Samstag, 20. Dezember

9 1 0
                                    

Das große Spiel: Slytherin gegen Gryffindor. Es war einst mein persönliches Ereignis des Jahres. Nun saß ich im Raum der Wünsche, versuchte dieses verdammte Ding zu reparieren. Draco und ich saßen seit Monaten daran, erfolglos. Ich spürte eine Berührung an meinem Handgelenk. Es war nur das Armband. Samantha schien es nie abgelegt zu haben, vielleicht hatte sie es in einem Gespräch mit ihren Freunden ausversehen berührt. Meine Haut begann zu kribbeln, es fühlte sich an, als würde sie mich berühren. Oder vielleicht war es genau das. Jemand strich über ihre zarte Haut, wie ich es einst tat. Seit Monaten hielten sich alle Menschen, dir mir wichtig waren, an die unausgesprochene Regel, mir fern zu bleiben. Meine Beine konnten mein Gewicht nicht mehr tragen, ich spürte den Boden unter meinen Knien. Ich ließ es aus, den Schrei aus dem tiefsten Inneren meiner Kehle, den ich seit Wochen zurückhalten musste. Tränen folgten, ich hatte zu lange die Kontrolle behalten. Meine Hand krallte sich in den Steinboden, suchend nach Halt. Ich konnte nicht mehr, wir würden dieses verfluchte Kabinett nicht rechtzeitig repariert bekommen, unser Todesurteil war bereits unterschrieben. „Liebe macht dich schwach", bitte, lass mich einfach in Ruhe! „Du wirst jemanden finden, wenn das alles vorbei ist", es war nicht mehr Tom, eine reale Stimme hatte die Stille zerschnitten. „Ich denke nicht, dass es jemals jemand anderen geben kann", flüsterte ich, stand auf, um nicht auch noch den letzten Teil meiner Würde zu verlieren. Wie viel hatte er gesehen?

„Es tut mir leid", ich musste mich verhört haben. Dass diese Wörter in Draco Malfoys Vokabular vorhanden waren, verwunderte mich. Er lehnte sich an einen Kleiderschrank. „Ich weiß, warum du diese Beziehung spielst. Nicht, um eine Ausrede zu haben, sondern wegen ihr", seine Augen wanderten zu dem Armband. „Ich werde jetzt nicht mir dir, über meine Exfreundin reden", ex, diese Vorsilbe löste zu viel in mir aus. „Ich hätte es nie zugegeben, aber ihr ward süß zusammen. Noch nie habe ich dich so glücklich gesehen", diese Situation bereitete mir Migräne, die Welt stand Kopf. „Als ob ich dir in den letzten Jahren überhaupt aufgefallen bin", ich verdrehte die Augen, wir sollten eigentlich weiterarbeiten. „Am Anfang nicht wirklich. Ich habe nur dich als Schlammb- als Muggelgeborene gesehen, aber du wurdest schnell Klassenbeste, nahmst mir die Anerkennung im Quidditch und hattest wahre Freunde", „ja, ‚hatte'", ich konnte das einfach nicht mehr. „Du verdienst das nicht. Ich bin in dieser düsteren Welt aufgewachsen, aber du, du hast nur versucht zu helfen", mein Hals trocknete aus, es blieb mir verweigert zu reden. „Ich muss los, Slughorns Weihnachtsparty. Sicher, dass du nicht mitkommen willst?", es schien mir falsch, etwas mit ihm vorzutäuschen und mich dann mit anderen bei öffentlichen Veranstaltungen blicken zu lassen. „Es gibt wichtigeres zu tun", er zeigte mit seinem Kopf auf das Verschwindekabinett. Ich nickte, setzte zum Gehen an. „Fürs Protokoll, du hast dies auch nicht verdient", mit diesen Worten ließ ich ihn allein.

Zum ersten Mal fiel mir auf, wie wenig ich Draco eigentlich kannte, wie wenig jeder Einzelne ihn eigentlich kannte. Ich war auf dem Weg zu meinem Zimmer, um mich für Slughorns Weihnachtsparty vorzubereiten. Der Mond hatte die Sonne längst abgelöst, der Schnee glänzte in einem kühlen Blau. Ich dachte, er wäre für dieses Leben geboren, dachte es wäre sein größter Traum dem Dunklen Lord zu dienen. Ich hatte dies nie angezweifelt. Zehn Minuten mit ihm in einem Raum und man wusste, er war kein guter Mensch. Aber vielleicht wuchs er einfach im falschen Umfeld aus, bekam die falschen Gene ab. Vielleicht war er einfach der Junge gewesen, der keine Wahl hatte.

„Weißt du wo Draco sich rumtreibt? Ich habe ihn den ganzen Tag nicht zu Gesicht bekommen", Blaise war pünktlich, wie immer. Zusammen liefen wir die wenigen Schritte zum vereinbarten Treffpunkt. „Warum sollte ich das wissen?", fürs Protokoll: ich wusste es genau, konnte Blaise jedoch nicht einfach so ins Gesicht sagen, er wäre im Raum der Wünsche um den Plan des Dunklen Lords auszuführen. Er hatte nichts damit zu tun. Ich werde alles dafür tun, dass dies so blieb. „Er ist dein Freund?", oh, Blaise. „Ja, ich weiß es trotzdem nicht", er hielt mir, wie der Gentleman, der er war, die Tür auf. Weihnachtliche Musik trat zu uns. Parkinsons schrille Stimme drang einige Meter entfernt zu mir. „Ich brauche Alkohol", Blaise hatte nicht die geringste Ahnung, was dieses Mädchen in mir auslöste. Ich konnte damit leben, dass sie mich meine gesamte Schulzeit auf Hogwarts für meinen Blutstatus fertig machte, aber nicht mit dem Faktor, dass ihre zwischenmenschlichen und schulischen Kompetenzen derart niedrig waren, während sie mich ständig dumm nannte. Mein Blut begann zu kochen, wenn ich nur an ihr abstoßendes Gesicht dachte. Ein Feuerwiskey später löste meine Gedanken von dieser Hexe.

