Harry Hook:
Der Wind fuhr an der Krempe meines Huts vorbei. Ich roch den Salzgehalt der vom weiten Meer kommenden Luft. Der Anker griff und mein Schiff kam zum Stillstand. Das Land war groß, die Küste zog sich lang. Ich hatte eine Bucht fernab des Hafens zum Ankern gefunden. Sparte ich mir die Anlegekosten. Ich schritt noch mal das Holz ab und ließ dann das Beiboot zu Wasser. Mit der Gitarre und einem kleinen Tuchsack zum Tragen eventueller Waren, in den Händen sprang ich hinein. Das kleine Boot schwankte etwas und dann fügte es sich meinem Willen. Schnell paddelte ich die letzten Meter an Land. Das Boot zog ich über den Sand und stellte es an einem großen Stein auf. Das würde es hoffentlich jedem erschweren sich daran zu bedienen. Zur Not konnte ich die Meter bis zum Schiff am Abend aber auch schwimmen. Wie erwartet musste ich einige Meter gehen bis ich an eine Straße und dann nach etwa einem Kilometer in die Hafenstadt kam. In der zunehmenden Sonne ging ich die Straße entlang. Entlang am öffentlichen, gut besuchten Strand, vorbei an einer Meile aus Bars und Bistros.
Auch die Marktstände davor interessierten mich gerade wenig. Irgendwo mittig des Strandes fand ich einen aufgestellten Stadtplan. Er verriet mir, wie gedacht, dass diese Stadt ziemlich groß war im Vergleich zu den letzten Orten, an denen ich gewesen war. Aber bei meiner Suche half er mir nicht weiter. Ich knirschte mit den Zähnen und bog ins Innere der Stadt ab. Musste ich es wohl alleine finden. Ich ging an bunten Handtaschen, Spielzeug, Eisdielen, Bäcker, Schreibwaren und Kleiderständern vorbei. Wieder bog ich in eine der schmalen Gassen, die mich weiter ins Land hinein führten. Schuhläden, Restaurant, Musikladen, Bücherei, Fitnessstudio, Supermarkt... Herrenausstatter, Brautkleider, noch mehr Bücher, Bäcker... Ich ging in den nächsten Laden hinein, der mich nicht mit solchen Artikeln im Schaufenster anschrie.
„Ich brauche einen Schlauch, Zwei Zentimeter Durchmesser, etwa einen Meter lang." „Tja...da muss ich mal hinten im Lager gucken." Ein alter Mann mit Brille sah hinter seinem Tresen auf und kam langsam zu mir herum. Ich nickte. Kritisch sah er mich an. „Ich sehe mal im Lager nach. Einen Moment." Er schlich auf seinen Sohlen wieder zurück hinter den Tresen und durch eine Tür. Ich sah mich etwas um. Fahrradketten, Nummernschilder für Autos, Geburtstagskarten, Aufkleber jeglicher Art und Größe, Schrauben, Nägel, Kerzen, von der Decke hingen mehrere große Pappschlüssel herab.
„Hab eins. Da kannst du froh sein. War früher mal ein kleiner Baumarkt, jetzt sind wir..." Der alte Mann war zurück und sah sich in seinen engen vier Wänden um. „Laden für alles. Schlüsseldienst, kleine Elektroreparaturen, drucken Autoschilder..." Der Schlauch lag vor ihm auf dem Tresen. Er war blassgrün und schien mir durchsichtig zu sein. „Ich nehm noch die." Ich stellte ein paar Kerzen dazu. Irgendwie hatte ich das Gefühl, sie brauchen zu können. Der Mann nickte. „Alles klar." Schleichend, wie sein Gang, tippte er in seiner antiken Kasse herum. Ich legte ihm das Geld hin sobald er mir den Preis genannt hatte. Ich packte die Kerzen in den Stoffsack, nahm den Schlauch und ging aus dem Laden. „Auf Wiedersehen." rief der Mann hinterher. „Auf Nimmerwiedersehen." brummte ich als ich die Straße weiter entlang ging. Wobei der alte Mann gar nicht so übel gewesen war. Aber ich hatte nicht vor in der Stadt zu bleiben.
Ich kehrte zurück zu der Straße am Strand und kaufte mir noch ein paar frische Früchte für die nächsten Tage. Als ich mich genauer umsah kaufte ich auch noch andere Lebensmittel. Ich könnte gleich an Land etwas kochen und ebenfalls etwas an fertigem Essen für die nächsten Tage bereit stellen. Als ich die Straße zurück auf die Seite zum Strand überqueren wollte kam ein ganzer Pulk von Strandbesuchern mit mir. Dicht beieinander standen wir an der Ampel. Immerhin konnte sich keiner bei dem Wetter darüber beschweren, dass ich die letzten Tage nicht geduscht hatte. Bei diesen Temperaturen stanken wir alle. Ich war ganz nah am Äquator, sonst würde das Wetter mittlerweile anders aussehen. Hier jedoch blieb es wahrscheinlich jeden Tag warm bis heiß. Ganz genau hatte ich mir aus dem Unterricht dann doch nicht gemerkt. Trotzdem würde ich, wenn ich nachher an Board ging mit als Erstes meine selbst gebaute Dusche mit dem neuen Schlauch reparieren. Die Ampel sprang auf Grün und alle setzten sich in Bewegung.
