armen gepackt und aus der Tür gezogen. 

 

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