sechsundvierzigster Brief I In Liebe, Elisabeth

20 12 12
                                    

"Liebste Elisabeth, 

du bist ein so wundervoller Mensch. Manchmal frage ich mich, weshalb du ausgerechnet mich heiraten wolltest. Jeder, der dich nicht als Prinzessin angesehen hat, kann sich nur im ganzen Leben irren. 

Viel Zeit habe ich nicht, aber ich wollte dir diese Worte noch zukommen lassen. 

In ewiger Liebe und Verbundenheit

Dein 

James" 

James wischte sich die Tränen aus den Augen und legte den Brief neben die Schachtel. Vor erst wenigen Minuten schien kein weiterer Brief hineinzupassen, doch schien von außen Platz dafür zu sein. 

Wie schon zuvor befühlte er den Boden der Schatulle und klappte ihn hoch, sodass sowohl ein Brief als auch ein zweiter Boden zutage traten. Vorsichtig nahm er den Brief in die Höhe und drückte ihn an sein Herz. 

Schmerz durchfloss ihn, doch auch Erleichterung machte sich breit. Er hatte dieses Geheimnis jahrelang nicht entdecken können, doch nun fühlte es sich an, als wäre Elisabeth zurückgekehrt. Genau dann, wann er sie am dringendsten brauchte. Wie doch auf sie Verlass ist, dachte er sich. 

Nun riss er mit ein wenig Kraft den doppelten Boden heraus, sodass er sowohl seine Briefe, als auch den neu entdeckten hineinlegen konnte. Er rügte sich in Gedanken selbst dafür, niemals auf die Idee eines Geheimversteckes gekommen zu sein. Doch weshalb sollte ihm seine liebste Elisabeth auch solch eine mysteriöse Schachtel schenken? Niemals vorher hätte er sich so etwas gefragt. 

Voller grundlos aufkommender Wut warf er das Holz ins Feuer. Nachdenklich sah er zu, wie es nach und nach in Flammen aufging und unter Asche verschüttet wurde. Wie damals meine Elisabeth, dachte er sich. Wie auch sein eigenes Herz. 

Zum zweiten Mal klappte er den Brief auf, dessen Wortlaut er noch nicht fassen konnte. 

"Mein allerliebster James, 

wie du weißt, bin ich nicht sonderlich gut in Briefen. Nicht so wie du. Erinnerst du dich noch an die Zeiten, in welchen du mir fortwährend Briefe geschrieben hast, ohne meine Antwort abzuwarten? An all meine plumpen Antworten, welche ich nur mit Mühe überhaupt hinbekam. Ich kann zwar ellenlange Texte schreiben, doch meine Emotionen in ihnen widerspiegeln zu lassen, ist schwer. 

 Dieser Brief ist kurz, schließlich blieb in dem kleinen Fach nicht viel Platz. Und wenn du ihn liest, bin ich vermutlich tot, da dann mindestens vierzig ungeöffnete Briefe ihren Platz in dieser Schachtel finden mussten. Ich werde sie wohl nicht mehr jeden Abend herausnehmen können und sie lesen, und dir meine gewohnt kurze Antwort mit immer demselben Wortlaut schreiben können. Doch dieser gilt immer noch. Ich liebe dich, James. Für immer und ewig wir beide. 

Ich weiß nicht, was mit mir geschehen wird, noch weiß ich wann. Doch ich weiß, dass auch das uns beide nicht trennen kann. Nichts wird uns jemals trennen. Egal, ob du diesen Brief überhaupt jemals lesen wirst oder nicht. 

Gibt dir keine Schuld für alles - ich weiß, du wirst es dennoch tun. Doch es war meine Entscheidung, auf das Leben als Lady zu verzichten und lieber an deiner Seite ins Ungewisse zu rennen. Und es war die beste Entscheidung, welche ich jemals getroffen habe. Denn ein Leben als Lady Ferchjon hätte mir nicht das bieten können, was du mir bieten konntest - Liebe. 

Es waren wundervolle Jahre, welche wir zusammen verbracht hatten. Und wie im Ehegelübde " in guten wie in schlechten Zeiten" haben wir sie füreinander verbracht, nicht für den Rest der Welt, welcher uns trennen wollte und nicht für Geld, welches mir nie etwas bedeutet hat. Auch wenn all diese Jahre nicht perfekt sein konnten. 

Ich weiß, dass sich etwas in dir ändern wird, sobald ich tot bin. Doch der Platz in deinem Herzen, welchen du jetzt als leer empfindest, ist nicht leer sondern gefüllt mit meiner Liebe, auch wenn ich sie dir nie wieder beweisen kann. Es gibt kein Zurück zu alten Zeiten und auch nichts, was wir noch ändern können und ich für meinen Teil würde es auch nicht tun. Du bist nicht einsam, nur vielleicht ein wenig verloren, weil wir uns nicht sehen können. Doch ich bin da und werde niemals fortgehen. 

In ewiger Liebe 

Deine 

Elisabeth Relish" 

James faltete den Brief wieder zusammen und drückte ihn an sein Herz. "Meine Elisabeth", murmelte er vor sich hin, "Für immer und ewig wir beide." 

Denn wahre Liebe kann auch durch den Tod nicht getrennt werden--- 

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