Remember and forget

zweiunddreißigster Brief I Vergangenheit

"Liebe Elisabeth,

Es tut mir leid, dass ich lange nicht geschrieben habe. Besser gesagt, dass ich ein halbes Jahr nicht mehr geschrieben habe, denn nun ist es Winter. 

Zweieinhalb Jahre... so lange habe ich dich nicht mehr gesehen. So oft denke ich daran, wie gerne ich dich doch wiedersehen würde. 

Layla ist wieder weggefahren um zu studieren. Dieses junge Mädchen wird es eines Tages noch sehr weit bringen, denke ich mir. Sie ist dir so ähnlich, abgesehen davon, dass sie dein Vermögen erhält. Aber Geld war dir nie etwas wert. 

Darcy verkriecht sich in seinem Loch. Nirgends scheint es für ihn einen Hoffnungsschimmer zu geben und sein Tagebuch besteht aus so düsteren Gedanken, dass ich diese dir nicht einmal schreiben möchte. Tragik liegt in des Menschen Natur, von wem dieses Sprichwort stammt, weiß ich nicht. Ich würde aber sagen, es ist seines. 

David, ich meine Mister Danham, arbeitet nur und ich habe nichts zu tun. Es ist ein ruhiges Leben in Winchester. Keine Verbrecher, keine Morde. Ziemlich langweilig. Es ist nicht unser Zuhause und es ist nicht Newcastle. Es ist ein Ort, welcher nur Traurigkeit mit sich bringt. 

Also fange ich lieber mit den Geschichten von meinen alten Bekannten an. Mrs Dysentery ist bei bestem Befinden und überglücklich, da Familie Smith aus dem Ort weggezogen ist und Familie Jones noch ein Mädchen bekommen hat. Außerdem ist noch ein Mädchen dort in den Ort gezogen, welches sich als neue Bibliothekarin anstellen lassen will, weil Dorothee in den Ruhestand tritt. 

Aus Pembroke bekomme ich nichts zu hören. Ich vergaß, hier gibt es auch eine tolle Neuigkeit; Mrs Kiddart hat von Mrs Ferndall die Hälfte des Vermögens als Entschädigung für die Geschehnisse bekommen. Viel habe ich nicht zu erzählen, aber mein nächster Brief wird hoffentlich länger. 

Weißt du, so oft folgen die Worte förmlich aus meiner Feder, doch nun? Meine Gedanken sind im Nichts verloren oder bei dir. Wobei eins so schmerzhaft ist wie das andere. Alles ist egal, ich will nur bei dir sein! Liebst du mich nicht mehr oder wieso holst du mich nicht zurück? 

Meine einzige Erfüllung war bis jetzt die Arbeit. Ich liebe es einfach Wissen zu verbreiten. Selbst wenn ich kein großer Philosoph oder Dichter bin, aber Latein ist meine Stärke. Nur wolltest du es nie lernen, so wie deine Familie es wollte. Sturheit, nehme ich mal an, daran konnte auch ich nichts ändern. 

Erinnerst du dich an damals? Du kamst gerade zu Besucht nach Pembroke, als wir uns begegneten. Du hast dich strikt geweigert, zu der großen Versammlung im Schloss zu gehen. Bis du dann, in deinem rosafarbenen Kleid mit Massen von Spitze, einfach durch den Schlamm über die Wiesen marschiert bist. Aus Angst, sie könnten ihre eigenen Kleider verschmutzen, kamen sie auch nicht dazu, dich zurückzuholen. 

Und du bist einfach immer weiter gelaufen und hast deine Familie ignoriert. Eine Dame, welche quer durchs Feld läuft - das kam nicht häufig vor. Doch genau das liebe ich an dir. Immer machst du das, was niemand erwartet. Ob du nun gerade quer durchs Feld auf ein Dorf zuläufst, nur im dich nicht kommandieren zu lassen, oder ob du einen Aufstand an der Universität machst - du bist wunderbar. 

Nun vielen mir also doch mehr Worte als geplant ein, doch sind sie nichts wert. Du bist und bleibst einfach in meinem Herzen - egal was andere auch sagen mögen. 

Auf Wiedersehen,

Dein 

James"

Leise legte er den Brief beiseite und hob das kleine blaue Büchlein aufs Knie. Wieder tauchte er in eine Welt ein, die er nicht sein Eigen nennen konnte. Las Zeilen durch, die er niemals schreiben würde. Und versank immer tiefer in dem Strudel auf Hilflosigkeit, Egoismus und Verzweiflung. 

Kein Weg führt ans Ziel, wenn der Läufer durch zum Start zurückblickt---