Alles hat einen Anfang, sogar das Ende---
Als Elisabeth, James' Frau, durch einen Vulkanausbruch stirbt, ist er am Boden zerstört. Doch schon kurz danach erfährt er, dass Lord Fernsby von der drohenden Gefahr Bescheid wusste. Es kommt zum Streit und...
ich hasse London. Es ist ungemütlich und anstrengend hier. Diese Zelle ist um einiges kleiner als mein altes Zimmerchen, letzte Nacht mussten wir einfach durcharbeiten und durften nicht eine Sekunde Pause machen, sogar als eine Fabrikarbeiterin kollabierte.
Mittlerweile frage ich mich nicht mehr, wie viele unzufriedene Arbeiter es hier gibt, sondern wie viele Tote im Jahr, bei diesen menschenunwürdigen Umständen. Mein Kollege wurde gefeuert, nur, weil er sich erlaubt hat, sich während der Arbeitszeit kurz zu strecken. Doch derjenige, welcher ihn beim Chef verraten hat, bekam ebenfalls, statt der erhofften Belohnung, eine Kündigung, dafür dass er so wenig beschäftigt war, um es mitzubekommen. Und sein Nachbar, weil er es nicht mitbekommen hat. Es ist egal, ob man etwas tut oder nicht, Rymer hasst alle Arbeiter und hält sich für etwas Besseres. Er ist eine sehr unsympathische Person. Ich weiß wirklich nicht, wie lange ich das hier aushalte. Die Zimmer sind zwar gemütlich, aber diese unausstehliche Person raubt mir noch den letzten Nerv. Ich muss mich aber wohl damit abfinden. Hier muss man sich mit allem abfinden, ob man will oder nicht. Irgendwie mag ich England nicht so sehr wie unser kleines Wales, selbst wenn meine Familie von hier kommt.
Materialien in Tabellen mit all ihren Eigenschaften einzufügen, ist einfach keine erfüllende Arbeit. Und wen interessierte es, bis welche Gradzahl ein vollkommen unbekanntes Material hitzebeständig war? Was war nun interessant daran, welche Ordnungszahl ein Material im Periodensystem hatte, welches sowieso nicht für den gewünschten Gegenstand zu gebrauchen war? Ich hätte tausend bessere Vorschläge gehabt, aber je nach Lust und Laune von Mister Rymer musste ich stattdessen eine Tabelle mit dem jeweils gewünschten Stoff ausfüllen. Manchmal sogar mehrmals, bis das Ergebnis ihm gefiel. Er muss nicht jedenfalls nicht wundern, wenn das Besteck, an dem ich gestern arbeiten sollte, in alle Einzelteile zerfällt. Die Hälfte von dem, was ich hier ausrechne, kann er mit seinen Maschinen nicht einmal herstellen, aber es interessiert ihn nicht. Was bestellt wird, wird geliefert. Egal was, die Qualität ist dabei auch uninteressant. Irgendein Idiot in einer seiner Firmen wird es schon erledigen, so viel ist sicher.
Mir fällt auf, dass ich dir vermutlich nie wirklich geschildert habe, als was ich bei Edevan gearbeitet habe. Eigentlich hatte ich nur alles Mögliche abgetippt, damit man immer eine Kopie behalten konnte und einige Rechnungen überprüft. Kleinigkeiten, welche beinahe so langweilig waren wie hier, aber nicht annähernd so zeitaufreibend. Nicht einmal Edevan hatte so viel hergestellt wie Rymer, auch wenn das Sortiment auffallend groß war. Von Geschirr, über Kleidung, bis hin zu Möbeln. Doch noch nie war mir untergekommen, dass jemand solch außergewöhnliche Wünsche wie hier gebilligt hatte.
Warst du jemals hier? Vermutlich nicht, Damen aus einer Adelsfamilie sollten sich besser in ihrem Land auskennen, anstatt in irgendwelche seltsamen Städte zu besichtigen, welche noch dazu weder Anstand noch Benehmen kennen. Wales ist wirklich um einiges besser als England, auch wenn ein Teil meiner Familie von hier kommt, jedenfalls, bevor die Industrialisierung begann.
Erinnerst du dich noch an unser kleines hübsches Dörfchen? Fast nur nette Menschen und keine solche Qual wie hier. Wenig Oberflächlichkeit und wenig Bosheit. Ja, es war sehr schön in Wales gewesen, seltsam, dass es mir erst jetzt so klar wird. Denkst du, dass es irgendwo ein besseres Dorf gibt? Sicherlich nicht, es war doch perfekt gewesen. Alle Menschen, welche einen herzlichen empfangen haben und sich für jede Kleinigkeit freuten, ob es nun ein Blumenstrauß vom Wegesrand oder ein tolles Geschenk war. Die Menschen, welche einen herzlich als Gast empfangen haben, ob nach einer guten Ernte oder zur magersten Zeit. Für sie war ich noch reich, mit meinem schlechten Einkommen als Professor an der kleinen Universität, welche ihre Gelder meistens bei sich behielt. Und auch wenn die Kinder damals so gemein gewesen waren, sie waren alle zu netten Leuten aufgewachsen, wenn sie denn überhaupt ihre Kindheit überlebten. Es waren sicher nur die Zeit gewesen, ich der ich aufgewachsen bin, die manche Jahre so grausam wirken ließen. Aus heutiger Sicht war es schlichtweg perfekt gewesen.
Erinnerst du dich noch, wie sehr du dich gefreut hast, unser neues Haus zu sehen? Deine Augen leuchteten und du hast mich damals freudestrahlend umarmt, auch wenn es sicherlich das hässlichste Haus war, das du jemals gesehen hast. Dein Herz war zu jedem Zeitpunkt von Fröhlichkeit erfüllt, selbst wenn du es nicht immer nach außen zeigen konntest.
Ja, damals ... Manchmal wünsche ich mir, wir würden einfach in diese Zeit zurückkehren. Alles wäre noch in Ordnung, und wenn ich die Chance hätte, etwas zu ändern, dann hätte ich dich damals mit auf die Arbeit genommen, während des Vulkanausbruches. Nur zehn Minuten vielleicht und alles wäre anders gekommen ... Doch es ist unmöglich.
Es ist abscheulich hier! Ich weiß nicht, was mich an dieses Leben hier bindet. Vielleicht wird es bald ein Ende haben.
Dir noch einen guten Abend Elisabeth. Ich vermisse dich sehr, und begreife erst jetzt, wie schrecklich es ohne dich ist.
Viele liebe Grüße
Auf immer und ewig
Dein
James"
James legte seinen Brief zur Seite und seine Gesichtszüge verhärteten sich. Ja, er wusste nicht, wie er das noch länger aushalten sollte, momentan kam es ihm unmöglich vor. So viel hatte er sich erhofft, doch er schien im Nichts zu landen. Er schien in eine dunkle Welt abzustürzen, welche keinen Platz für ihn hatte. Der Wunsch, Elisabeth wiedersehen zu können, wurde immer größer. Würde sich sein Wunsch jemals erfüllen? Und was würde er dafür bereit sein zu geben?
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