Samstag, 20. Dezember

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Samantha sollte Recht behalten. Der letzte Monat verflog wie im Flug. Neben dem Unterricht, Lernabende mit meinen Freunden und etlichen Dates mit Sam, hatte ich keinen Moment um mir dies bewusst zu machen. Insgeheim hatte ich ein wenig Angst, Frühling würde im Handumdrehen vor der Tür stehen, obwohl gerade die Vorweihnachtszeit die beste des Jahres war. Der Hogwartsexpress würde die meisten Schüler zurück nach London bringen. Sam und ich einigten uns darauf, dass wir nicht zusammen in einem Abteil sitzen würden, um noch Zeit mit unseren Freunden zu verbringen, bevor es für eine ganze Woche nur uns beide gab. „Wann macht ihr es eigentlich endlich offiziell?", Lisa riss mich aus meinen Gedanken, vier Augenpaare begannen mich plötzlich ins Visier zu nehmen. „Keine Versprechungen, aber ich wollte sie an Heilig Abend fragen", ich lehnte mich zufrieden in meinen Sitz zurück, seit Wochen hatte ich dies geplant, überdacht, schlecht davon geträumt. „Ist Weihnachten mit den Geschenken nicht viel besonderer als Heilig Abend? „, fragte Daphne verwundert. „In Deutschland gibt es an Heilig Abend die Geschenke", ich musste auflachen, vergaß manchmal den Kulturschock den meine Freunde ständig erleiden müssen. „Ein seltsames Volk", dachte Parvati laut, „nichts für ungut", grinste sie. „Ich bin selber nicht so begeistert davon. England ist bei weitem schöner, vor allem die Traditionen", aber Deutschland hatte Weihnachtsmärkte, was alles andere wieder ausglich.

„Ich werde euch vermissen", ich umarmte jeden Einzelnen, bis ich am Gleis 9¾ nach Samantha Ausschau hielt. Sie lief in meine Arme, als hätte sie mich für eine Ewigkeit nicht gesehen. „Wie kommen wir jetzt zu dir?", ich nahm ihre Hand in meine. „Folge mir", ich zog sie durch den gesamten Londoner Hauptbahnhof bis wir ein Badezimmer erreichten. Ich stellte sicher, dass sich niemand sonst im Raum befand, blickte auf mein Handy, welches nach Monaten erstmals wieder Empfang hatte. „Ein Angestellter vom Ministerium teilt mir immer mit, welchen Portschlüssel ich benutzen soll. 3..2", wollte ich der Kleineren erklären. Sie versuchte meine Worte zu verarbeiten, machte keine Anstalten, ebenfalls nach der Seifenflasche zu greifen. Reflexartig nahm ich ihre Hand. Zusammen wurden wir in den Strudel gerissen. Nach den ganzen Jahren hatte ich mich zwar an diese Art des Reisens gewöhnt, aber es gehörte definitiv nicht zu meinen Lieblingen. Wir erreichten, in einer menschenleeren Nebenstraße in der Nähe meines Zuhauses, festen Erdboden. „Sei übrigens nicht enttäuscht, Deutsche nehmen das Schmücken ihrer Häuser nicht ganz so ernst", Hand in Hand liefen wir zu meinem Haus. Knöcheltiefer Schnee glänzte auf dem Grass neben unseren Füßen.

Ich hielt schließlich an, ermöglichte ihr Zutritt durch das Tor. „Wow", sie blickte die cremefarbene Stadtvilla erstaunt an. In diesem Moment öffnete meine Mum die Tür. „Cassie", sie zog mich in ihre Arme, wollte mich am liebsten nie mehr gehen lassen. „Und du musst Samantha sein", ja, ich hatte meine Eltern im Vorderrein durch einen Brief gefragt, ob ‚eine Freundin' mitkommen könnte. Ich hatte mich noch nicht bei ihnen geoutet, wollte dies lieber persönlich tun. „Sam reicht", sie wollte ihr die Hand geben, meine Mum umarmte sie stattdessen. Mein Dad tauchte nun hinter ihr auf, begrüßte uns ebenfalls. „Wer lässt sich denn da Zuhause blicken?", ich fiel in die Arme meiner Schwester. In Hogwarts vermisste ich sie jede freie Minute, konnte es kaum glauben, dass sie selber mittlerweile nicht mehr Zuhause lebte. „Wie läuft das Medizinstudium?", „gut", sie schlängelte sich an mir vorbei, um einen Blick auf Sam zu werfen. Unangenehm grinste sie. „Claire", sie reichte ihr die Hand, konnte ihre Sozialangst förmlich spüren. „Sam".

Falls ich dachte, die Zeit in Hogwarts verging schnell, war dies kein Vergleich zu den Ferien mit Sam. Fast jeden Abend besuchten wir den Weihnachtsmarkt zusammen, fuhren zusammen Fahrgeschäfte. Tauschten sanfte Berührungen unter dem Essenstisch aus, so, dass meine Eltern es nicht mitbekamen. Wir halfen meinem Dad beim Schneeschüppen, hörten meiner Schwester bei ihren Konzerten in ihrem Zimmer zu und schliefen jeden Tag kuschelnd ein. Alles schien perfekt.

my magical diaryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt