Donnerstag, 15. August

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Über ein halbes Jahr schrieb ich nicht mehr. Meine letzte Sommerferienwoche war angebrochen. Aria und den anderen erzählte ich von meinen Plänen am letzten Schultag der fünften Klasse. Seitdem hatte ich nichts von ihnen gehört und es störte mich weniger, als es sollte. Wenn all dies wahr sein sollte, wollte ich einen Neuanfang. Heute sollte eine der wenigen deutschsprachigen Hexen hier ankommen, um die nötigen Schulsachen mit mir zu besorgen (Gott ich hörte mich so verrückt an). In diesem Moment klingelte es an der Tür, ich ging hinunter, um sie zu öffnen. „Cassiopeia Sanders?", „yeah, that's me", war alles, was ich noch auf Englisch hinbekam. Sie lächelte mich freundlich an. „Können wir aufbrechen?", fragte sie mich in einem gebrochenen Deutsch. Sie war eindeutig jünger als McGonagall, die ich an meinem 11. Geburtstag zum ersten Mal traf. Meine Schwester trat hinter mich. Sie umarmte mich zum Abschied und drückte mir Geld in die Hand. „Von Mum und Dad", sie waren auf der Arbeit, „und sei vorsichtig". Für meine Schwester war dies alles ebenfalls unvorstellbar, aber langsam versuchten wir uns einigermaßen daran zu gewöhnen. „I am ready. We can go", ich lernte im letzten halben Jahr so viel Englisch ich konnte, aber wirklich besser geworden, war ich kaum.

„Gibt es nur eine Zauberschule?", fragte ich neugierig. Leicht begann die junge Frau ihren Kopf zu schütteln. „Nein", ich wusste nicht genau, wohin wir liefen, aber es war definitiv hinaus aus meiner Heimatsstadt, an einen Ort, wo es mehr Grün als Menschen gab. „Es gibt eine in Norwegen, Amerika, Brasilien, Russland, Japan, Uganda oh und natürlich Frankreich", wahrscheinlich war diese Frau noch nie in dieser Stadt, jedoch wusste sie genau, wo sie hinlief. „Frankreich?", fragte ich mich laut und erregte ihre Aufmerksamkeit. „Wäre das nicht viel näher dran?", „schon, aber neben dem Faktor, dass du bereits Englisch lernst, hat sich dein Schulleiter sehr eingesetzt, dass du nach Hogwarts kommst", sie wendete wieder ihren Blick ab, als könnte sie mir nur die halbe Wahrheit sagen. „Weiß der Schulleiter von Hogwarts mehr über meine Vergangenheit?", ich hatte endlich Hoffnung, ein wenig über mich in Erfahrung zu bringen. „Es gibt kaum etwas, was Dumbledore nicht weiß, aber mir wurde auch nichts Genaues gesagt. Wir sind angekommen", wir befanden uns in Mitten eines riesigen Feldes, welches ich noch nie zuvor gesehen hatte.

Trotz meiner Kontaktlinsen konnte ich den dunklen Gegenstand im Grünen nicht ausmachen. Als wir näher kamen sah es immer mehr wie eine Haarbürste aus. Ich schmunzelte in mich hinein. Wir liefen direkt auf die Haarbürste zu. „So etwas wird als Teleportschlüssel bezeichnet. Es ist ein geplantes Transportmittel, welches uns zu einer bestimmten Zeit überall hinbringen kann. Du bekommst deine Schulsachen aus London und dort werden nun hingehen", sie blickte auf ihre Armbanduhr. „London?!", in diesem Moment drückte sie den hölzernen Gegenstand in meine Hände. Ich wurde schmerzhaft in die Luft gezogen, drehte mich einige Male um mich selbst. Meine Augen konnten kaum der Umgebung folgen. Ich hatte ein starkes Bedürfnis, mich zu übergeben. Als es gerade unaushaltbar wurde, spürte ich endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Wir befanden uns in einer Nebenstraße. Einige Menschen unterhielten sich in britischem Englisch. Einige Worte konnte ich aufschnappen. Zügig liefen wir die Gasse entlang und irgendwann verschwand die junge Frau in eine alte Bar, die mir ohne sie gar nicht aufgefallen wäre. Sie durchquerte sie ohne sich umzusehen, ich folgte ihr. Wir betraten den Hinterhof und standen zwischen Mauern und einigen Mülltonnen. Die junge Hexe zog etwas Längliches aus ihrem Ärmel, begann abwechseln verschiedene Steine damit anzutippen. Die Ziegel glitten an den Rand und offenbarten eine weitere Gasse voller Menschen in meinem Alter mit ihren Eltern.

„Willkommen in der Winkelgasse", flüsterte sie und steuerte auf ein riesiges Gebäude im Zentrum zu. Plötzlich fühlte ich mich in meiner Jeans und meinem Sweater unwohl, da jeder einen schwarzen Umhang trug. Das Gebäude stellte sich als eine Art Bank heraus, geleitet von Kobolden. „In dieser Welt gibt es eine Währung. Wir bezahlen mit Galleonen. Lass uns etwas Euro umtauschen". Dies taten wir. >Kobolde würden auf jeden Fall nicht zu meinen liebsten magischen Wesen zählen<, dachte ich als wir die Bank wieder verließen. „Hast du die Liste mitgenommen?", wurde ich gefragt. Sofort reichte ich sie der jungen Frau. „Ich verstehe nur kaum etwas davon", sie nickte verständlich. „Lass uns zuerst um einen Umhang kümmern. Grundausstattung für eine Hexe", das war wahrscheinlich der ironischklingenste, gleichzeitig ernstgemeinte Satz meines Lebens. Wir betraten einen Laden namens ‚Madame Malkins Anzüge für alle Angelegenheiten' wie mir übersetzt wurde. Die kleine Verkäuferin kam begeistert auf mich zu. „Hello, my dear how can I help you?", ich hätte damit rechnen sollen. „Ehm I- ehm", Gott war das peinlich. Ich verstand die Frau im mittleren Alter - Madame Malkins, wahrscheinlich - jedoch hatte ich noch nie mit Muttersprachlern geredet. Mein Gesicht wurde heiß und meine Wangen röteten sich leicht. „She needs a robe for school ", half mir die junge Hexe. „You're the German girl, no I get it", erkannte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Unsicher nickte ich. „Eigentlich gibt es kaum noch Zauberer in Deutschland und wenn gehen sie eher zur französischen Schule", erklärte sie mir. Und das war doch eigentlich immer was ich wollte, einzigartig sein.

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