Ich hatte gar keine Möglichkeit zu warten, bis sie an mir vorbei waren. Ich wurde einfach mitgeschleust. Auf der anderen Straßenseite fuhr ich meine Ellenbogen aus und innerhalb von zwei Sekunden war ich alleine und hatte wieder frische Luft zum Atmen. Ich ging zurück zu der Bucht, vor der mein Schiff lag. Schon auf den letzten Metern sammelte ich Äste und Kleinholz für ein Feuer. Ich hatte mir auch noch eine Feuerfeste Schale gekauft, es konnte nicht schaden, wenn man mehr als eine besaß, hatte ich letztens noch festgestellt, also musste ich zum Kochen nicht mal mehr zurück zum Schiff. Es dauerte nicht lange, da hatte ich mein Essen fertig und aß die Portion für heute. Danach brachte ich alles aufs Schiff und verstaute es gut.
Mein Blick fiel auf meine Gitarre, die ich die ganze Zeit mit mir herum geschleppt hatte. Ich nahm sie in die Hand und zog noch mal los. Wieder ging ich den Weg zur Straße und folgte ihr bis zum Strand und den Einkaufsstraßen. Ich beschloss mich erneut vom Badestrand, das Wort hatte ich vorhin auf dem Stadtplan gelesen, zu entfernen. Auf einmal blieb ich stehen und sah zur Seite. Einen frischen, heißen Kaffee, das konnte ich mal wieder gebrauchen. Ich ging in den Laden hinein und setzte mich an den Tresen. Schon bald wurde mir der Kaffee gebracht und ich sah in die Tasse flüssigen Schwarzes. Das Aroma strömte mir in die Nase und der Dunst vernebelte mir kurz die Sicht. „Hallo, bist du..ach auch egal." Ich hatte den neben mir ignoriert. Sein Blick fiel auf meine Gitarre. „Ich hatte gehofft, dass du... Ein Kumpel hatte mir....Hallo, ich bin Tony. Hast du vielleicht Lust, heute Abend was zu unternehmen? Auszugehen?" Mein Blick schnellte zu ihm.
„Spinnst du? Ganz bestimmt nicht! Ich habe einen Freund!" „Oh okay. Wo ist er?" Der Typ sah sich um. Er war in Auradon. Mit meinem wegsegeln hatte ich unsere Beziehung wohl beendet. Ich ging aus dem Laden, mein Kaffee war eh leer gewesen, und kehrte zum Schiff zurück. Ich setzte die Segel und löste den Anker. Ich hatte Carlos erfolgreich verdrängt. Mir ging es gut. Ich lebte jetzt das, was ich schon immer gewollt hatte. Schon bald war ich wieder draußen auf offener See und umgeben von nichts anderem als Blau. Unten wie oben. Das Schiff und ich bewegten uns stetig vorwärts, doch irgendwann nahm der Wind zu. Ich überprüfte die Karte und die Anzeige des Kompass, um auf Kurs bleiben zu können, als das schwere Pergament fast weg geweht wurde. Mit Mühe rollte ich es wieder auseinander und beendete meine Rechnungen. Je mehr Wind kam desto dunkler wurde auch der Himmel. Ich machte gerade die letzten Sachen Sturmfest als mir die ersten Tropfen ins Gesicht schlugen. Nicht salzig. Regen. Mein Blick ging noch mal zu den mittlerweile fast schwarz nähernden Wolken.
Könnte übel werden, war aber hoffentlich schnell wieder vorbei. Ich richtete noch mal meine Kleidung. Ein Kapitän verlässt sein Schiff nicht, rief ich mir noch mal in Erinnerung. Der Regen wurde stärker, die Sicht schwieriger. Es grollte in der Ferne und bald schon direkt vor mir. Der Sturm peitschte mittlerweile über das Schiff. Mir würde nichts anderes übrig bleiben als unter Deck auszuharren. Ich nahm meinen Kompass und machte mich auf den Weg. Das Schiff schwankte gefährlich. Das Holz war bereits gut nass. Die ersten Hagelkörner trafen ein. Ich biss die Zähne zusammen und kämpfte mich gegen eine starke Böe. Ein, zwei...Vorwärts!, zwang ich meine Füße. Das Schiff schaukelte noch mal heftig und ich hielt mich an einem Seil fest. Sofort ließ ich wieder los und versuchte mein Gleichgewicht selbst zu halten. Noch einen Schritt. Der Hagel nahm zu. Über mir krachte es wieder in den Wolken. Ich stemmte mich vorwärts, schob einen Fuß nach dem anderen gegen die Luftmasse, versuchte mich an dem Licht neben der Tür, um unters Deck zu gehen, zu orientieren. Ich kam ins Rutschen. Das Holz war glatt. Ich taumelte und ging in die Knie. Der Hagel war eiskalt zwischen meinen Fingern als ich mich auf allen Vieren weiter bewegte. Ich musste nur noch um die Ecke zur Tür. Mein Herz schlug schnell. Irgendwas traf mich am Kopf. Ich sah Carlos vor mir.
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Unexpectedly 2
RomanceDie Story spielt nach dem dritten Teil, lediglich mit dem Unterschied das die Kinder der verlorenen Insel unter anderem Uma, Gil und Harry auf die Auradone Prep kommen. Um den neuen Schülern den Einstieg in den Schulalltag zu erleichtern kommt jedes...