zweiundvierzigster Brief I Schuldfragen&Auswege

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"Liebste Elisabeth,

Viele liebe Grüße aus Pembroke. Ich lebe noch. 

Heute früh kam die Zeitung an und mit ihr sehr viele Schuldfragen. 

„Verstorben geglaubter Mörder konfrontiert reichen Firmenchef - das Drama in Pembroke"  Schon alleine dieser Titel jagte mir einen Schauer über den Rücken. Irgendwie habe ich es geschafft, alles schlechter zu machen, als es war. Nun hielten mich wirklich alle für einen Mörder. Vielleicht hatte ich aber wenigsten Darcy aus allem heraushalten können, auch wenn viele hier ihre eigenen Schlüsse ziehen werden. 

„Irgendwie das Vulkanunglück überlebt, Mörder von zwei Menschen und konfrontiert nun den reichsten Firmenchef Wales mit Betrug - da fragt man sich, was er sich noch alles erlaubt. Der verstorben geglaubte James Relish steht urplötzlich vor den Toren von Edevan Industries in Pembroke und bezichtigt Jeremy Drehlan des Betruges." Was er sich noch alles erlaubt. Mehr als vielen hier lieb ist, denke ich. 

Plötzlich stutzte ich. Vulkanunglück? Man sollte lieber nichts schreiben, über das man nicht ausreichend informiert ist. Und ein Unglück war es in keinem Fall. 

Aber ja, ich fragte mich wirklich, wie alles so weit kommen konnte. Pembroke brachte mir vermutlich Unglück, oder besser gesagt, ich brachte es ihm. Doch war es wirklich Mord? Wollte ich beide wirklich töten, als ich ankam? ich weiß es nicht. Ob Unfall oder nicht, mir glaubt sowieso niemand. 

Das einzige, außer dem Schreiben von Briefen, was ich tat, war die Zeitung vor Edevans Zimmer fortzunehmen. Edevan sollte es nicht auffallen. Das gesamte Drama rund um mich reichte schon. 

Nun, Elisabeth, da ich sonst niemanden habe, mit dem ich reden kann, unterhalten wir uns eben, meine Liebe. Ich für meinen Teil habe nicht sonderlich viele Ideen, was ich noch tun könnte und die wenigen, welche ich habe, gefallen mir nicht im Mindesten. 

Meine erste Idee wäre heulend davonzulaufen. Nach Newcastle gehen. Die Decke über den Kopf ziehen und sieben Tage lang mein Haus nicht verlassen, bis ich sicher bin, dass der Skandal es nicht in den Norden Englands geschafft hat. 

Leider keine Option, weggelaufen bin ich oft genug. Es musste Schluss damit sein, egal wie sehr ich es mir noch wünschte. 

Meine nächste Idee wäre eigentlich, mich an den Galgen hängen zu lassen. Aufgeben. Endlich. Ist es denn eine Option? Vermutlich nicht, wenn es nach dir ginge. Aber sobald ich gefasst bin, ob von den wütenden Menschen hier oder von der Polizei, ein Ende bedeutet es dennoch für mich. 

Mein dritter Plan wäre Abwarten und Tee trinken. Typisch Englisch. Aber in Wales kommt mir meine Angewohnheit mit dem Tee trinken etwas seltsam vor. Trotz allem ist es der beste Plan, welchen ich momentan habe. Ansonsten sind meine Ideen etwas begrenzt. 

Falls du eine Idee hast, lass es mich wissen. 

In Liebe

Dein

James"

James faltete den Brief zusammen und legte ihn in die kleine Schachtel. Er strich über die etwas verblassten Goldverzierungen und drehte sich wieder zum Fenster hin um hinauszusehen. Es klopfte energisch. Wer würde vor der Tür stehen? 

Manchmal hofft man auf das Ende und doch kann es auch beängstigend sein---

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