Chapter 43

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"Ich sage dir, du hättest dieses schwarze Shirt nicht liegen lassen sollen", meinte Katherine kurz darauf, während ich zwei weitere Einkaufstüten in ihren Kofferraum schmiss.

"Shirt?", wiederholte ich fragend und lachte ungläubig. "Das, was du ein Shirt nennst, nenne ich einen Lumpen. Selbst wenn man davon absieht, dass der Ausschnitt mir fast bis zum Bauchnabel gereicht hat, das Teil war durchsichtig. Ich habe schon Prostituierte gesehen, die mehr Kleidung anhatten als das."

"Klar, aber das war ja auch im 19. Jahrhundert", konterte die Doppelgängerin grinsend. "Heute sieht man das ganze so viel lockerer. Und es passte gut zu dir."

Langsam trat ich einen Schritt auf Katherine zu und sah sie ernst an. "Willst du damit sagen, dass ich aussehe wie eine Prostituierte?", flüsterte ich bedrohlich leise.

Katherine wich keinen Zentimeter zurück, doch ich konnte hören, wie ihr Herz schneller schlug und beobachtete, wie ihr Grinsen verschwand. "Nein, natürlich nicht. Im Gegenteil. Ich wollte nur sagen, dass du eine gute Figur hast und das auch ruhig zeigen kannst. Das Shirt stand dir, du konntest es gut tragen. Das ist alles."

Fest sah ich Katherine in die Augen, konnte meine Fassade dann aber nicht mehr aufrecht halten und fing laut an zu lachen. Überrascht blinzelte Katherine und ihre Augen weiteten sich, als es ihr klar wurde. "Du hast mich reingelegt!", stellte sie ungläubig fest.

"Ich hätte ehrlich gesagt gedacht, dass es mehr braucht, um die große Katherine Pierce reinzulegen", antwortete ich lachend und zwinkerte ihr zu, während ich den Kofferraum wieder schloss. "Also, ich glaube, das sind erst einmal genug Klamotten. Fahren wir wieder zurück?" Beinahe hätte ich 'nach Hause' gesagt, konnte mich aber gerade noch davon abhalten. Ich wohnte jetzt zwar mit Katherine in einem Haus, aber das auch ein Zuhause zu nennen, kam mir dann doch zu absurd vor.

"Fahr du doch", antwortete Katherine mir und warf mir den Autoschlüssel zu, den ich unwillkürlich auffing. Trotzdem warf ich ihr über das Auto hinweg einen giftigen Blick zu. "Ich kann nicht Auto fahren, das weißt du genau."

"Du lebst jetzt seit mehr als zehn Monaten in der modernen Welt. Langsam wird es Zeit, dich ihr anzupassen, oder nicht?"

"Ich bin bisher auch gut so klargekommen", erwiderte ich stur und verschränkte meine Arme.

"Ach komm schon, jeder pickelige Teenager hier kann Autofahren, also siehst du, dass es nicht schwer ist. Und auch wenn du als Vampir schneller bist, ist das auf Dauer anstrengend. Im Auto hingegen nicht. Das ist eine der besten Erfindungen der Menschen, also los." Einige Sekunden sah die Doppelgängerin mich nachdenklich an. "Oder hast du etwa Angst?"

"Ich habe keine Angst", sagte ich abschätzend, blickte dann aber skeptisch zu ihrem Auto. "Ich habe nur nicht besonders viel Vertrauen in eine Maschine, die von Menschen gebaut wurde."

"Als die ersten Automobile sich verbreitet haben, war es Frauen nicht erlaubt, sie zu fahren", erzählte Katherine plötzlich. "Wusstest du das? Ich habe mich natürlich nicht für die Gesetze irgendwelcher menschlichen Männer interessiert und war eine der ersten, die ein eigenes Auto besaß. Auch heute dürfen Frauen das nicht überall. Und sogar hier sieht es gar nicht so anders aus als wie vor Jahrzehnten. Keine dreißig Meilen von hier entfernt liegt eine kleine Stadt, in der eine Frau selbst heute noch nur Autofahren darf, wenn ihr Mann vorne her läuft und eine rote Fahne schwenkt. Es gibt die absurdesten Gesetze, um uns davon abzuhalten, eigenständig zu werden. Also, wirst du dich jetzt in dieses Auto setzen und fahren lernen oder wirst du dich an die Regeln dieser menschlichen Arschlöcher halten?"

Seufzend verdrehte ich die Augen, öffnete aber die Fahrertür und setzte mich ins Auto. "Ist ja schon gut", murmelte ich. "Aber beschwer dich nicht bei mir, wenn ich einen Unfall baue."

Zufrieden stieg Katherine auf der Beifahrerseite an und schloss die Tür. "Selbst wenn du einen Unfall baust, wir sind unsterblich und das Auto kann ich jederzeit neu kaufen."

"Du hattest mich übrigens schon überzeugt, als du behauptet hast, dass ich Angst hätte", bemerkte ich. Auch wenn sie mit der Beobachtung nicht ganz falsch gelegen hatte, würde ich so eine Behauptung nicht einfach auf mir sitzen lassen. "Du hättest es dir sparen können, dir irgendwelche Gesetze auszudenken."

"Gut zu wissen, aber ich habe mir die nicht ausgedacht. Die Stadt heißt Waynesboro und dieses Gesetz gibt es wirklich. Ich habe es schon immer gesagt, die Dummheit der Menschen ist grenzenlos", antwortete Katherine grinsend, aber bevor ich das ganz realisieren konnte, begann sie bereits, mir zu erklären, was ich tun sollte. "Also gut, fangen wir mit den Grundlagen an. Siehst du die Pedale da unten? Mit dem da bremst du, und mit dem anderen gibst du Gas."

"Gas geben?", wiederholte ich fragend.

"Schneller werden. Damit kommst du voran. Mit dem Lenkrad hier kannst du steuern, wohin wir fahren, das ist relativ selbsterklärend. Das wichtigste ist dieser Hebel hier in der Mitte. Den kannst du auf verschiedene Positionen stellen, siehst du? Im Moment steht er auf P, wie für Parken. Wenn du das Auto anmachen willst, musst du ihn auf N wie Neutral stellen, die Bremse drücken und dabei den Schlüssel drehen. Genau so."

Katherine griff nach meiner Hand, um mir zu zeigen, in welche Richtung ich den Schlüssel drehen musste und kurz darauf ging der Motor des Autos tatsächlich an.

"Perfekt. Dieses R hier steht für Rückwärts, damit kannst du nur sehr langsam nach hinten fahren. Wir wollen aber direkt geradeaus fahren, also brauchen wir das D. Gut, und wenn du jetzt die Bremse loslässt, fahren wir schon los, und du musst nur noch Gas geben, um schneller zu werden."

Vorsichtig nahm ich meinen Fuß von der Bremse und grinste überrascht, als sich das Auto in Bewegung setzte. "Es fühlt sich viel schneller an, wenn man selber hier sitzt", stellte ich fest. Ich hatte das Gefühl, dass ich auf so vieles achten musste. Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht, wenn ich mit Katherine oder jemand anderem mitgefahren bin. Bei ihnen sah es immer so aus, als ob sie das ganz nebenbei machen.

"Mach dir keine Sorge, du gewöhnst dich schnell daran. Fahr hier vom Parkplatz runter. Den Weg zurück kriegst du hin, ich leite dich."

Hidden Past - The Story of Malina MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt