"Liebe Elisabeth,
ich sitze jetzt im Zug nach London. Warst du jemals in London? Ich jedenfalls nicht. Ich war niemals außerhalb von Wales, und demnach nie in England oder gar hier.
Momentan habe ich viel Zeit, ich werde über vierzehn Stunden mit dem Zug fahren und die Zeit werde ich für die geschehen Ereignisse sicherlich brauchen. Ich beginne am besten da, wo ich aufgehört habe. Ich war nur wenige Minuten im Zimmer sitzengeblieben, als ich mich schon auf den Weg nach draußen gemacht habe. Die Gänge kannte ich mit der Zeit wirklich gut und der Weg, den ich gefunden hatte, dauerte nur wenige Minuten, anstatt der ursprünglichen halben Stunde.
Ich war einfach viel zu aufgewühlt. Überall dieses Blut, die Schreie. Ich weiß, ich hätte helfen sollen, doch ich konnte nicht. Wie aus der Ferne gesteuert lenkten mich meine Schritte von dem Nebengebäude fort. So lief einfach herum und kam durch Zufall genau an die Stelle an der der Mann mit dem gelben Mantel gestanden hatte. Dass dieser Verrückte auf demselben Grund und Boden gestanden hatte wie ich in dem Moment, war unglaublich. Ich konnte immer noch nicht fassen, wie ein Mensch solch eine Gräueltat begehen kann. Einfach Menschen töten, die nichts getan hatten! Wofür? Für nichts!
Plötzlich erblickte ich einen gelben Mantel auf der Straße. Der Mann darin drehte sich kurz um, um mit einem hämischen Grinsen das heruntergestürzte Gebäude zu betrachten. Es war er. Der Mann im gelben Mantel. Er durfte damit nicht davonkommen! Fernsby durfte damit nicht davonkommen! Mit entschlossenem Gesichtsausdruck und fliegendem Mantel lief ich immer schneller durch die Straßen hinter ihm her. Meine Schuhe hämmerten schwer auf dem Boden und ich war nicht zu übersehen in diesem Städtchen. Doch es war mir egal. Ich wollte nur wissen, wieso. Wieso hatte er nur das alles getan?
Er hätte nicht zurückkommen dürfen. Das Leid der Menschen beobachten und dabei nur an sich denken. Er hätte für immer verschwinden sollen. Aber sie waren doch alle dieselben! Gemeine reiche Menschen, welche nur sich kannten! Er und Fernsby. Mörder. Wie sehr hasste ich sie doch.
Ich wusste nicht, wer mich alles auf dem Weg gesehen haben könnte, aber es war mir egal. Ich wollte einfach nur herausfinden, wieso. Ich musste es herausfinden. Wie konnte er nur so etwas tun? Einfach so viele Menschen töten und wofür? Ich kenne keinen einzigen Grund, und ich habe mir damals hunderte überlegt, welche es rechtfertigen würden. Der Mensch, welcher die Tat begangen hat, musste ein Monster sein. Der Mann im gelben Mantel musste dieses Monster sein. Lord Fernsby war dieses Monster gewesen. Wie konnten diese Wesen, denn ihnen steht kein weiterer Begriff zu, nur existieren? Wie?
Nach wenigen Minuten verschwand er und ich blieb irritiert vor einem Reihenhaus stehen. Wohin war er bloß verschwunden? Dann erkannte ich einen gelben Mantel durch das Fenster. Einen kurzen Moment lang sah ich sogar sein Gesicht, das eiskalte Grinsen wie schon zuvor. Fernsby bereute es nicht. Er bereute nichts. Er hatte dich getötet, ohne es auch nur zu bereuen. Und dieser Mann war wie er.
Mein Blick fiel auf das Namensschild des Hauses. L. Clooney. Der Mann im gelben Mantel. Der Mörder. Ich trat näher heran und legte meine Hand auf der Klinke ab. Einen Moment lang zögerte ich, aus Angst, dass ich mich nicht unter Kontrolle haben könnte, doch dann stieß ich die Tür auf. Und dort stand er. Der Mann im gelben Mantel. Der Mann mit der Kugel. Das Monster.
"Mister Clooney?", fragte ich dennoch deutlich. In diesem Moment war ich zwar wütend, aber trotz meiner Wut halbwegs gefasst und vielleicht noch in Lage gewesen, bei einer vernünftigen Entschuldigung, alles beim Galgen zu belassen, welcher ihn auf jeden Fall erwartete.
"Was haben Sie hier zu suchen? Verschwinden Sie aus meinem Haus! Los!", schrie er. Es war, als würde er einen Versicherungsvertreter verscheuchen, nicht, als hätte er gerade dutzende Menschen getötet und wäre geflohen. Doch ich würde nicht verschwinden. Er durfte es einfach nicht als selbstverständlich ansehen, einfach andere zu töten. Er musste verstehen, was er für ein Monster war. Diese Ähnlichkeit mit Fernsby, einfach verblüffend, er war genauso.
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Remember and forget
Misteri / ThrillerAlles hat einen Anfang, sogar das Ende--- Als Elisabeth, James' Frau, durch einen Vulkanausbruch stirbt, ist er am Boden zerstört. Doch schon kurz danach erfährt er, dass Lord Fernsby von der drohenden Gefahr Bescheid wusste. Es kommt zum Streit und...