Remember and forget

siebenunddreißigster Brief I Zurück in Pembroke

Liebe Elisabeth,

Pembroke ist wirklich eiskalt im Winter.

Es tut mir leid, dass ich erst so spät schreibe, aber diese sinnlosen Briefe lasse ich lieber. Wenn es nichts zu sagen gibt, dann wurde schon alles gesagt.

Mir war zuerst nicht wirklich bewusst, dass ich hierher wollte, doch etwas zog mich hierhin. Lange schon spielte ich mit diesem Gedanken, doch... Immer schien etwas dazwischen zu kommen. Doch nun bin ich hier. Ohne eine Idee, wieso ich mich bloß auf diesen spontanen Gedanken eingelassen habe. 

Der Schnee liegt überall. Weiß, wohin man nur blicken kann. Eigentlich bin ich sogar schon seit drei Tagen hier. Drei Tage in Pembroke, ich dachte nie, dass ich das Weihnachtsfest hier verbringen würde. Doch so ist es geschehen und vielleicht finde ich sogar einen Grund es nicht zu bereuen. 

Zu Weihnachten in der Nähe meiner alten Heimat, irgendwie wirkte es so vertraut, so wunderbar wieder hier zu sein. Wieder hier sein - mit dieser Gegend verbinde ich so viele Erinnerungen, wie mit keiner anderen. Gegen unser Zuhause wird Newcastle wohl immer Newcastle bleiben, egal wie toll es ist. 

Ich komme wieder vom Thema ab, typisch. Die Zeit ist knapp, ebenso wie das Briefpapier. Alles begann vor einer Woche, als ich die Zeitung aufschlug, auch wenn ich vorher schon daran dachte hierherzukommen. 

„Neuer Millionär von Pembroke bringt zehn Firmen in England in seinen Besitz. Was wurde wohl aus dem Darcy Edevan, welcher vorher an der Spitze des größten Konzerns Wales stand?"

Ja, das fragte ich mich zu diesem Moment auch. Was war aus ihm geworden? Es versetzte mir immer noch einen Stich in die Brust, als ich mich an unseren Streit erinnerte. All diese Zeilen, welche ich damals schrieb, nichtssagenden Worte und wage Vermutungen brachten mich fast den Tränen nahe. 

"Mister Drehlan übernimmt Edevan Industries und macht es zu einem fluorierenden Geschäft auch in England. Keiner kann seine Preise unterbieten und viele Firmen wurden in letzter Zeit übernommen. Doch was wurde aus seinem Vorgänger? 

Viele Gerüchte machen die Runde, wie auch einige Männer, welche sich für Darcy Edevan ausgeben. Es wird spekuliert, ob sich die Arbeitsverhältnisse verschlechtert haben, sodass Niedrigpreise möglich sind. Doch wieso kehrt Edevan persönlich nicht zurück und was hat es mit dem mysteriösen Schreiben auf sich, welches eine Überschreibung der Firmen bestätigte?" 

Was wurde wohl aus ihm? Wieso nahm dieser skrupellose Buchhalter seinen Platz ein? Wieso nur all diese Änderungen? Aber das sind alles Fragen, welche du nie in deinem Leben hättest beantworten können. Nein, es lag an mir, all diese Fragen mir selbst zu beantworten. 

Doch allein bei dem Gedanken, dass Darcy irgendwo bei diesem Schnee allein durch die Straßen irrte und dass alles meine Schuld war, drehte sich mir mein Magen um und einige Tränen begannen zu laufen, auch wenn ich sie mit ganzer Macht festhalten wollte. Alles war meine Schuld und daran konnte man nichts mehr ändern. Doch vielleicht konnte ich es irgendwie wieder gutmachen. Ja, das werde ich wenigstens versuchen. 

Also bin ich hier, in einem kleinen Hotel in Pembroke und sehe aus dem Fenster, während ich dir schreibe. 

Weihnachten Zuhause. Ich hätte mir wirklich Besseres wünschen können.

Viele Grüße

Dein

James Relish"

Ja, er würde alles versuchen, um seine Fehler wieder gut zu machen, auch wenn man viele von ihnen nicht mehr korrigieren konnte. Ihm war nicht annähernd bewusst, was er tun sollte. Er war nie dermaßen ratlos und doch so sicher. Denn er hatte wieder zu sich selbst gefunden. Und doch hatte er sich in der Welt verloren. 

Denn das einzige, was gefährlicher sein kann, als sich selbst zu verlieren, ist die Welt aus den Augen zu verlieren---