Kapitel 4 - Antiquitäten

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Ein tiefes Seufzen verließ Akiras Lippen, während sie sich in die Lehne ihres Stuhls zurückfallen und ihren Blick durch den Raum schweifen ließ. Regale, die bis zu der Decke reichten und zahllose Gegenstände beherbergten, zeichneten ihr Blickfeld aus. Unter all diesem Plunder gab es hin und wieder Objekte, an welchen ihre blauen Augen länger hängen blieben, doch im Endeffekt löste keiner der hier ausgestellten Antiquitäten Inspiration in ihr aus. Nicht, dass sie hierhergekommen war, um Inspiration zu finden... Sie empfand es nur als eigenartig, fast schon befremdlich, dass es derzeit nichts gab, dass in ihr den Reiz auslöste, alles stehen und liegenzulassen, um sich leidenschaftlich einem Motiv hinzugeben. Ob das die ersten Anzeichen einer sich anbahnenden Blockade waren, unter der auch einige ihrer Kommilitonen litten? Das wäre sehr unvorteilhaft... Besonders, wenn sie daran dachte, was für ein wichtiger Tag sie demnächst erwartete. Vielleicht war der Grund ihres gegenwärtigen Ideenmangels aber auch viel leichter zu erklären und mit weniger Konsequenzen verbunden. Es war früher Morgen, gut möglich also, dass ihre Sinne noch schliefen. Akira konnte wirklich nicht von sich behaupten, ein Morgenmensch zu sein...

Daher empfand sie umso mehr Respekt für ihre Großmutter, die in ihrem mittlerweile hohen Alter jeden Morgen pünktlich wie ein Uhrwerk ihr Geschäft öffnete und vorher noch die notwendigen Vorbereitungen traf. Dass sie Respekt davor hatte, bedeutete aber nicht, dass Akira die Notwendigkeit dafür begriff. Diesen Laden derart früh zu öffnen, erschien ihr etwas sinnfrei. Wer bekam denn schon Lust dazu, irgendwelchen alten Plunder sieben Uhr in der Früh zu kaufen? Das Klingeln der Glocke an der Tür in just diesem Moment verriet ihr, dass es zumindest einen Menschen auf diesem Planeten gab, auf den diese Beschreibung zutraf.

Neugierig blickte die brünette Studentin zum Eingang, da sie nun wissen wollte, welche Art von Kunde sie beehrte. Und als sie diesen erblickte, staunte sie nicht schlecht. Dem Oberschüler, der gerade eingetreten war, ging es da allerdings nicht anders. Es war niemand geringeres als Midorima Shintarō, der an diesem Mittwochmorgen dem Antiquitätengeschäft ihrer Großmutter einen Besuch abstattete. Ein wenig überraschte das Akira schon, denn sie hatte offen gestanden nicht damit gerechnet, ihn jemals wiederzusehen.

„Was machst du denn hier?", fragte der Grünhaarige mit hochgezogener Augenbraue. Akira glaubte, Argwohn und Abneigung aus seiner Stimme herauszuhören, was sie ebenfalls eine Augenbraue hochziehen ließ. Für gewöhnlich trugen Menschen für die Gesellschaft eine Maske, hinter welcher sie ihre wahren Gefühle verbargen. Und gerade in diesem Land würde es niemand wagen, seine Ablehnung derart offen zeigen... Midorima Shintarō schien in diesem Sinne anders zu sein. Das fand sie ja fast schon interessant. „Ich arbeite hier – offensichtlich. Für gewöhnlich kümmert sich meine Großmutter um das Geschäft, denn ihr gehört es auch. Da sie aber terminlich verhindert ist, hat sie mich darum gebeten, mich um alles zu kümmern, bis sie zurückkommt", erklärte sie ihm. „Als hätte ich kein Studium, dem ich mich widmen müsste", fügte sie ihrer Erklärung noch mit einem leisen Seufzen hinzu.

„Du bist die Enkelin der Ladenbesitzerin..." Es war keine Frage von Midorima, mehr eine Feststellung. In seinem Kopf hatten sich binnen weniger Sekunden einige lose Punkte miteinander verbunden und ein neues Bild ergeben, welches er zugegebenermaßen nicht erwartet hätte. Die Enkelin, von der die Ladenbesitzerin gelegentlich sprach... Die Künstlerin des Kirschblütenbildes, das er als Glücksbringer gekauft hatte... Und die Freundin seiner Klassenkameradin Sato, mit der er eine eher unangenehme Zeit vergangenen Samstag verbracht hatte... Hinter all diesen Titeln steckte die gleiche Person. Und diese Person war Yoshida Akira.

Ein belustigtes Schnauben hallte daraufhin durch den Verkaufsraum und Akira zog ihre Mundwinkel etwas hoch. „Gut kombiniert. Wobei man meinen sollte, dass dies wohl die logische Schlussfolgerung ist, wenn die Ladenbesitzerin – wie schon gesagt – meine Großmutter ist", erwiderte die Brünette etwas keck und versuchte nicht einmal, ihr Schmunzeln oder ihr Amüsement zu verbergen. „Wie auch immer, jetzt bin ich an der Reihe. Was führt dich wohl an diesem Morgen hierher, Midorima?", stellte sie ihm nun die Gegenfrage, wobei sie den Oberschüler abschätzend musterte. Scheinbar war sie ihm gegenüber wohl etwas zu frech gewesen, denn er rückte seine Brille zurecht, schaute mit kaltem Blick zu ihr hinab und antwortete schlicht: „Ist das nicht offensichtlich?", in einer ähnlichen Attitüde, wie sie mit ihm gesprochen hatte. „Schlagfertiger als angenommen", kommentierte sie sein Verhalten daraufhin belustigt.

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