Kapitel 35 - Glücksbringer

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Akira kicherte leise vor sich hin, während sie den vielen Besuchern zu dem Hauptschrein in langsamen Schritten folgte. Immer wenn sie glaubte, sie hätte sich zur Genüge über ihren kleinen Schabernack amüsiert, fing sie wieder an zu prusten. Shintarō, der neben ihr herging, beobachtete dies kommentarlos. Doch wenn er ehrlich war, dann fand er es ein wenig erheiternd und auch erleichternd, Akira glücklich zu sehen.

„Ich glaube, ich habe Takao nur einmal so sprachlos gesehen", äußerte sie mit zuckenden Mundwinkeln und sah kurz zu Shintarō auf. „Als wir Okonomiyaki gegessen haben und du ihm die Worte im Mund gedreht hast", erwiderte der Oberschüler, der sich an diesen Moment auch noch sehr gut erinnern konnte. Akira summte zur Bestätigung und verschränkte hinter ihrem Rücken die Hände.

Sie kamen auf dem Weg zum Schrein nur langsam voran, was hauptsächlich daran lag, dass jedem Besucher seine ihm zustehende Zeit am Schrein gewährt werden sollte. Der Blick der Kunststudentin wanderte während des Wartens ein wenig umher. In der Vergangenheit war sie schon das ein oder andere Mal auf dieses Matsuri gegangen und hatte sich an den Festivitäten und der Szenerie erfreut. In ihrer Erinnerung war es allerdings nicht so schön, wie sie es gegenwärtig empfand. Der lange Steinweg zum Schrein war von viel Grün umgeben und in just diesem Moment standen sie auf einer hübschen roten Brücke, die über einen kleinen Teich führte. So etwas fand man oftmals bei Schreinen vor, da Wasser die reinigende Kraft war, die Besucher von ihrem unreinen Selbst befreien sollte. Das zumindest war der Hintergedanke, warum bei vielen Schreinen und Tempelanlagen Brücken über künstliche Gewässer führten.

„Ich habe nicht erwartet, dass du hier im Yukata erscheinen würdest." Shintarō holte sie eher unwissentlich aus ihrem Tagtraum zurück. Ihm war dieser Gedanke nur gekommen, als er erneut ihren blauen Yukata betrachtet hatte. Wie jeden Morgen hatte er ihr auch heute eine Nachricht mit ihrem Horoskop zukommen lassen, das sowohl ihren Glücksgegenstand, als auch ihre Glücksfarbe beinhaltete. Und die Glücksfarbe für Fische war an diesem Tag Blau. Ob nun aus Zufall oder beabsichtigt, sie trug eben jene Farbe.

Dennoch, sein eigentlicher Gedanke galt nicht der Farbe, sondern der Tatsache, dass Akira einen Yukata trug. Wenngleich ihre Etikette nur wenig zu wünschen übrig ließ, war sie in seinen Augen jedoch kein sonderlich traditioneller Mensch. Ihr alltägliches Leben war zudem stark von der modernen westlichen Welt beeinflusst, sowohl in der Art, wie sie wohnte, als auch in ihrer Kleidung und ihrer Malerei. Er selbst lebte mit seiner Familie ebenfalls moderner und von alten Traditionen ungebundener, doch einige Dinge lebten sie immer noch. So gingen sie gemeinsam ausnahmslos jedes Neujahr als Familie zu einem Schrein und beteten.

Gemessen daran hatte er eher damit gerechnet, dass sie sich wie Takao in gewöhnlicher Alltagskleidung, vielleicht etwas vornehmer, kleiden würde.

„Ich kann verstehen, wieso du so gedacht hast." Für ihre Erscheinung gab es jedoch einen ganz simplen Grund, den sie auch nicht geheim halten wollte: „Allerdings empfinde ich es als schön, mich auf diese Weise der Atmosphäre anzupassen." Yoshida Akira und ihr Sinn für Ästhetik waren nur selten und wenn dann schwer voneinander zu trennen. Shintarō schnaubte als Antwort nur mit einem Hauch von Amüsement. Wieso war ihm das nicht gleich in den Sinn gekommen?

„Du wirkst ausgelassen", merkte er an, als sie bereits den Hauptplatz vor dem großen hölzernen Schrein mit dem roten Dach erreicht hatten. Warten mussten sie immer noch, doch das Ende war in Sicht. „Habe ich zuvor einen anderen Eindruck erweckt?", fragte Akira und zog verwundert eine Braue hoch, während sie zu ihrem Freund aufblickte. Sie wusste ja, dass er an ihr Telefonat am Abend seines ersten Trainingstages denken musste. Wenngleich sie den Schmerz noch nicht überwunden hatte, so lagen Schock und Unsicherheit hinter ihr. Es hatte keinen Sinn, in die Zukunft zu schreiten, wenn man an der Vergangenheit festhielt. Zumindest fand Akira an diesem Gedanken Trost und die Kraft, weiterzugehen.

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