Harry Hook:
Ganz sicher würde ich ihr das nicht sagen. Ich holte tief Luft. Nein, ich würde nicht eigenständig ihren Kleiderschrank in Brand stecken, weil sie Carlos eine geknallt hatte. Das war lächerlich, unverhältnismäßig. Ich könnte sie zu einem Duell heraus fordern, denn da würde sie auf jeden Fall verlieren. Ich schlug auf die Matratze ein. Ich würde nichts tun, Carlos regelte seine Probleme jetzt selbst. Wenn er nicht gerade bewusstlos war. Ich zog mir meine Boxershorts aus und sprang unter die Dusche. Beinahe fing ich schon wieder da an, wo ich vorhin aufgehört hatte.
Es dauerte einen Tag bis ich Carlos im Unterricht den Zettel zu schob. Sein Blick verfinsterte sich etwas während er die Worte las.
~Ich kann jederzeit für deinen Kuss flehen, wenn du bereit bist das zu tun.
Es macht mir nichts.~
Es machte mir wohl was aus, aber ich würde es hinbekommen. Er wollte es sowieso nicht sofort. Aber, wenn er mich küssen wollte, wollte ich ihn erst recht küssen.
Audrey ignorierte ich beim der Tanzgruppe komplett und ging gleich zu einer derer, die noch etwas Hilfe brauchten. Die Trainerin sagte nichts. Audrey..nun, sie interessierte mich nicht.
„Ich arbeite mit Harry zusammen." sagte Audrey zu einem Lehrer im Unterricht als er ihr ein Arbeitsthema zuteilte. „Er müsste sich da doch bestimmt auskennen." fügte sie hinzu als mehrere merkwürdige Blicke sie trafen. Allen voran meiner. „Nun gut, da haben Sie wohl Recht." Der Lehrer notierte das in seiner Liste. Ich seufzte nur und wischte mir durchs Gesicht. Klar fragte mich keiner, mein Name kam erst viel später in dieser doofen Liste. „Ben? Sie bekommen folgendes Thema.." fuhr der Lehrer fort.
„Um 17Uhr in der Bibliothek." sagte Audrey als sie an mir vorbei aus dem Klassenzimmer ging. „Da hab ich schon was vor." brummte ich. Sie blieb stehen und sah mich überrascht an. „Was denn?" „...Training." antwortete ich ihr. „Oh okay. Dann nach dem Abendbrot? Im Aufenthaltsraum." Scheinbar schien das Argument Training zu ziehen, wenn es um meine Nachmittagsplanung ging. Als dürfte ich sonst nichts vorhaben. „Okay." Ich stapfte in die andere Richtung. Pünktlich um halb Fünf tauchte ich beim Fechttraining auf. Lonnie und ein paar andere gaben sich Mühe mich zu ignorieren. Ich sah ihnen ein wenig zu bevor ich mir mein Schwert nahm, niemand nahm es mir ab, und ebenfalls trainierte. Ich spürte mehrere Blicke auf mir, aber keiner sagte was. Ich hatte mich jetzt lange genug an das Verbot mein Schwert zu führen gehalten, finde ich. Ich machte einfach weiter und ignorierte sie. Zumindest die Meisten. Irgendwann fing ich an die Meisten Carlos' Angriffe zu kopieren und Dean ebenfalls anzugreifen. Dabei blieb ich natürlich an meinem Platz stehen und berührte ihn kein Stück.
„Zieht euch um. Ich muss abschließen, Hook." ungeduldig warf Lonnie ihren Schlüssel am Ende des Trainings. Ich brachte mein Schwert, wie alle anderen ihren Degen, weg. „Du siehst heute wirklich schon besser aus." sagte ich zu ihr als alle anderen die Halle verlassen hatten. Der Tag Ruhe hatte ihr offensichtlich gut getan. Sie warf mir einen irritierten Blick zu und wandte sich einfach ab. Ich nahm meine Sachen und kehrte zu meinem Zimmer zurück. Umziehen und duschen tat ich da. Nach dem Abendessen traf ich mich tatsächlich mit Audrey am Tisch im Aufenthaltsraum. Sie legte mir die Aufgabenliste vor und breitete mehrere Bücher aus. „Ich hab mich schon etwas schlau gemacht." „Ah, toll." Ich zog eines mit spitzen Fingern heran und schlug es auf. Audrey schien irgendwas auf der Zunge zu liegen, aber sie hielt sich zurück. Die nächsten fünf Minuten zumindest.
„Ich muss sagen, ich war wirklich überrascht, dass du was vor hattest. Ich meine, mindestens die Hälfte deiner damaligen Freunde hasst dich und die anderen zwingen sich auf Höflichkeitsniveau. Ich dachte wirklich, außer dem Tanztraining gibt es für dich nichts zu tun." Ich zog das Buch an die Tischkante und legte meine Arme darauf während ich sie ansah. „Selbst, wenn das so ist, hätte ich noch so einiges zu tun." funkelte ich sie an. „Ja.." Sie dachte nach. „Echt? Was denn? Freunde fallen ja weg. Deine Schwestern sind auch anderweitig beschäftigt... Deine Interessen an anderen Clubs lagen bisher immer bei Null und Evie braucht dich auch nicht so dauernd für ihre Show." Audrey verzog mitleidig das Gesicht. Ich schmunzelte. „Das lass mal meine Sorge sein. Ich finde schon jemanden, dem ich auf die Nerven gehen kann." Würde ich wahrscheinlich wirklich machen, wenn ich wollte. Aber diesen Jemand...Nun, ich ließ ihm noch etwas Zeit zu schmollen.
Kurz überlegte ich, ob Audrey eigentlich schon mal jemals wirklich Freunde gehabt hatte, außer ihren Lakaien und Ben. Denn dann wüsste sie, dass richtige Freundschaft auch weiter hielt, wenn man sauer aufeinander war. Uma und Gil wollten vielleicht gerade nicht so viel mit mir machen, weil sie noch im Gewissenskonflikt waren, aber sie würden, wenn ich sie fragen würde. „Ja, vermutlich. Immerhin bist du auch hier wieder aufgetaucht. Dich wird man wohl einfach nicht los." Audrey lächelte mich an und ich riss mich zusammen, nichts unüberlegtes zu tun. „Das ist wohl bei uns beiden so." fügte sie hinzu. Ich verdrehte die Augen. Sie war wirklich nicht so heiß, wenn man sie näher kannte. „Aber jetzt haben wir auch dieses Partnerprojekt. Du brauchst dir also gar nicht so viele Gräultaten ausdenken." Kurz überlegte ich, ob das mit der Guten Fee ein abgekartetes Spiel war, aber dann dachte ich, dass Audrey vielleicht die Falsche für so was war. Sie konnte das einfach nicht. Nicht, wenn es von anderen kam. Irgendwie brachten wir diese Abendsitzung rum. Als ich den Raum verlassen hatte sah ich Carlos auf dem Flur mit Jane reden. Jane.
Ich musterte sie. Ihre Haltung, ihre Gestik. Sie schien normal zu sein. An Carlos war gar nichts mehr, den ließ ich in meiner Beobachtung aus. Bildlich gesprochen, seine Kehrseite behielt ich natürlich im Blick. Ich biss mir innen auf die Lippe. Die Frau war seine erste Liebe gewesen. Ja, dieses langweilige, einfache Mädchen als Frau zu bezeichnen war merkwürdig, aber es war leider nicht von der Hand zu weisen. Sie besaß mehr die Ausstrahlung als Audrey manchmal, obwohl diese es versuchte darauf anzulegen. Nach dem, was Carlos mit mir gemacht hatte, würde ich sagen, er hatte einen Hang zu altbekannten zurück zu kehren..
In den nächsten Nächten träumte ich immer wieder von Carlos. Meistens waren es schöne Träume und manche auch erregend. Es war nicht immer morgens, wenn ich aus einem erwachte und ein erlösendes Ende anstrebte. Ich zuckte meine Schultern. Ich genoss meine Träume. „Ich kann da nicht länger schlafen." hörte ich die Stimme von Carlos Mitbewohner erbost durch die Wand. Mein Kopf legte sich automatisch schief. Wollte er ausziehen? „Es...geht einfach nicht." sagte er entschieden und ich lehnte mich näher an die Wand, um nichts zu verpassen. „Lass uns die Betten tauschen." Er klang fast flehend und da es noch früh war, ging ich davon aus, dass es sich an Carlos richtete und der gerade da war. „Was?" fragte dieser ziemlich verwirrt.
„Na du weißt schon..Dein Bett steht anders. Wasserader, Feng Shui, ich bin größer als du." Toby redete irgendwas wirsch vor sich hin. „Es sind doch nur die Betten, das Zimmer bleibt doch das Gleiche.." er redete einfach immer weiter. Ich verdrehte die Augen. „Na gut." Carlos ging auch langsam die Geduld aus. „Wenn du dann jetzt Ruhe gibst. Ich pack meine Sachen nachher um." „Klar, danke. Lass dir Zeit. Nur vor heute Abend bitte.." Toby klang sofort glücklicher. Ich verdrehte erneut die Augen und nahm meinen Kopf von der Wand weg. Komischer Kautz. Aber dann würde Carlos jetzt in meinem alten Bett schlafen. Unserem Bett.
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Unexpectedly 2
RomanceDie Story spielt nach dem dritten Teil, lediglich mit dem Unterschied das die Kinder der verlorenen Insel unter anderem Uma, Gil und Harry auf die Auradone Prep kommen. Um den neuen Schülern den Einstieg in den Schulalltag zu erleichtern kommt jedes...