Bonus 2: Akashis Auftrag

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»In knapp zwanzig Minuten werde ich ankommen. Ich bin schon gespannt, wie Kyōto so ist und wie viel ich letztlich von der Stadt zu sehen bekomme. Es wäre wirklich schön gewesen, wenn du hättest mitkommen können. Ich richte Akashi Grüße von dir aus, ja? Und ich bringe dir ein Miyage mit.«

Akira überblickte noch einmal die Nachricht, die sie Shintarō geschrieben hatte, ehe sie ihr Handy wieder zuklappte. Lautlos seufzend ließ sie sich in ihren Sitzplatz zurückfallen und betrachtete durch das Fenster die Landschaft, an welcher sie vorbeifuhr. In diesem Augenblick saß sie im Tōkaidō-Shinkansen, der zwischen Tokio und Ōsaka pendelte und dabei unter anderem in Kyōto hielt. Dorthin war sie von niemand geringeren als Akashi Seijūrō eingeladen worden und das hing zweifelsohne mit dem Gemälde zusammen, dass sie für ihn angefertigt hatte. Es lag schon bald ein Monat zurück, dass sie dieses fertiggestellt und doppelt und dreifach abgesichert per Kurierdienst zu ihm geschickt hatte.

Da sie bereits bezahlt worden war und auch von Akashis Zufriedenheit bezüglich des Bildes wusste, fragte sich Akira, aus welchem Grund genau er sie nach Kyōto bat. Für sie selbst gab es zwei Beweggründe, warum sie dieser Reise zugestimmt hatte. Zum einen war sie überaus neugierig, warum Akashi sich mit ihr treffen wollte, zum anderen konnte sie einen der vielen Räte ihres Meisters umsetzen. Dieser legte ihr nämlich stets ans Herz, so viel wie möglich von dieser Welt zu sehen. Wer ständig nur in seiner gewohnten Umgebung hing, konnte seinen Horizont und sein Blick auf diese Welt niemals erweitern.

Ursprünglich hatte Shintarō sie nach Kyōto begleiten wollen. Schließlich war er mit Akashi befreundet und das wäre eine günstige Gelegenheit für sie beide gewesen, sich nach ihrem gemeinsamen Spiel gegen Jabberwock wiederzusehen. Allerdings war er zusammen mit den Mitgliedern seines Klubs derzeit an die Shūtoku gebunden. An der Oberschule stand nämlich das alljährliche Schulfest an und das erforderte eine Menge Arbeit und Initiative der Schüler. Obwohl sie hier lediglich von einem Wochenende auswärts sprachen, hielten sie beide – Akira und Shintarō – es für das Beste, wenn er in der Nähe seiner Oberschule blieb und sich nicht zu viel auflud. So war es dazu gekommen, dass die Brünette allein verreiste.

»Ich wünsche dir viel Spaß, Akira. Gib auf dich acht und noch ein Hinweis: Akashis Familie befindet sich, was die Strenge der Erziehung angeht, auf einer gänzlich anderen Ebene, als die meine. Es ist gut möglich, dass du das Gefühl haben wirst, eine andere Welt zu betreten. Versuch deine Haltung zu wahren und in kein Fettnäpfchen zu treten.«

Die Nachricht ihres Freundes schmälerte ihre Vorfreude zwar nicht, doch unberührt ließ sie diese Warnung – oder der Hinweis, wie Shintarō es nannte – auch nicht. Vielleicht sollte sie, anders als sonst, wirklich etwas mehr Acht auf ihr Auftreten geben? Andererseits versuchte sie niemanden zu beeindrucken und hatte nie beabsichtigt, ihre Eigenarten zu verstecken. Wer sie kannte und sie zu sich einlud, wusste eigentlich, worauf er sich einließ. Dass sie sich über so etwas überhaupt Gedanken machen musste...

Eine andere Welt, hm?

Shintarō hatte ihr einmal verraten, dass Akashis Vater der Kopf eines großen Firmenkonglomerates war und Seijūrō eines Tages diese Position übernehmen würde. Sicherlich hatte ihr Freund auch erwähnt, in was für eine Branche das Hauptunternehmen und seine wichtigsten Tochtergesellschaften tätig waren, doch das hatte sie wieder vergessen. Es stand aber außer Frage, dass Akashis Familie einflussreich war und in der oberen Gesellschaftsschicht spielte. Diese Welt hatte sie in der Vergangenheit schon manches Mal betreten – die Kunst brachte sie immer an interessante Orte – doch sie war gespannt, was genau sie erwartete.

Als sie mit ihrer Tasche am Hauptbahnhof Kyōtos ausstieg, fühlte sie sich im ersten Augenblick etwas verloren. Während Tokios Hauptbahnhof selbstverständlich ebenfalls groß war, bezog sich dies jedoch eher auf seine Weitläufigkeit. Im Untergeschoss befanden sich hauptsächlich die Bahnhöfe für die U-Bahnen und S-Bahnen, während im Erdgeschoss an zwanzig Gleisen die konventionellen Züge, sowie die Shinkansen verkehrten. Der Hauptbahnhof in Kyōto war in dieser Hinsicht allerdings anders. Nicht nur war der Bau ein architektonisches Kunstwerk aus Glasfronten und Gerüsten; mit seinen vielen Stockwerken und Winkeln erschien er ihr darüber hinaus wie einziges Labyrinth. Und als gebürtige Tokioterin war sie riesige Bauten mit komplexen Grundrissen eigentlich gewohnt.

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