Chapter 24

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Tief atmete ich durch, um zu verhindern, dass ich meinen Bruder noch einmal schlug. Das hätte mir schon beim ersten Mal nicht passieren sollen, ich musste meine Emotionen wieder mehr unter Kontrolle kriegen. Aber das fiel mir wirklich schwer, wenn Elijah mir erzählte, dass er es nicht geschafft hatte, die eine Sache zu tun, die er tun sollte. Und ich Idiotin hatte ihn auch noch vor Stefan verteidigt. Ich war mir so sicher gewesen, dass er uns nicht im Stich lassen würde.

"Wieso?", fragte ich betont ruhig nach. Ich wollte nicht gleich ausrasten, ohne seine Beweggründe zu kennen. Eigentlich wollte ich überhaupt nicht mehr ausrasten heute.

"Er hat unsere Geschwister nicht im Meer versenkt", erklärte Elijah mir leise. "Sie sind immer noch bei ihm, nur er weiß, wo er sie versteckt hält. Und er hat mir versprochen, mich zu ihnen zu bringen."

"Und du glaubst ihm das?", fragte ich skeptisch nach. Wenn Klaus tatsächlich so kurz vor dem Tod gestanden hatte, hätte er vermutlich alles gesagt, um nicht wirklich zu sterben.

"Ja, ich glaube ihm. Ich weiß nicht, ob er auch sein Versprechen einhalten wird, aber ich werde nicht eher aufgeben, bis er es tut. Ich hatte keine Wahl, Klaus war der einzige Weg, unsere Geschwister je wiederzusehen."

Leise seufzte ich auf und nickte dann. "Ich verstehe, warum du ihn nicht umgebracht hast. Und ich bin dir auch nicht böse deswegen. Aber die anderen werden sicherlich nicht so verständnisvoll reagieren wie ich. Du solltest dich wohl eine Weile aus Mystic Falls fernhalten."

Nachdenklich musterte Elijah mich. "Ja, da hast du recht. Ich sollte eh die Spuren von Niklaus verwischen, während er noch in seiner Wolfsform ist. Aber was ist mit dir? Wirst du hier in Mystic Falls bleiben?"

"Ja", antwortete ich, ohne groß überlegen zu müssen. "Ich habe keine große Lust, mich von Klaus in seiner Werwolfgestalt beißen zu lassen. Du könntest so etwas ja vielleicht überleben, aber ich nicht. Melde dich einfach zwischendurch bei mir, ja? Spätestens, wenn du weißt, wo unsere Geschwister sind. Vielleicht überlege ich es mir ja dann doch noch einmal und stelle mich ihnen vor."

"Das werde ich", versprach Elijah mir und sah dann aus dem Fenster, wo die Sonne bereits langsam aufging. "Ich sollte losgehen und Niklaus finden, bevor er sich zurückverwandelt. Du kannst ruhig hier wohnen, während wir weg sind, Klaus wird sicher nicht so schnell hierher zurückkehren wollen, also musst du mit keinem überraschenden Hybridenbesuch rechnen."

"Okay. Danke", antwortete ich und beschloss aus einem spontanen Impuls heraus, Elijah zum Abschied zu umarmen. "Wir sehen uns. Und pass auf dich auf."

"Das werde ich, versprochen", sagte Elijah leicht lächelnd und war nur kurz darauf im Wald verschwunden.

Eine Weile sah ich ihm hinterher, bis ich beschloss, mir das Anwesen genauer anzusehen. Es war riesig und man sah, dass hier eine ganze Zeit lang niemand gewohnt hatte. Elijah hatte während seiner Zeit hier nur das Nötigste saubergemacht und die meisten Möbel waren noch in große, weiße Tücher verpackt, um sie vor der Sonne zu schützen. Ich beschloss, mir nicht die Arbeit zu machen, sie auszupacken, immerhin brauchte ich eh nicht mehr als ein Schlafzimmer, ein Bad und vielleicht die Küche. Und die waren dank Elijah bereits vollkommen bewohnbar. Erschöpft ließ ich mich ins Bett fallen, konnte die Ruhe aber kaum genießen.

Ich hatte höchstens eine Stunde geschlafen, als ich davon geweckt wurde, wie jemand durchs Haus lief und dann direkt in mein Zimmer stürmte. "Damon!", rief ich erschrocken, als ich den Vampir vor mir erkannte. "Was machst du hier?"

"Wo ist dieser Bastard von einem Urvampir?", verlangte er zu wissen und ich verdrehte bei seinem Tonfall die Augen. Er klang so, als könnte er Elijah gerade umbringen, und ich konnte verstehen, weshalb er wütend war, aber sich mit einem Urvampir anzulegen, war trotzdem eine dämliche Idee. Damon konnte sich glücklich schätzen, dass Elijah nicht hier war.

"Er ist nicht hier. Ich schätze, dass er mit Klaus unterwegs ist und glückliche Familie spielt."

Erst jetzt schien Damon zu bemerken, dass ich in Elijahs Zimmer war und in seinem Bett geschlafen hatte, sodass er mich misstrauisch ansah. "Was weißt du? Woher weißt du, dass Klaus noch lebt? Du bist gegangen, bevor ich es allen erzählt habe."

In Gedanken verfluchte ich mich für mein loses Mundwerk und beschloss, nah bei der Wahrheit zu bleiben, um mich nicht noch aus Versehen zu verraten. "Elijah war hier", gab ich also zu. "Er hat mir erzählt, was passiert ist. Dass er Klaus nicht umbringen konnte, weil er der einzige Weg zu seinen Geschwistern war. Und dann ist er verschwunden, um Klaus dazu zu bringen, ihn zu seiner Familie zu bringen. So schnell werden wir wohl keinen der beiden wiedersehen."

Langsam ging Damon einen Schritt auf mich zu, aber ich weigerte mich, auch nur einen Zentimeter vor ihm zurückzuweichen und blieb reglos im Bett sitzen. "Und was machst du hier? In Elijahs Bett? Hast du etwa mit ihm geschlafen?"

"Igitt, nein!", rief ich aus und verzog mein Gesicht, ohne darüber nachzudenken. Der Gedanke war einfach zu widerlich.

"Tu doch nicht so. Elena hat mir erzählt, dass ihr eine ganze Zeit allein wart und euch anscheinend ziemlich gut verstanden habt. Laut Stefan hast du ihn sogar verteidigt. Also sei ehrlich, hast du dich in ihn verliebt?"

Fassungslos sah ich Damon an und brach dann in Lachen aus. "Nein, Damon, auf gar keinen Fall. Das ist das absurdeste, das ich je gehört habe."

"Wieso?"

Kurz überlegte ich, platzte dann einfach mit der einzigen Erklärung heraus, die Sinn machte. "Weil ich lesbisch bin. Klar, ich habe mich gut mit Elijah verstanden, aber wir sind ja auch beide uralt. Ich treffe nicht häufig Vampire in meinem Alter oder älter, da war es schön, sich mal auszutauschen, aber mehr auch nicht."

"Oh." Überrascht sah Damon mich an, verarbeitete mein Outing aber überraschend schnell und kam wieder auf sein eigentliches Thema zurück. "Aber du mochtest ihn. Und Elijah hat uns hintergangen, also werde ich dich jetzt nur einmal fragen und dich dann damit in Ruhe lassen: Wusstest du, was er vorhatte?"

"Nein", antwortete ich und blickte fest in Damons Augen. "Ich hatte keine Ahnung." Ich verzichtete darauf, ihm zu sagen, dass ich Elijahs Entscheidung verstehen konnte. Das würde nur noch mehr Fragen und Probleme aufwerfen. Aber Damon schien meine Antwort zu reichen, denn er nickte nur zufrieden und setzte sich dann neben mich aufs Bett.

"Ich verstehe trotzdem noch nicht, was du hier machst. Wieso bist du hiergeblieben, als Elijah verschwunden ist?"

"Ich habe beschlossen, dass ich hier einziehe", sagte ich ehrlich und grinste dann leicht. "Das ist so ein schönes Haus, es wäre doch eine Schande, wenn das niemand nutzt. Und es ist deutlich angenehmer als mein winziges Hotelzimmer, in dem man selbst ohne Vampirgehör alle Geräusche aus den Nachbarzimmern hört."

Damon lachte leise und fuhr sich durch die Haare, doch bei dieser Bewegung wurde ich augenblicklich wieder ernst. Sofort richtete ich mich noch mehr auf und griff nach Damons Arm. Er wollte ihn schon zurückziehen, aber ich hielt ihn nur noch fester und sah mir die Wunde an seinem Unterarm an.

"Damon, was ist das?", fragte ich mit leichter Panik in meiner Stimme, und er seufzte resigniert auf.

"Das, Malina, ist leider genau das, wonach es aussieht. Ich wurde von einem Werwolf gebissen."

Hidden Past - The Story of Malina MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt