Chapter 47

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Auch wenn ich am Morgen darauf mit Nackenschmerzen aufwachte, war ich entspannt. Nicht nur, weil meine Schmerzen dank meiner Heilkräfte nach nur wenigen Sekunden verschwanden, sondern vor allem, weil ich seit langer Zeit nicht mehr so gut geschlafen hatte. In den nächsten Tagen wurde es zu einer Tradition, dass Katherine und ich abends gemeinsam Fernsehen guckten und ich begann, ihre Anwesenheit tatsächlich nicht mehr so nervig zu finden.

Ich war sogar beinahe enttäuscht, als sich einige Tage später mein Bruder bei mir meldete. „Was ist los, Klaus? Weißt du, wohin unsere Mutter verschwunden ist?"

Er hatte mir versprochen, mich sofort anzurufen, sobald er das wusste, aber leider verneinte er. „Nein, weiß ich nicht. Aber ich weiß, wo Finn ist. Rebekah und ich werden ihn zurück nach Mystic Falls holen. Kommst du mit?"

Einige Sekunden zögerte ich und überlegte. Seit Finn bereit war, beinahe seine gesamte Familie auszulöschen, hatte ich nicht mehr mit ihm gesprochen und hatte es eigentlich auch erst mal dabei belassen wollen. Es sollte mich nicht so sehr wundern, dass er sich verändert hatte, aber dennoch tat es das. Doch es hatte noch weniger Sinn, Klaus und Rebekah alleine zu ihm gehen zu lassen. Beide hatten ihre Wut noch weniger im Griff als ich, und da wäre es sicher besser, wenn ich dort wäre, um es zu vermeiden, dass meine Geschwister sich gegenseitig umbrachten.

„Ja, ich komme mit. Wo ist er?"

„Atlanta. Sag mir, wo du gerade bist, und ich hole dich ab."

„Nicht nötig, wir treffen uns da", antwortete ich nur kurz angebunden und legte schnell auf, bevor Klaus weiter nachfragen konnte.

Katherine, die während meines Telefonats ins Zimmer gekommen und bei Klaus' Stimme wie versteinert stehen geblieben war, atmete kaum merkbar aus und fuhr sich durch ihre lockigen Haare. „Manchmal kann ich es immer noch kaum glauben, dass du mich nicht einfach an Klaus auslieferst", bemerkte sie.

„Tja, ich habe dir versprochen, ihm nichts zu verraten und dich vor ihm zu beschützen, solange du mich hier wohnen lässt und mir alles über Mystic Falls berichtest. Und ich halte meine Versprechen auch, also musst du dir keine Sorgen machen."

„Das erleichtert mich", grinste Katherine leicht und musterte mich dann neugierig. „Du geht also nach Atlanta?"

„Ja, irgendjemand muss ja dafür sorgen, dass niemand Finn umbringt", seufzte ich leise.

„Na dann, viel Glück damit, einen Urvampir und den Urhybriden aufzuhalten."

„Ach, das wird kein Problem für mich. Ich mache mir eher Gedanken darum, was ich tun könnte", antwortete ich grinsend und Katherines Lachen begleitete mich aus der Tür.

„Ich nehme übrigens dein Auto mit, danke!", rief ich über meine Schulter hinweg und hörte nur noch ein erschrockenes „Was?!", bevor ich auch schon einstieg und davonfuhr.

Als ich einige Stunden später in Atlanta ankam, dauerte es nicht lange, bis ich meine Geschwister fand, nicht zuletzt dank einer nützlichen kleinen Sache namens GPS.

Rebekah und Klaus hatten unseren Bruder bereits in eine abgelegene Gasse gelockt und Finn lag auf dem Boden, als ich dazustieß. "Denkt ihr nicht, dass das reicht?", fragte ich, kurz bevor Klaus nach ihm treten konnte.

Dieser drehte sich nur langsam zu mir um und musterte mich, als würde ich gerade versuchen, ihm ein Spielzeug wegzunehmen. Wenn ich einen etwas besseren Selbsterhaltungstrieb gehabt hätte, hätte ich wahrscheinlich meiner aufkommenden Angst nachgegeben und wäre zurückgewichen. So aber lief ich weiter auf die kleine Familienzusammenkunft zu und schenkte Klaus ein strahlendes Lächeln. "Vergiss nicht, dass ihr alle noch verbunden seid. Wenn du ihm aus Versehen das Genick brichst, könnte es gut sein, dass es euch ebenso ergeht und ich möchte wirklich nur ungern mit drei Leichen in dieser Gasse stehen."

Tatsächlich trat Klaus daraufhin einen Schritt zurück und ermöglichte mir so einen besseren Blick auf Finn, der sich langsam aufrichtete, aber mit einem Blick auf Klaus dennoch auf dem Boden blieb und zu mir aufblickte. "Malina, Gott sei dank", meinte er erleichtert. "Du wirst es doch sicher verstehen, dass..."

"Du dich mit der Frau verbündet hast, die mich zu einem Leben in der Hölle verdammt hat, statt zu deinen eigenen Geschwistern zu stehen?", beendete ich seinen Satz und sah kalt in die Augen meines Bruders. "Nein, das verstehe ich ganz sicher nicht."

"Lina, ich... Das hatte nichts mit dir zu tun."

Mein Herz zerbrach beinahe, als ich diesen alten, fast vergessenen Spitznamen aus Finns Mund hörte, aber ich zwang mich, nicht schwach zu werden. Finn hatte versucht, unsere gesamte Familie auszulöschen, ihn selbst eingeschlossen. Meine Mutter und ich wären die einzig Überlebenden gewesen. Das würde ich ihm nicht verzeihen, nur weil er mich mit einem Namen aus unserer Kindheit ansprach.

"Doch, natürlich hatte es mit mir zu tun", widersprach ich also fest und ging vor Finn in die Hocke, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. "Ich weiß, du glaubst immer noch an das Gute in unserer Mutter. Aber sie ist nicht die, die sie vorgibt zu sein. Sie liebt uns nicht. Vielleicht hat sie uns nie wirklich geliebt. Es wird Zeit, dass du das akzeptierst."

"Du irrst dich", flüsterte Finn leise. Ganz offensichtlich wollte er die Wahrheit nicht wahrhaben. "Mutter liebt uns. Genau deshalb will sie ihren Fehler ja wiedergutmachen."

"Okay, offensichtlich kann ich dich nicht davon überzeugen, dass unsere Mutter böse ist. Aber sag mir wenigstens, wieso du dein eigenes Leben aufgeben würdest. Gibt es denn nichts, was dir wichtig genug ist, um weiterzuleben?"

Finn schien zu sehen, wie sehr mich seine Antwort verletzen würde und ich musste ihm zugutehalten, dass er versuchte, es vorsichtig zu umschreiben. Dennoch tat es weh, als er es aussprach: "Nein, gibt es nicht. Versteh mich nicht falsch, ich hätte alles getan, damit du am Leben bleibst. Ich hätte dich auch unfassbar gerne wieder besser kennengelernt, diese Person, die du nach all den Jahren geworden bist. Aber es ist egal, was ich will. Du wirst auch ohne mich klarkommen. Ohne uns alle. Das bist du schon dein ganzes Leben. Wenn unsere Mutter also das nächste Mal versuchen wird, ihren Fehler zu beheben, werde ich mich wieder zur Verfügung stellen."

"Nein, das wirst du nicht", schaltete sich Klaus wieder ein. "Du wirst uns nach Mystic Falls begleiten, und dort werden wir diese Verbindung zwischen uns aufheben. Danach kannst du dich umbringen, wenn du es denn so dringend willst, oder du beschließt, der einzigen Person unserer Familie, der noch etwas an dir liegt, einen Gefallen zu tun, und am Leben zu bleiben. Deine Entscheidung."

"Ich werde nicht mit euch nach Mystic Falls gehen", widersprach Finn und stand auf.

Ich tat es ihm gleich und streckte dabei einen Arm aus, um Klaus aufzuhalten, als er auf uns zugehen wollte. "Denk dran, ich will keine drei Leichen nach Mystic Falls schleppen", meinte ich nur kurz zu ihm, bevor ich mich wieder an Finn wandte. "Wir werden dich nicht mit Gewalt nach Mystic Falls bringen..."

"Nicht?", fragte Rebekah überrascht nach und ich warf ihr einen scharfen Blick zu.

"Nein, werden wir nicht. Finn wird nämlich freiwillig mitkommen. Nicht für sich, oder für uns, sondern für seine einzig wahre Liebe." Klaus musterte mich überrascht. Kein Wunder, er war nicht derjenige gewesen, der mir erzählt hatte, dass Sage - Finns erste große Liebe - in Mystic Falls war und nach ihm suchte. Das hatte ich von Katherine und ihrem Informantennetzwerk erfahren. Aber wichtig war eh nur, dass ich es jetzt wusste.

"Was redest du da?", flüsterte Finn leise und als ich meinem Bruder in die Augen blickte, wusste ich, dass ich ihn überzeugt hatte. Er würde mit uns kommen und er würde die Verbindung zu unseren Geschwistern trennen lassen. Alles nur für eine Frau. Die er mehr liebte als sich selbst, als seine Familie, als jeden sonst.

"Sage ist in Mystic Falls", sprach ich es leise aus. "Und sie wartet auf dich."

Hidden Past - The Story of Malina MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt