Kapitel 33 - Voranschreiten

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In dem Zimmer, das die Oberschüler in der Herberge bezogen hatten, herrschte eine Lautstärke sondergleichen. Denn gleich würden sie etwas zu Gesicht bekommen, dass sie niemals erwartet hätten und noch spekulierten einige, wie genau es dazu gekommen war. „Schnauze jetzt!", rief Yūya so laut, wie es seine Stimmte noch zuließ. Er hatte die Aufmerksamkeit seines Teams, na wundervoll! „Wie ihr sicherlich mitbekommen habt, habe ich eine Wette mit mir selbst abgeschlossen, von der ich absolut sicher war, dass ich sie gewinnen würde", es wäre schön, wenn Midorima an dieser Aussage auch nur ein bisschen Anstoß finden würde, „aber letztlich habe ich das nicht. Als euer Kapitän repräsentiere ich das Team und darf mir deshalb nicht nachsagen lassen, dass ich ehrlos handeln würde. Deshalb muss ich meine Wettschulden begleichen." Für das zuschauende Team war das umso lustiger, da Yūyas Stimme ohnehin schon fast verloren war und für das Begleichen seiner Wettschuld würde der Rest vermutlich auch noch hopsgehen.

„Eine tolle Rede, Kapitän", erwiderte Takao begeistert, woraufhin dieser mit den Blicken von Miyaji fast erdolcht wurde. Yūya griff nach der Chilischote, für die Takagi extra noch zu dem Konbini gelaufen war, der etwa einen halben Kilometer von hier entfernt lag. „Auf Yoshida Akira, die Menschen offensichtlich nicht nur mit ihren Gemälden die Sprache verschlagen kann", sprach der Kapitän, ehe er in schnellen Bissen die Chilischote zerkaute und herunterschluckte. Dass der Geschmack nicht sonderlich prickelnd war, hatten die Oberschüler ihm sofort an seiner Miene angesehen. Allerdings fing die Schärfe des kleinen Nachtschattengewächses erst nach einem kurzen Moment an, sich vollends zu entfalten. Zuerst hatte Miyaji Schluckauf bekommen, der unmittelbar von Husten gepaart wurde. Das brennende Gefühl in seinem Hals fühlte sich dadurch nur noch schlimmer an, was ihm schließlich sogar Tränen in die Augen trieb.

Niemand wagte es laut zu lachen, während ihr Kapitän hustend vor sich hin litt und ein Glas Milch nach dem anderen trank. Doch ein wenig amüsiert waren sie alle. Besonders Shintarō, denn sein Geheimnis – wenn man dies als solches bezeichnen konnte – war nun gelüftet, ihm wurden keine weiteren, nervigen Fragen gestellt und obendrein stand Miyaji nur einen Schritt davor, Feuer zu spucken. Wie könnte man so einen Abend denn nicht genießen?

„Aber ich muss ja sagen... Dass er es durchgezogen hat, ist schon stark. Immerhin steht unser Kapitän zu seinem Wort." Ja, wenn er nicht gerade ein hustendes, innerlich verbrennendes Häufchen Elend war, konnte man über Miyaji Yūya einiges sagen, aber nicht, dass er nicht zu seinem Wort stand. Noch bevor ihr zweites Schuljahr begonnen hatte, als er bereits zum neuen Kapitän ernannt worden war, hatte er behauptet, dass er seinem Bruder in nichts mehr nachstehen würde. Darüber hinaus würde er das neue Team erfolgreicher machen, als die Shūtoku es noch zu Kapitän Ōtsubos Zeiten war. Und Yūya arbeitete wirklich härter als sein Bruder Kiyoshi, um das Team immer wieder – wenngleich auf ruppige Weise – zu motivieren und zu Höchstleistungen anzuspornen. Er war bewundernswert. Ungehobelt, aber bewundernswert.

„So, ihr Säcke. Schön, dass ihr das alle", er hustete erneut, „genossen habt. Morgen werdet ihr das alle dreifach zurückbekommen... Ich rede jetzt mit Trainer Nakatani und wenn ich zurück bin, schlafen wir alle!", sprach Yūya, ehe er die Schiebetür aufschob und hinter sich wieder schloss. Keiner zweifelte daran, dass sie dafür morgen beim Training härter gequält werden würden, doch der Anblick von Miyaji war es trotzdem wert gewesen.

„Ach, ihr könnt sagen, was ihr wollt, irgendwie sind Trainingscamps auch eine Art von Urlaub. Und sie sind immer aufregend", sprach Takao, während er sich rücklings auf seinem Futon niederließ. „Wenn ich nur daran denke, wie es letztes Jahr mit der Seirin war", führte der Schwarzhaarige weiter aus. „Mein Bruder erzählte mir, dass sich beide Teams hier zufällig getroffen haben und ihr euer Training dann zusammengelegt habt", erwiderte Shōta, der kleine Bruder von Shinsuke und einer der drei Erstklässler, die auf der Bank saßen.

„Ja, das ist richtig. Die Seirin ist ja eine recht neue Schule. Das war vermutlich ihr erstes Trainingscamp und sie haben zufällig den gleichen Ort ausgewählt – sie scheinen dieses Jahr allerdings woanders hingefahren zu sein", erwiderte Maruyama, der als Drittklässler und Spieler auf der Bank schon im vergangenen Jahr dabei gewesen war. Schließlich war er der Ersatzmann für Shintarō. Er fuhr sich durch sein längeres, schwarzes Haar, während er an die Zeit zurückdachte. „Dafür, dass sie den Winter Cup gewonnen haben, waren sie während des Trainings nicht einmal sonderlich gut. Wir haben sie regelrecht fertig gemacht." Das war den Zweit- und Drittklässlern allen in Erinnerungen geblieben.

Shintarō hörte dem Erzählen von Anekdoten nur noch halb zu, stattdessen blickte er mit zusammengezogenen Augenbrauen auf sein Handy. Er hatte eine Nachricht von Akira bekommen, die sie vor etwa einer Dreiviertelstunde verschickt hatte:

»Du erinnerst dich, dass ich heute zu meinen Eltern wollte? Ich war da und es ist in einer Katastrophe geendet. Ich habe mit ihnen gebrochen und weiß nicht, ob es die richtige Entscheidung war. Es tut mir leid, dass ich vielleicht die Harmonie deines Trainings störe, doch ich weiß gerade nicht, was ich tun soll. Ich bin ratlos.«

Fast schon automatisch hatte er sich von seinem Futon erhoben und war in Richtung Tür gegangen. „Wo gehst du hin, Shin-chan? Ein kleines Telefon-Da..." Kazunari hatte sich selbst unterbrochen, als er den finsteren und ernsten Ausdruck in Shintarōs Gesicht gesehen hatte. Da hatte er wohl den falschen Moment zum Spaßen erwischt...

Shintarō ließ sich davon nicht aufhalten und ging nach draußen; nicht nur aus dem Zimmer, sondern auch aus der Unterkunft und suchte sich ein ruhiges Plätzchen in dem künstlich angelegten Garten des Grundstückes. Er hatte Akiras Nummer gewählt, doch sie ging nicht heran, weshalb er ihr eine Nachricht schrieb:

»Bist du physisch unversehrt? Ich habe Zeit. Ruf mich zurück.«

Er hielt seine Frage nicht für übertrieben. Wenn Akira, die ja wohl die Ruhe selbst war, eine Situation für eine Katastrophe befand, dann war diese Situation auch eine Katastrophe. Obendrein hatte sie geschrieben, dass sie ratlos war und mit ihren Eltern gebrochen hatte... Wer konnte also schon wissen, was genau vor sich gefallen war? Außer, dass sie einen Streit hinter sich hatte...

In aller Regel machte sich Shintarō nur selten Sorgen. Doch jetzt, in diesem Moment, spürte er dieses flaue und unangenehme Gefühl in seinem Magen aufkommen. In solchen Augenblicken war es zumeist Akira, die sich um einen kümmerte und die Sorgen anderer besänftigte... Jetzt hatte er wohl keine Wahl und musste diese Rolle für sie übernehmen. Er glaubte nicht, dass er dem ansatzweise gerecht wurde, doch er wollte es versuchen.

Es dauerte fast zehn Minuten, da fing sein Handy an zu vibrieren und Akiras Name tauchte auf dem Display auf. Na endlich, dachte er sich und drückte auf den grünen Hörer. Nie hätte er gedacht, dass zehn Minuten seines Lebens so lang andauern könnten. Außer vielleicht in einigen Basketballspielen, die er beschritten hatte... Aber das war nebensächlich! „Akira?", fragte er nach ihr und nachdem er ein kurzes Rauschen gehört hatte, antwortete sie: „Ja, ich bin hier. Entschuldige, ich war noch auf dem Weg nach Hause. Der Verkehr war furchtbar", hörte er sie mit rauer Stimme erklären. „Weinst du?", fragte er ungläubig, da er diese Stimmlage von ihr noch nie zuvor gehört hatte. „Jetzt gerade nicht mehr", war ihre knappe Antwort.

Shintarō wusste im ersten Moment gar nicht, wie er reagieren sollte. Er konnte sich daran erinnern, dass sich Akira einmal kräftig ihre Tränen hatte wegblinzeln müssen, als sie sich in Shibuya mit ihrem Kaffee verbrüht hatte. Doch das waren Tränen gewesen, die aus physischen Schmerzen resultiert waren, nicht aus emotionalem Schmerz. „Bist du unversehrt?", wiederholte er seine Frage aus der Nachricht und wollte sich damit vergewissern, dass es ihr zumindest aus körperlicher Sicht gutging. „Ja, ich bin unversehrt", antwortete sie ihm, gefolgt von einem leisen Schniefen. Akira mochte es nicht, zu weinen – nun gut, wer mochte das auch schon – doch in ihrem Fall missfiel es ihr einfach, dass die Last ihres Herzens zur Last anderer wurde. Sie wollte lieber lächeln und strahlen und andere damit glücklich machen.

„Du bist also zu Hause und unversehrt, gut. Sitzt zu gerade? Du solltest dich hinsetzen", sprach Shintarō mit geschlossenen Augen und fasste sich an die Stirn, während er versuchte, sich zu konzentrieren. „Ich sitze auf meinem Bett, ja." Ah, das erklärte vermutlich das Rauschen, welches er kurz zuvor noch vernommen hatte. Wenngleich sie es nicht sehen konnte, nickte Shintarō langsam. „Erzähl mir, was passiert ist", forderte er sie dann auf. Egal, wie lange es auch dauern mochte... In den meisten Fällen ging es einem besser, wenn man sich sein Leid von der Seele redete. Dass er mit seiner Abwesenheit unter Umständen Miyaji womöglich auf die Palme brachte, musste er für Akira hinnehmen.

„Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll", gestand sie ihm ruhig, aber auch zögerlich. Er hörte sie tief durchatmen und durch die Stille war ihm bewusst, dass sie nach den richtigen Worten suchte. „Du wolltest zu deinen Eltern... Und deiner Mutter nachträglich zum Geburtstag gratulieren, richtig?", fragte er sie, um ihr einen Ansatz zu geben. Er legte seine freie Hand an den Ellenbogen des Arms, mit welchem er telefonierte und wartete geduldig auf ihre Antwort.

„Ja... Ich bin nach meinen Vorlesungen in der Universität direkt nach Toshima gefahren. Zunächst war alles in Ordnung, aber dann...", sie musste überlegen, wie sie das richtig in Worte fasste... Zumal Shintarō vielleicht auch nicht den Grund verstand, warum sie so gehandelt hatte... Deshalb musste sie ihm gegenüber zunächst einmal den Zwist ihrer Familie tiefer aufrollen, als sie es jemals zuvor getan hatte. Zu berichten, dass ihre Eltern nie stolz auf sie gewesen waren und wie sie sich all die Jahre bemüht hatte, um genau das zu erreichen...das war hart. Und bis zu einem gewissen Grad auch beschämend. Niemand wollte das Kind einer Familie sein, das in den Augen der Eltern nicht das geworden war, was es werden sollte. Doch nur so konnte er ansatzweise begreifen, wie sie sich dabei fühlte, zu erfahren, dass ihre Eltern niemals stolz empfunden hätten, ganz gleich welchen Weg sie eingeschlagen hätte. Es lag nicht daran, dass sie diese beiden Menschen nicht für Kunst begeistern konnte... Es lag daran, dass sie es Akira missgönnten, sich selbst zu verwirklichen und dabei erfolgreich zu sein.

Ferner tat es weh zu wissen, dass sie die Sorte von Eltern hatte, die ihr Kind für ihre Lebensprobleme verantwortlich machten. Als hätte sie die Entscheidung für ihre Eltern getroffen, ihr Leben von fortan für das eines anderen, für das ihres Kindes, aufzuopfern.

Ganz zu schweigen davon, dass sich all ihre Bemühungen in den vergangenen Jahren als vergebens offenbarten. Letztendlich war ihre Familie dennoch auseinandergebrochen. Akira wusste nicht, ob es einen Weg gegeben hätte, das zu verhindern... Doch allein mit der Tatsache leben zu müssen, dass es für sie in Toshima kein Elternhaus mehr gab, zu welchem sie zurückkehren konnte – aus welchen Gründen auch immer – war beängstigend. Trotz allem war sie eine neunzehnjährige, noch nicht einmal volljährige Studentin.

Shintarō hatte ihr zugehört, mit jedem einzelnen Wort. Es war zwar nicht immer einfach gewesen, ihr zu folgen, da sie in ihrer emotionalen Unruhe oftmals in ihrer Erzählung gesprungen war, doch letztlich hatte er sie verstehen können. Ihm war es zwar unmöglich ihren Schmerz nachzuempfinden, doch er konnte die tiefe Traurigkeit, in welcher sie sich gerade befand, förmlich spüren. Dass sie einander jenseits von Worten verstanden, galt nicht nur für Akira, die ihm zur Seite stand.

„Ich hoffe, du bekommst keine Probleme meinetwegen... Es tut mir wirklich leid, dich während deines Trainingscamps damit belastet zu haben", seufzte Akira und ließ sich rücklings in ihr Bett fallen. Sie war erschöpft... Von dem Stress, von dem Streit und von dem Weinen. Wobei sie letzteres noch vor dem Telefonat wieder eingestellt hatte. „Du bist eine Idiotin", hörte sie Shintarō sagen, sehr zu ihrer Verwunderung. „Bitte?", fragte sie noch immer ungläubig. Hatte Shintarō sie je beleidigt? Ob nun aus Spaß, oder nicht? „Ob du es glaubst oder nicht, dein Wohlergehen ist mir wichtiger, als Miyajis Zufriedenheit."

Akira musste daraufhin leicht lachen. „Das solltest du ihn nicht hören lassen, sonst hagelt es wieder Basketbälle." Die Zielgenauigkeit des Kapitäns wurde in Momenten, in denen er auf seine eigenen Teamkameraden wütend wurde, immer unheimlich genau. Man könnte fast meinen, aus ihm wäre beinahe ein Shooting Guard geworden. „Geht es dir besser?", fragte Shintarō, nachdem er sie lachen gehört hatte. Sogar seine Mundwinkel hatten ein wenig gezuckt. „Durchaus. Hab vielen Dank", erwiderte sie und blickte an ihre Zimmerdecke. Sie wünschte, Shintarō könnte bei ihr sein. Doch dieser hatte noch nicht einmal einen ganzen Tag seines Trainingscamps hinter sich gebracht. Abgesehen davon wollte sie wirklich nicht, dass er in Schwierigkeiten geriet, weshalb sie das Telefonat allmählich beenden wollte.

„Ich danke dir im Übrigen für das Bild, das du mir geschickt hast. Ich schicke dir ein Foto, sobald das Gemälde fertig ist, das ich malen möchte." Sich dem Malen hinzugeben, wäre zudem eine wundervolle Möglichkeit, wieder an fröhlichere Dinge zu denken und sich diesen zu widmen. „Ich freue mich darauf", antwortete Shintarō etwas monoton, doch Akira wusste mittlerweile, dass das einfach seine Art war.

„Dann wünsche ich dir eine gute Nacht, Shintarō. Viel Erfolg bei deinem Training", sprach sie mittlerweile wieder in einem ruhigen Ton. „Gute Nacht, Akira. Bis dann", verabschiedete sich der Oberschüler, ehe er sein grünes Handy von seinem Ohr nahm und auf den roten Hörer drückte. Was für ein Chaos... Das würde sicherlich noch eine Weile an Akira nagen, da war er sich sicher... Doch morgen würde bereits ein neuer Tag beginnen. Ein Tag, dem sie vielleicht wieder etwas positiver und auch befreiter entgegenblickte.

Er für seinen Teil ging zurück in die Unterkunft, wo er gerade Yūya über den Weg lief. Sein Horoskop hatte zwar angekündigt, dass er heute dem einen oder anderen Konflikt ins Auge blicken würde, doch das war mittlerweile kein Konflikt mehr, sondern Krieg. „Ein Telefonat mit der besseren Hälfte gehabt?", fragte Yūya, dessen Heiserkeit sich wirklich nur noch verschlimmerte. Shintarō wusste, dass sein Kapitän angepisst darauf reagieren würde, egal, was er antworten würde. Deshalb entschied er sich einfach, mit der Wahrheit zu gehen und zu nicken. „Tch." Miyaji ging an ihm vorbei und betrat zuerst das Zimmer, sehr zu Shintarōs erstaunen. Scheinbar hatte die Tatsache, dass Akira seine Freundin war, eine kleine Narbe im Ego des Kapitäns hinterlassen. Das, oder sein Übermut und die Konsequenzen, die daraus resultiert waren, hatten ihn für diesen Abend etwas gezähmt.

In jedem Fall würde er sich sicherlich nicht beschweren. Er folgte Yūya in das Zimmer hinein und legte sich dann endlich auf dem Futon nieder. Einige seiner Klubmitglieder hatten sich bereits hingelegt, andere hatten noch leise miteinander gesprochen... Ein Blick zur Seite verriet ihm, dass Takao zu jenen zählte, die bereits im Land der Träume waren. Wenn er so recht überlegte, dann hatte sich der Schwarzhaarige heute aber auch mächtig ins Zeug gelegt. Dass sie alle so viel Schlaf wie möglich bekamen, um die nächsten Tage auch weiterhin so hart zu trainieren, war sicherlich keine so schlechte Entscheidung, weshalb sich Shintarō ebenfalls schlafen legte.

Er sollte auch recht behalten, wie ihm am nächsten Tag bewusst wurde. Miyaji hatte seine Drohung vom vergangenen Tag wahr gemacht und sie zum Aufwärmen dieses Mal am Strand laufen lassen. Shintarō würde lügen, würde er behaupten, dass ihm das nichts ausmachte. Der gute Kato beispielsweise hatte währenddessen Rotz und Wasser geheult – aber bis zum Ende hin durchgehalten. Selbst die großen Kraftpakete wie Iwasaki und Takagi hatten ihre Shirts nach kurzer Zeit bereits wie eine zweite Haut an sich kleben gehabt. Selbst Miyaji fand nicht ausreichend Genugtuung im Leid der anderen, um das eigene zu vergessen, weshalb an den weiteren Tagen nicht mehr in diesem Ausmaß am Strand gelaufen wurde.

Was nicht heißen sollte, dass die folgenden Tage des Trainingscamps weniger anspruchsvoll gewesen waren. Nakatani hatte schon gewusst, wie er die Pausen zwischen ihren Trainings so legte, dass sie optimal und so viel wie möglich an sich arbeiten konnten. Und sollte jemand seine Muskeln in einem bestimmten Bereich dennoch übermäßig beansprucht haben, wurde das Training individuell angepasst, um eine Verletzung zu vermeiden und Regeneration zu ermöglichen.

Ihr Zusammenspiel lief durch das Training nun sehr viel besser. Midorima und Takao, die einzigen Stammspieler des letzten Jahres, hatten in den vier Monaten seit Beginn des neuen Schuljahres natürlich schon Harmonie mit den neuen Stammspielern entwickelt. Doch jetzt, wo sie sich mehrere Tage hintereinander allein auf die Grundlagen konzentrieren konnten – und das fing schon beim Zupassen an – wurde ihr gemeinsames Spiel noch einmal um einiges flüssiger. Auch ihre Auswechselspieler und die Erstklässler, die auf der Bank saßen, wurden stärker in das Team integriert als noch im vergangenen Schuljahr. Ein Beispiel dafür war Yuba Ryusaki, ein Zweitklässler, der ebenfalls auf der Position des Centers spielte, von dem begabten Iwasaki jedoch um die Stammposition ausgestochen wurde. Doch Iwasaki hatte leider den kleinen Makel, dass ihm manchmal ziemlich schlecht wurde auf dem Feld. Dass Yuba für ihn einspringen und mit seiner im Vergleich etwas kleineren Figur dennoch durch die richtige Haltung starke Gegner aufhalten konnte, war eine der vielen Schrauben, an welchen sie während des Trainings gedreht hatten.

Alles in allem war es überaus erfolgreich gewesen. Doch so ein Programm forderte natürlich auch seinen Tribut. Die meisten der Oberschüler schliefen während der Rückfahrt im Zug, so erschöpft wie sie waren. Dass sie für eine bestimmte Periode nichts tun mussten, war eine Form der Freiheit, die sie nach zwei Wochen endlich zurückbekamen.

Shintarō war keiner von ihnen, er würde niemals im Zug schlafen. Stattdessen blickte er auf sein Handy und musterte das Bild, das ihm zugesendet worden war. In wunderschönen Nuancen aus Orange, Rot, Rosa und Lila zeigte es den Sonnenuntergang, den er in Kamakura fotografiert hatte. Bei dem Wasser hatte sich Akira etwas mehr Freiheiten erlaubt, so wie sich das Dämmerlicht auf der Meeresoberfläche spiegelte und sich mit den verschiedenen Blautönen des Wassers verwob. An dem Strand waren lediglich schwarze Silhouetten zu sehen und von der Anzahl und den Größenunterschieden her war er überzeugt, dass es sich dabei um seinen Basketballklub handeln musste.

»Ich habe sogar meine Schuhe dafür ausgezogen.«

Die Nachricht Akiras unter dem Bild ließ ihn kurz schmunzeln. Unter diesen Umständen konnte er mit Gewissheit sagen, dass die Kunststudentin ihre Traurigkeit überwunden hatte. Immerhin hatte sie sich mit Leib und Seele ihrem Gemälde widmen können, hatte dafür sogar ihre Schuhe ausgezogen. Wären noch negative Gedanken in ihr, wäre das sicherlich nicht möglich gewesen.

Er freute sich, sie wiederzusehen.
Und das Sommerfest mit ihr zu besuchen.

The Beauty Of BasketWo Geschichten leben. Entdecke jetzt