Chapter 2

1K 34 3
                                    

Mystic Falls, 1864

"Mal, da bist du ja. Ich habe dich schon vermisst", begrüßte Katherine mich und kam lächelnd auf mich zu.

"Du hast mich vermisst?", wiederholte ich und hob eine Augenbraue. "Dabei warst du doch diejenige, die stundenlang mit den Salvatore-Brüdern spazieren war."

"Ich hatte dir ja angeboten, uns zu begleiten", antwortete meine angebliche Schwester und zuckte grinsend mit den Schultern. "Wir hatten sehr viel Spaß."

"Oh Himmel, bitte erspare mir die Details", seufzte ich, konnte mir aber ein leises Lachen nicht verkneifen. Seit Stefans älterer Bruder Damon vor einiger Zeit nach Hause gekommen war, hatte Katherine beschlossen, dass ihr eine Affäre mit einem Menschen noch nicht genug war und sie gerne noch einen zweiten hätte. Sie spielte wirklich schamlos mit den Gefühlen der beiden, aber viel Mitleid konnte ich nicht mit ihnen haben. Sie waren ja selbst schuld, dass sie sich in die gleiche Frau verliebt hatten. Das einzige, was mir Sorge machte, war, dass mittlerweile beide Brüder wussten, was Katherine in Wirklichkeit war. Und Damon hatte angeblich nicht einmal ein Problem damit, was ich immer noch nicht ganz glauben konnte.

"Hast du sie denn wenigstens manipuliert, nachdem du ihr Blut getrunken hast?", fragte ich, nachdem ich mich kurz umgesehen hatte, um sicher zu gehen, dass uns niemand belauschte. Daran, dass Katherine von ihnen getrunken hatte, zweifelte ich keine Sekunde. Seit wir hier waren, schwärmte sie davon, dass das Blut der Salvatores so viel besser schmeckte als alles andere.

"Stefan natürlich, bei Damon war das aber nicht nötig. Es hat ihm sogar gefallen", meinte Katherine nicht ohne Stolz in ihrer Stimme und ich musste mich zusammenreißen, um nicht meine Augen zu verdrehen.

"Verdammt, Katherine, du musst anfangen, vorsichtiger zu sein! Die Bewohner werden immer mehr darauf aufmerksam, dass hier etwas Ungewöhnliches vor sich geht. Hast du schon vergessen, was Pearl erzählt hat? Sie soll den Menschen hier Eisenkraut verkaufen. Sie kommen uns immer näher, du musst aufpassen, was du tust. Glaubst du wirklich, dass du Damon vertrauen kannst?"

"Ich vertraue ihm nicht, aber ich weiß, dass er verrückt nach mir ist. Er würde nichts tun, was mich in Gefahr bringen könnte", sagte Katherine selbstbewusst und wechselte dann geschickt das Thema. "Wo du es gerade ansprichst, warst du heute wieder bei Pearl?"

Eigentlich hatte ich vor, Katherine noch ein wenig weiter ins Gewissen zu reden, dass sie vorsichtiger sein sollte, immerhin hatte ich das heute noch unserer gemeinsamen Freundin Pearl versprochen. Aber ohne dass ich es verhindern konnte, erschien ein Lächeln auf meinem Gesicht und ich ließ mich von Katherines Frage ablenken - genau so, wie sie es vermutlich geplant hatte. "Ja, war ich. Sie hat übrigens auch noch einmal gesagt, dass du besser aufpassen solltest", versuchte ich halbherzig, das Thema wieder in die richtige Richtung zu lenken.

"Anna war also auch da?", fragte Katherine nur, ohne auf den zweiten Teil meiner Aussage einzugehen.

"Wie kommst du darauf?", antwortete ich mit einer Gegenfrage und strich mir eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. Anna war Pearls Tochter und genauso wie ihre Mutter ein Vampir. Sie war einige Jahrzehnte vor mir verwandelt worden, sah optisch aber dennoch jünger aus als ich selbst. Was jedoch auch viel damit zu tun hatte, dass sie sich in der Öffentlichkeit möglichst jung kleidete, damit Pearl und sie noch einige Jahre in Mystic Falls leben konnten, ohne dass jemand bemerken würde, dass keine der beiden alterte.

"Ganz einfach, dein Lächeln verrät dich", meinte Katherine grinsend. "So siehst du nur aus, wenn du mit Anna gesprochen hast. Weißt du, du solltest sie fragen, ob sie nächste Woche mit dir zum Gründerball gehen möchte."

Ungläubig sah ich Katherine an, als sie das vorschlug und schüttelte den Kopf. "Nein, das kann ich nicht. Auf keinen Fall."

"Wieso denn nicht? Ich weiß, das ist zwar eigentlich nicht üblich, aber ihr habt beide keine männliche Begleitung und ich bin mir sicher, dass niemand das weiter hinterfragen würde. Und wenn doch, könnte ich denjenigen ganz einfach zum Schweigen bringen, das weißt du doch."

Einige Sekunden musterte ich Katherine wortlos, bis mir klar wurde, dass sie das wirklich ernst meinte. Sie wollte tatsächlich, dass ich Anna als meine Begleitung mitnahm und sie würde auch allen Ernstes jeden umbringen, der etwas dagegen einzuwenden hatte. "Das ist wirklich nett, Katherine, aber nein. Ich kann Anna nicht einfach fragen, ich weiß ja nicht einmal, ob sie meine Gefühle auch nur im Ansatz erwidert. Und im Gegensatz zu dir und deinen Salvatore-Brüdern könnte ich sie nicht einfach manipulieren, wenn mir ihre Antwort nicht gefällt."

Sobald ich das Wort "nett" auch nur ausgesprochen hatte, sah Katherine mich überrascht an, als wäre ihr selbst gerade erst klar geworden, dass sie sich tatsächlich nett zu mir verhielt. Wie eine echte Freundin.

"Wie auch immer, du kannst es dir ja jede Zeit noch überlegen. Gute Nacht, Mal", meinte sie und ging dann die Treppe nach oben in ihr Schlafzimmer.

Nachdenklich blickte ich ihr nach und seufzte leise. Wir reisten jetzt bereits seit einigen Jahrzehnten miteinander, aber hatten es immer vermieden, uns dabei allzu nahe zu kommen. Ich genoss ihre Gesellschaft und sie auch meine, aber wir wussten nichts über unsere jeweilige Vergangenheit. Ich wusste nur, dass Katherine Pierce nicht ihr richtiger Name war und sie kannte nicht einmal meinen Nachnamen. Eigentlich gefiel mir das auch ganz gut so. Es gab zu viele Vampire, die den Namen Mikaelson kannten und mit dem wollte ich nicht wirklich in Verbindung gebracht werden. Aber je mehr Zeit ich mit Katherine verbrachte, desto häufiger ertappte ich mich dabei, dass ich meine Vergangenheit, meine Geschichte mit ihr teilen wollte. Und ich wollte auch mehr über sie erfahren: Woher sie kam, wie sie verwandelt wurde, und vor wem sie sich fürchtete, wenn sie immer wieder nach nur wenigen Jahren sagte, dass wir weiterziehen sollten. Sie war ständig auf der Flucht und bisher hatte ich sie dabei ohne Nachfragen begleitet, weil ich einsam war und keine andere Beschäftigung hatte. Aber langsam fing Katherine an, mir ans Herz zu wachsen und ich ihr anscheinend auch. Was bedeutete, dass wir beide eine Entscheidung treffen mussten: Wollten wir weiter befreundet sein und anfangen, ehrlich miteinander zu sein, oder wäre es nicht einfacher, unsere Geheimnisse zu schützen und getrennte Wege zu gehen?

Hidden Past - The Story of Malina MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt