sechsundzwanzigster Brief I Veränderungen

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"Liebe Elisabeth, 

ich würde dir gerne von Luise erzählen, doch vielleicht überlasse ich es Darcy. Tatsächlich hat er die Zeit nach der Teatime mit meiner Nichte damit genutzt, in sein Tagebuch zu schreiben. Lächerlich wie es oft ist, werden dir seine Einträge vermutlich viel Spaß bereiten. 

"Mit einem Lächeln stand ich im Türrahmen. Vielleicht ist es sentimental von mir, jedoch bin ich überaus erfreut darüber, dass sich James so gut mit Luise versteht. Es ist wunderbar, dass er endlich jemanden gefunden zu haben scheint, welcher ihn zum Lachen bringen kann. Das Mädchen wirkt auf mich wirklich sympathisch und intelligent, auch wenn ihre Überschwänglichkeit mich oft überfordert und auf unangenehme Weise an Dorothee erinnert. Dennoch schätze ich sie als liebenswürdigen Menschen ein, weil eben jeder seine eigenen Angewohnheiten hat und diese für sich nichts Schlechtes bedeuten müssen. 

Unangenehm? Luise? Dorothee? Ich hoffe für ihn, er scherzt ... Luise ist wie du, und du warst immer die beste Person der Welt. Ich weiß nicht, wie ihm solche Gedanken auch nur einfallen können. Und seine Wortwahl ist einfach nur abstrus. 

Es ist ruhig hier, ausgenommen von Luise, meine ich. Doch wie lange wird es so bleiben? So wie ich James kenne, nicht besonders lange. Sein Blick, wenn er stundenlang vor dem Fenster sitzt, ist schlichtweg erschreckend. Er bewegt dabei nur seine Augen und trotzdem scheint er nichts zu bemerken und durch alles hindurchzusehen. Einfach nur schaurig. 

Ich und schaurig? Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal schaurig war. Er scheint sich eine Gehirnerschütterung zugezogen zu haben, anders kann ich mir seine ewigen Verwechslungen nicht erklären. Unser lieber Shakespeare hat wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank. 

In letzter Zeit habe ich ihn so viel reden gehört wie noch nie; Luise scheint wohl seiner verstorbenen Ehefrau sehr ähnlich gewesen sein. Ich weiß zwar nicht, wie man solch eine anstrengende Person aushält, doch es ist schließlich sein Leben. Und ich habe nicht das Recht, mich darin einzumischen. 

Anstrengende Person? So beleidigt er dich, liebste Elisabeth! Ich kann es nicht fassen! Irgendwann werde ich mich wohl ausreichend bei ihm beschweren müssen. Du bist immerhin schon fast ein Weltwunder. Nein, du bist ein Weltwunder! Eine bessere Person wird man niemals finden können. Es gibt nicht einmal genügend Worte, um dich angemessen zu beschreiben. 

Er redet und redet fast ununterbrochen über sie. Und wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, Elisabeth sei eine Heilige, so wie er sie anhimmelt. 

Dass du einer Heiligen ähnelst, damit hat er allerdings recht. Wenigstens etwas. 

Es ist leider so, dass ich gerade schon wieder in meinen Gedanken hängengeblieben bin. Leider wohl nicht nur in meinen Gedanken, dass passiert mir aber häufiger. Nun schrubbe ich wohl den Boden; Tee färbt zu meinem Glück nicht ab. James Kritik wird langsam unaushaltbar. Dabei sollte er sich freuen, dass endlich wieder gute Zeiten angebrochen sind. Aber so ist das Leben, ich verstehe es sicherlich nie. 

Das Leben kann manchmal unverständlich sein, doch wenn es das nicht wäre, wäre das Leben zu einfach und Einfaches ist bekanntlich nie real---" 

Welch ein Unsinn, Darcy. Welch ein Unsinn. Mehr kann ich darüber nicht sagen, doch 'Unsinn' beschreibt es perfekt. 

Jetzt muss ich aufhören.

In Liebe

Dein dich verehrender

James"

James legte das kleine Büchlein zur Seite und faltete fein säuberlich seinen Brief, nicht ahnend, dass die Ruhe bald vollkommen zerstört werden würde. Eine Zeitung lag auf der Steintreppe vor dem Haus, auf dessen erster Seite das Bild von einem Mann prangte, welchen James  schon vergessen hatte, dieser ihn jedoch längst nicht. 

 

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