Mit einem Bimmeln kündigte die kleine Glocke oberhalb der alten Holztür das Eintreten einer Person an. Die alte Japanerin hinter der Ladentheke blickte von dem Kreuzworträtsel auf, das sie auf dem Tresen ausgebreitet hatte, und erkannte den jungen Mann, der sie an diesem Morgen beehrte. Er war so etwas wie ein Stammkunde und kam oft hierher, wenn er etwas zu kaufen beabsichtigte, das er wohl nirgendwo sonst fand. Zwar kannte die alte Ladenbesitzerin seinen Namen nicht, doch sie wusste, dass er ein überaus höflicher, gleichwohl aber auch etwas eigentümlicher Junge war. Nun, Eigenarten besaß aber wohl jeder Mensch...
„Guten Tag", sprach Midorima Shintarō und rückte seine Brille zurecht, ehe der Blick seiner grünen Augen auf die ausgestellten Gegenstände fiel. In Regalen, die beinahe zur Decke reichten, fand sich allerlei Plunder und Krimskrams wieder, sodass es ein Schwieriges war, sich durch die Reihen zu bewegen, ohne etwas versehentlich umzuschmeißen. Alles war genau so, wie es sein sollte – denn dies war der Antiquitätenladen seines Vertrauens; ein Ort, an welchem er bisher noch immer die abstraktesten Glücksbringer, vorausgesagt von Oha-Asa, finden konnte. Und er war sich sicher, dass das Glück auch dieses Mal auf seiner Seite war – immerhin war ihm ein erfolgreicher Tag versprochen worden.
„Guten Morgen", begrüßte ihn nun auch die alte Frau. „Lass mich raten: Du suchst wieder nach etwas, das dir Glück bringt, nicht wahr?", fragte sie belustigt, wissend um die Eigenart Midorimas. Unbeirrt trat Shintarō an den Tresen heran und nickte zur Bestätigung. „In der Tat. Ich suche ein mit Ölfarben angefertigtes Landschaftsgemälde", äußerte er seinen Wunsch – oder die Bedingung des Schicksals, je nachdem. Kaum waren die Worte des Oberschülers verhallt, tat sich ein Lächeln im Gesicht der Ladenbesitzerin auf. „Du bist wirklich ein Glückspilz, weißt du das?", erwiderte sie auf seinen Kaufwunsch, während sie sich von ihrem Stuhl erhob. „Gestern noch habe ich ein paar Bilder von meiner Enkelin bekommen, um sie zu verkaufen", erklärte sie, ehe sie in dem Raum hinter der Ladentheke verschwand. In Midorimas Kopf spielte sich daraufhin ein Szenario ab, wie ein kleines, vierjähriges Mädchen mit bemalten Händen auf einem weißen Blatt Papier schmierte. Dabei kam alles heraus, nur kein ordentliches Bild.
Ein Moment verging, was den Grünhaarigen kurz auf seine Armbanduhr schauen ließ, ehe die Ladenbesitzerin mit erfreuter Miene wieder zu ihm zurückkehrte. „Vielleicht gefällt dir ja eines von denen", erklärte sie und legte die bemalten Leinwände auf den Tresen. Zum Vorschein kamen keine beschmierten Bilder, wie sie sich in Shintarōs Vorstellung manifestiert hatten – nein, ganz im Gegenteil. Auch wenn er nicht viel von Kunst verstand, so konnte er nicht anders, als die einzelnen Werke anzuerkennen. Der Künstler – die Enkelin der Ladenbesitzerin, wenn er das richtig verstanden hatte – besaß definitiv ein Händchen für das Malen. Besonders an einem der beiden Gemälde blieb sein Blick hängen; es zeigte einen Wanderweg, der durch eine Allee von Kirschbäumen führte, deren Knospen gerade erblühten. Äste verwoben sich miteinander, Kirschblüten verzierten den Wegesrand und Sonnenlicht brach von der Seite her durch die Bäume auf den Wanderweg. Die Entscheidung seines Kaufes war womöglich gefallen...
„Meine Enkelin sagt immer, dass sie am liebsten alle ihre Bilder behalten würde, doch ihr gehe wohl der Platz aus. Und ein kleines Taschengeld kann man in so einer Branche wohl auch gut gebrauchen", plauderte die alte Frau etwas aus dem Nähkästchen. Nicht, dass es Midorima groß interessierte. Doch es wäre unhöflich, sein Desinteresse derart offen zu zeigen. Deshalb nickte er nur schweigend, ehe er das Gemälde kaufte und den Laden schließlich wieder verließ. Takao wartete noch immer draußen vor der Tür. Er war im Stehen eingedöst, während er mit dem Oberkörper auf seinem Fahrradlenker lehnte. „Wir können weiter", sprach Shintarō laut genug, um seinen Kameraden aus dessen Schlummer zu wecken. Ruckartig hatte sich dieser kerzengerade hingestellt, blickte aber noch immer etwas verdutzt zu Midorima. Besonders, da dieser sich gerade in den Wagen setzte. „Hey, wir hatten abgemacht, hier zu tauschen, Shin-chan!", rief der Schwarzhaarige aufgebracht. „Tja, wie soll ich sagen... Ich habe heute einfach Glück", entgegnete Midorima gelassen, was Takao nur noch mehr ärgerte. „Das hat nichts mit Horoskopen zu tun, das hast du gerade einfach beschlossen!" Doch da konnte sich der Point Guard der Shūtoku-Oberschule noch so aufregen – manchmal war es schlichtweg sinnvoller, mit einer Wand zu diskutieren, als mit Shintarō. So ergab er sich seinem Schicksal und radelte los zur Shūtoku.
Es war ein Samstagmittag Anfang April; die alten Drittklässler waren gerade erst verabschiedet worden, die neuen Erstklässler noch nicht eingeschult. Das hinderte den Basketballklub der Shūtoku jedoch nicht daran, sich weiterhin mit Leib und Seele ihrem Training zu widmen. Besonders, da Takao und Midorima die einzigen übrigen Stammspieler des letzten Teams waren und das Zusammenspiel mit der neuen Startaufstellung daher noch mehr als geübt werden musste. Sicherlich gab es unter den künftigen Erstklässlern auch einige, die dem Basketballklub beitreten würden, doch ob ein weiteres Mal Ausnahmetalente wie Midorima und Takao dem Klub beitreten und es zu Stammspielern schaffen würden, blieb vorerst abzuwarten.
„Ich habe gehört, der Volleyball-Klub der Mädchen ist heute in der zweiten Sporthalle. Denen würde ich auch gerne mal zusehen... Und du doch auch, oder, Shin-chan?", fragte Takao, während dieser noch immer in die Pedalen trat. Midorima, dem kurz die Gesichtszüge entglitten waren, blickte daraufhin irritiert – und teils genervt – zu Takao. Wenngleich dieser den Blick nicht erwidern konnte, so stierte der Grünhaarige ihn dennoch an. „Wie kommst du jetzt auf den geistreichen Gedanken?", fragte er, seufzte laut und rückte seine Brille zurecht. „Das Bild – ich meine den Glücksbringer, den du gekauft hast – zeigt doch lauter Kirschbäume und deren Blüten. Es wirkt fast schon romantisch, fast so als wärst du, na ja, verliebt", kicherte der Schwarzhaarige.
Shintarō rollte mit den Augen, ein weites Seufzen verließ seine Lippen. Schließlich zog er die Augenbrauen zusammen und stellte eines ganz klar: „Du redest heute wieder einen Blödsinn, wie ich ihn noch nie zuvor gehört habe." Daraus eine große Sache zu machen, war allerdings auch überflüssig – aus zweierlei Gründen: Zum einen war es Takao, der wieder seine Witze machte, zum anderen hatten sie die Shūtoku erreicht, was bedeutete, dass nun hartes Training anstand, das unter anderem auch die Zusammenarbeit von ihm und Takao erforderte. Somit ließ Shintarō die Sache auf sich beruhen, auch wenn der Gedanke, dass er, Midorima Shintarō, verliebt war und dies in Form eines Bildes mit Kirschblüten zeigte, überaus lächerlich war.
Wie dem auch sei. Einige Stunden Training standen nun an, die das Gesagte mit Sicherheit in Vergessenheit geraten lassen würden.
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The Beauty Of Basket
RomanceMidorima Shintarō, Mitglied der Generation der Wunder, Shooter der Shūtoku Oberschule und ein - im Prinzip - überaus eigenartiger Typ. Yoshida Akira, eine etwas exzentrische, aber gleichzeitig auch selbstbewusste Studentin. Oberflächlich scheinen di...