Blaise hielt sein Versprechen an Draco. Über den gesamten Abend hinweg wich er mir kaum von meiner Seite. Es war ganz amüsierend gewesen. Dann sah ich sie. Sie war in ein Gespräch vertieft mit Luna und Ginny. Ich war so stolz, dass sie endlich Freunde gefunden hatte. „Warum habt ihr es überhaupt beendet?", Blaise ließ mich meinen Blick abwenden. „Wir hatten unterschiedliche Vorstellungen, denke ich. Außerdem stiegen mir ihre vielen Probleme irgendwann zu Kopf", Samantha kratzte sich an ihrem rechten Handgelenk, was dazu führte, dass ihr Blazer an dieser Stelle etwas hinaufrutsche und ihre Haut offenbarte. Die Musik verstummte, Blaises Stimme wirkte wie ein weit entferntes Summen, der Raum verschwamm. Niemandem war es aufgefallen, mir schon. Frische, blutige Wunden verunstalteten ihre zarte Haut. Ihr gesamter Unterarm war aufgeschlitzt. Mir wurde ein wenig schlecht. Das war alles meine Schuld. Samantha war zu unstabil gewesen, als dass ich sie auf diese Weise verlasse. Nächtelang hatte sie mir von ihren Problemen erzählte und nun wurde ich zu ihrem größten, obwohl alles, was ich wollte war, sie zu beschützen.

Blaise legte seinen Arm auf meine Schulter, brachte mich zurück zur Realität. „Lass deine Hände von mir, Squib", Draco wurde unsanft von dem Hausmeister mitten in den Raum geschoben. „Ich habe den hier im Flur gefunden, wollte wahrscheinlich die Feierlichkeiten sabotieren", Filch präsentierte stolz seine Arbeit. Dracos eisige Augen fanden meine. Fragend blickte ich ihn an, bekam keine Antwort. „Mr. Malfoy?", Professor Slughorn wollte ihn nun ebenfalls zur Rede stellen. Es hatte etwas mit unserer Aufgabe zu tun, ich konnte es einfach spüren. Draco war in letzter Zeit nicht für Späße da zu haben. „Na gut", knurrte er. „Ich wollte die Party beenden", er log, ich konnte es in seinen Augen sehen, aber es war um einiges besser, als die Wahrheit. „Ich kümmere mich um Mr. Malfoy", Professor Snape erschien aus dem Nichts, brachte Draco hinaus. „Es kann weitergehen", grinste Slughorn. „Entschuldige mich", sagte ich an Blaise gewandt, welcher verständlich nickte. Ich musste wissen, was er vorhatte.

„Wenn ihr nicht bald anfangt, diese Aufgabe ernst zu nehmen, werde ich", Snape wirkte aufgebracht, als ich die Männer aufgeholt hatte. „Nein, ich wurde für diese Aufgabe auserwählt", Draco wirkte so instabil. Warum überließ er es nicht einfach dem Lehrer? In der nächsten Sekunde fand ich mich Schulter an Schulter mit dem platinblonden Jungen an die Wand gedrängt wieder. „Ihr versteht es einfach nicht. Ich habe einen Unbrechbaren Schwur abgelegt", seine schwarzen Augen fixierten uns beide abwechselnd. Ich schluckte hart. Einen Unbrechbaren Schwur. Ich habe einmal von ihnen gelesen. Wer einen Unbrechbaren Schwur wagt zu brechen, der solle den Tod finden. Er ließ von uns ab, verschwand in der Dunkelheit des Ganges.

Die Stimmung wurde seltsam. Schweigend liefen wir zu unseren Schlafzimmern zum Vertrauensschülerabteil. „Was wolltest du auf Slughorns Party?", ich konnte kaum mit seinen langen Beinen Schritt halten. „Ist egal. Es hat nicht funktioniert", ein erneuter Rückschlag, irgendetwas hinter seinen Augen brach ein wenig. Die Zeit lief uns davon. Wir brauchten neue Ideen. „Nacht", er wandte mir den Rücken zu. „Draco", keine Ahnung, ob ich ihn jemals zuvor so genannt hatte. „Huh?", ich zog ihn in meine Arme, schmiegte mich an seine Schulter, umarmte zum ersten Mal nach einer gefühlten Ewigkeit wieder eine andere Person. Wir beiden hatten das gebraucht. „Wir finden eine Lösung", nuschelte ich. Er hatte die Umarmung unsicher erwidert, als hätte er dies noch nie zuvor gemacht. Wobei, so abwegig schien dies nicht einmal. „Bilde dir nicht ein, wir könnten Freunde sein", wir hatten uns voneinander gelöst. Seine Mundwinkel zuckten leicht nach oben. „Niemals", ich grinste ein wenig. „Gute Nacht".

my magical diaryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt