Kapitel 44 - Das Angebot

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Hayashi Sousuke ging durch seine Wohnung in Shinagawa, die er gegenwärtig Akira zum Wohnen überließ, und betrachtete die Wände dieser. Sie waren mit vielen Gemälden versehen, die er des Öfteren gesehen hatte, aber auch ein paar neue Werke hatten ihren wohlverdienten Platz bekommen. Seine Schülerin musste diese während seiner Abwesenheit gemalt haben, da sie ihm unbekannt und fremdartig vorkamen. Liebend gern hätte er die Zeit seines Besuches damit verbracht, diese Gemälde zu studieren, doch dafür beehrte er Akira nicht mit seiner Anwesenheit. Nicht heute.

„Manchmal frage ich mich, ob Sie es vermissen... Die Möglichkeit, hier zu wohnen, meine ich. Die Lage ist ohne jeden Zweifel herausragend, zudem ist die Wohnung modern und besitzt eine mehr als zufriedenstellende Größe für eine einzelne Person." Akira hatte ihren Meister eine ganze Weile schweigend dabei beobachtet, wie er ihre Gemälde betrachtet hatte. Jetzt aber versuchte sie ein Gespräch anzufangen, um auf das Thema zu kommen, was Herrn Hayashi überhaupt erst hierhergebracht hatte.

„Du kannst mir glauben, dass ich es manchmal vermisse. Lange vor dir habe ich mich an dieser Aussicht erfreut", schmunzelte Sousuke und deutete in Richtung Fensterfront, von welcher man auf Shinagawas Promenade blicken konnte. „Mehr als das erfreut mich jedoch, dass ich dir hiermit helfen konnte. Meine Schülerin brauchte ein Dach über ihrem Kopf; einen Ort, an welchem ihre Genialität wachsen und ihre Kreativität sich frei entfalten konnte. Darüber hinaus ist die Wohnung weder verloren, noch steht sie unnütz leer. Deshalb gab es für mich keinen Grund, meine Entscheidung von damals zu bereuen." Abgesehen davon war sich Sousuke im Klaren, dass seine Schülerin niemals so malen könnte, wie sie es gegenwärtig tat, wäre sie bei ihren Eltern geblieben. Falls dies überhaupt eine Möglichkeit für sie gewesen wäre...

„Sie haben mir mehr geholfen, als Sie sich vielleicht vorstellen können. Herr Hayashi, wäre ich Ihnen nicht begegnet, wäre mein künstlerischer Werdegang höchstwahrscheinlich in der Mittelschule bereits geendet. Man kann nichts vermissen, was man nicht kennt... Doch der Gedanke, dass ich in so einem Falle meiner wahren Berufung nie hätte nachgehen können, stimmt mich dennoch traurig." Diese Gedanken gehörten einer Zukunft an, die nie eingetroffen war. Und gleichwohl Akira beschloss, nicht allzu sehr darüber nachzudenken, erwischte sie sich seit dem gestrigen Abend immer wieder dabei. Sie wusste eben nicht, was für eine Nachricht Herr Hayashi für sie bereithielt – und diese Ungewissheit plagte sie nach wie vor.

„Du liebes Bisschen", entgegnete der ältere Maler und zog eine Augenbraue hoch, ehe er auf dem Sofa im offenen Wohnzimmer Platz nahm. „Meine Bitte um ein kurzfristiges Treffen hat aus dir eine Philosophin gemacht, wie mir scheint. Du hättest dir das wirklich nicht so sehr zu Herzen nehmen sollen. Komm her, ich zeige dir, worum es geht." Er klopfte auf die freie Fläche neben sich, auf die sich Akira kurz darauf setzte.

„Mir ist etwas ausgehändigt worden. Um genau zu sein: das hier", er holte einen Umschlag aus der Innentasche seiner lockeren, dunkelgrünen Jacke und reichte diesen Akira. Etwas verdutzt nahm sie den Brief an und musterte diesen. Als Adressat war ihr Name auf den weißen Umschlag geschrieben worden. Dann ging es bei dieser Angelegenheit gar nicht um ihren Meister, sondern um sie selbst?

„Ich bin über den Inhalt informiert worden, doch was genau da drinnen geschrieben steht, geht natürlich nur dich etwas an", kommentierte Herr Hayashi Akiras Tun, was sich bisher auf das Brechen des Siegels und dem Herausholen des eigentlichen Briefes beschränkte. „Er ist in Englisch geschrieben", merkte sie überrascht an, während ihr Blick über die lateinischen Buchstaben wanderte. „Allerdings. Kannst du ihn lesen oder soll ich dir helfen?", fragte ihr Mentor. Durch seine Auslandsreisen war sein Englisch mittlerweile sehr viel besser, als es für einen durchschnittlichen Japaner gewöhnlich war. Leider war es kein Geheimnis, dass diese durchaus wichtige Sprache in ihrem Land nicht sonderlich gut gelehrt wurde. „Keine Sorge, ich werde ihn lesen können", erwiderte sie, ehe sie sich die ersten Zeilen zu Gemüte führte und dann beschloss, den Brief vorzulesen:

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