vierzehnter Brief I Zuhause

66 35 25
                                    

"Liebe Elisabeth,

es ist kurz vor elf, ich sitze nun in meinem Lateinkurs des dritten Lernjahres. Wie Schüler so furchtbar langsam das Deklinieren lernen, ist mir wirklich ein Wunder, wo es doch so einfach ist. Aber wenn sie es überhaupt lernen, ist es schon seine Bemühungen wert. 

Elisabeth, es ist wirklich sehr langweilig hier. Neuerdings verbringe ich viele Nachmittage in der Bibliothek, Fred hat mir schon einige vernünftige Bücher gezeigt. Misses Dysentery hingegen hat einen wirklich seltsamen Geschmack, mit dem ich nicht übereinstimmen kann. So seltsame Liebesgeschichten von Leuten, welche sich nicht entscheiden können, kann man wirklich nicht lesen. 

Fred Johns ist an sich ein sehr höflicher und freundlicher Mensch, solange man ihn zu einem großen Teil in Ruhe lässt. Er ist ein Wissenschaftler durch und durch, doch dabei verliert er nie den Zusammenhang zur Realität. Man kann ihn sogar mögen, auch wenn seine Verschlossenheit für so manchen Kollegen nicht sonderlich vorteilhaft wirkt. Er hütet so manch ein Geheimnis, doch nach meinen scheint er nie zu fragen. Ich wiederum frage auch niemals nach. 

Allgemein ist das Kollegium hier um einiges netter als mein altes, auch wenn manche noch sehr eingebildet sind. Unser Direktor ist ein eher schlicht gestrickter Mensch, was allen gut tut. Man hat sich an seine Regeln zu halten, aber so wie damals mit dem ewigen Verbeugen vor dem Direktor gibt es hier zum Glück nicht. Auch schimpft er recht wenig und Strafen gibt es für Professoren außer Ausschluss keine. Stell dir vor, es wird nicht einmal Unterwürfigkeit verlangt und man kann mit allen Professoren, ob arm oder reich, auf einer Augenhöhe reden. Es ist fast wie neue Welt, welche doch der alten ähnelt. 

Unser Lateinkurs ist im dritten Stockwerk, ziemlich hoch für eine derart kleine Universität. Das Gebäude ist sehr alt und aus Stein, und in einem schrecklichen Grauton gestrichen. Es gibt hier kleine Türmchen, Zinnen und kleine Fenster. Im Grunde genommen ist alles klein, aber gemütlich. Man kann sich nach einiger Zeit damit abfinden, auch wenn diese Universität durchaus größer als die ist, an welcher ich früher arbeitete. Sehr viele Räume gibt es hier nicht, aber das ist bei dieser kleinen Universität auch nicht nötig. Das Gebäude ist auf jeden Fall noch aus dem vergangenen Jahrhundert, was man auch von der Intelligenz mancher Studenten behaupten könnte. 

In meinem Kurs sind im Moment siebzehn Studenten, die Hälfte ihres Jahrgangs an der Universität Newcastle. Es gibt hier fast nur Jungen, viele von ihnen aus gebildeteren und reicheren Familien, was sollte ich auch anderes erwarten. In meinen anderen Kursen gibt es auch nicht viele sehr gute Studenten, selbst wenn sie einen der besten Lehrer der Universität haben. 

Ophelia, ich weiß wirklich nicht wie ihre Eltern sie so nennen konnte, studiert aber nun auch neben ihrer Ausbildung zur Bibliothekarin. Und das, obwohl die Bibliothek hier mit Sicherheit spätestens in den nächsten fünf Jahren schließen wird. Außerdem gehört sie zu den besten Studenten hier, wenigstens irgendjemand. Ein Mädchen, ich weiß. Du warst damals das einzige Mädchen an der Universität, erinnerst du dich noch? Sie gehört zu den Dreien, welche das Glück hatten, zugelassen zu werden, auch wenn es sehr viele wirklich kluge Anwärterinnen gab. Aber Universitäten sind eben für Jungen gemacht worden, so schade es auch um das Talent mancher jungen Damen ist. 

Es ist wirklich etwas seltsam hier, aber ich glaube, ich habe mich richtig eingelebt, nur noch du fehlst mir hier. Newcastle ist ein Ort für sich, gewöhnungsbedürftig sicherlich, manchmal nervig, aber ein Ort, an welchem man blendend zur Ruhe kommen kann. Ein Ort, wie unser kleines Dorf. Ein Ort, wie unser Zuhause ... Wie gerne wärst du hier gewesen, aber du kannst nicht, leider. Nun, ich will dich nicht mit meinen langen Reden nerven, außerdem habe ich jetzt einige Arbeiten zu korrigieren,

Auf Wiedersehen 

Dein 

Dich vermissender 

James" 

James legte Tinte und Papier nieder. Seit so vielen Monaten breitete sich in ihm ein Gefühl aus, welches ihm schon fast unbekannt vorkam. Hoffnung. Er hoffte, dass alles einfach so bleiben würde. Er hoffte, dass alles wieder zur Ruhe zurückkehren würde. Er hoffte, dass er diesen Ort nie wieder verlassen müsste. Doch würden seine Hoffnungen wahr werden? Würde das Gefühl von Hoffnung, welches im so lange Zeit fehlte, noch eine Chance in der tristen Einöde seiner verschütteten Herzens haben? 

 Doch würden seine Hoffnungen wahr werden? Würde das Gefühl von Hoffnung, welches im so lange Zeit fehlte, noch eine Chance in der tristen Einöde seiner verschütteten Herzens haben? 

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.
Remember and forgetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt