Chapter 74

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Zurück in New Orleans hatte ich das Gefühl, die Zeit würde verfliegen. Ich hatte Klaus geschrieben, dass er sich jederzeit bei mir melden konnte, wenn er mit Hayley Hilfe brauchen sollte, aber bis jetzt hatte er das nicht getan. Was mich allerdings auch nicht besonders wunderte, er verfolgte sicher seine eigenen Pläne. So hatte ich zumindest genug Zeit, um mit Kat unsere Wohnung fertig einzurichten. Wir hatten sogar unsere menschliche Nachbarin manipuliert, uns regelmäßig mit Blutkonserven zu versorgen, weil sie ganz in der Nähe im Krankenhaus arbeitete. Am liebsten hätte ich auch direkt von ihr getrunken, aber dank Marcels sinnloser Regel, sich von den Einheimischen fernhalten zu müssen, stand das nicht zur Debatte. Eigentlich interessierten mich die Regeln von diesem verhältnismäßig jungen Vampir kein Stück, aber ich wollte keine unnötige Aufmerksamkeit auf uns ziehen.

Das hatte sich aber in der Sekunde erledigt, in der meine aufgebrachte Schwester bei uns vor der Tür stand. "Rebekah, was ist passiert?", fragte ich besorgt. Eigentlich wollte sie doch gar nicht hierher nach New Orleans kommen. Was hatte nur ihre Meinung geändert?

"Unser Bruder, das ist passiert", antwortete sie wütend. "Nik hat Elijah erdolcht, und als wäre das noch nicht schlimm genug, hat er ihn Marcel gegeben, angeblich als Friedensangebot."

"Moment, was?", fragte ich schockiert nach. "Marcel hat unseren Bruder? Wie konnte Klaus das nur tun?"

"Frag mich was Leichteres. Ich bin nur hergekommen, um nach Elijah zu sehen, weil er sich plötzlich nicht mehr gemeldet hat. Und jetzt muss ich erfahren, dass Klaus ihn bei unserem neuen Erzfeind gelassen hat. Ich muss wissen, wo Marcel unseren Bruder versteckt hat. Hast du eine Idee?"

"Nein, wir haben bisher versucht, uns von Marcel fernzuhalten, damit wir unsere Ruhe haben", antwortete ich seufzend und drehte mich in unsere Wohnung. "Kat? Hast du eine Idee?"

Sofort kam Katherine zu uns, nur in ein Handtuch gewickelt, weil sie gerade aus der Dusche kam. "Wo Marcel einen Urvampir verstecken würde? Keine Ahnung. Aber ich habe einen Vorschlag, wie du es herausfinden könntest", meinte sie zu Rebekah, die allerdings alles andere als optimistisch aussah.

"Und was für ein toller Vorschlag soll das sein? Was weißt du schon über Marcel?"

"Na ja, ich kenne ihn sicher nicht so gut wie du", antwortete Katherine grinsend in Anspielung darauf, dass Rebekah früher mal etwas mit ihm gehabt hatte, als sie alle noch hier in New Orleans gelebt hatten. Dafür rammte ich ihr leicht meinen Ellbogen in die Rippen, sodass sie zumindest weiterredete, bevor Rebekah beleidigt sein konnte. "Aber ich habe selbst hier noch meine Leute, die mich über alles Wichtige informieren. Und zufälligerweise hat Marcel Interesse an einer ganz bestimmten Blondine gezeigt, der Barfrau vom Rousseau's. Sie scheint ihm wichtig zu sein, also solltest du über sie ohne Probleme an Marcel rankommen."

Einige Sekunden schwieg Rebekah, nickte dann aber. "In Ordnung, das sollte tatsächlich funktionieren. Ich melde mich, sobald ich weiß, wo Elijah ist."

"Pass auf dich auf!", rief ich meiner Schwester hinterher, die schon verschwand, während Katherine nur leise "Ein Danke wäre auch nett gewesen" nuschelte.

"Mach dir nichts draus, sie ist dir sicher total dankbar", grinste ich leicht, bevor ich die Tür wieder schloss und mich grinsend zu ihr umdrehte, um sie zu mustern. "Aber vielleicht reicht es dir ja auch, wenn ich dir zeige, wie dankbar ich dir bin."

Es dauerte nicht mal zwei Stunden, bis es wieder an unserer Tür klopfte und ich lächelnd öffnete, in der Erwartung, Rebekah dort stehen zu sehen. Leider war der Anblick jedoch alles andere als erfreulich, denn vor mir stand Marcel, hinter sich seine beiden engsten Freunde Thierry und Diego.

"Marcel höchstpersönlich, womit habe ich denn die Ehre verdient?", fragte ich, wobei mein Tonfall deutlich machte, dass ich darin alles andere als eine Ehre sah. Ich hatte seinen Namen kaum ausgesprochen, da stand schon Katherine neben mir und lehnte sich in den Türrahmen, dieses Mal glücklicherweise vollständig bekleidet, wurde von Marcel jedoch nicht weiter beachtet.

"Du bist also Malina Mikaelson, ja?", meinte er und musterte mich genau. "Ich hätte erwartet, dass du größer bist."

"Und ich hätte erwartet, dass du einschüchternder bist", erwiderte ich trocken. "So werden wenigstens unsere beiden Erwartungen enttäuscht. Aber ich schätze, du bist nicht hier, um mich nur mal kennenzulernen und mich nebenbei zu beleidigen. Also, Marcel, was gibt's denn so Wichtiges?"

"Ich wollte nur mal sehen, wer die mysteriöse neue Mikaelson-Schwester wohl ist. Und sie daran erinnern, dass für sie und ihre... Mitbewohnerin hier genau die gleichen Regeln gelten wie für jeden anderen auch."

"Ihre Freundin", korrigierte Katherine und legte demonstrativ ihren Arm um meine Schulter. "Die zufälligerweise mehr als doppelt so alt ist wie du und sich nicht so leicht einschüchtern lässt."

"Es ist mir vollkommen egal, wie alt ihr seid. Diese Stadt gehört mir, und wenn ihr hier leben wollt, werdet ihr euch an meine Regeln halten müssen."

"Ansonsten was?", fragte Kat angriffslustig, aber ich legte beruhigend meine Hand in ihren Rücken.

"Alles gut, Kat, Marcel wird sicher nicht so dumm sein, dem ältesten Vampir der Welt zu drohen", meinte ich gelassen und warf Marcel einen ernsten Blick zu. "Wir leben seit Monaten hier und haben seitdem keine einzige deiner Regeln gebrochen. Ich bin mir sicher, dass du das weißt, also was soll das hier?"

"Der älteste Vampir?", fragte einer von Marcels Handlangern nach, als Marcel selbst keine Anstalten machte, mir zu antworten. "Wie soll das sein? Du bist kein Urvampir, also musst du ganz gewöhnlich mit Vampirblut verwandelt worden sein. Also wird es vor dir bereits einen Vampir gegeben haben oder nicht?"

"Beeindruckend, Thierry, deine Logik ist tadellos", antwortete ich ironisch. "Und leider ebenso falsch. Auch wenn meine Geschwister zeitlich vor mir verwandelt wurden, bin ich älter als sie und somit auch älter als alle anderen Vampire. Es gibt mehr als eine Möglichkeit, unsterblich zu werden. Habt ihr sonst noch irgendwelche Fragen, oder willst du weiter unsere kostbare Zeit stehlen, Marcel?"

"Pass auf, was du sagst", knurrte Diego. "Marcel ist hier der König, du solltest ihn also mit dem nötigen Respekt behandeln." Drohend trat einen Schritt auf uns zu, wurde aber von Marcel aufgehalten, der anfing zu grinsen.

"Ruhig, Diego. Wir sind doch aus ganz friedlichen Gründen da", meinte Marcel gelassen, und gab mir somit die nötige Zeit, mich zusammenreißen, um nicht in Lachen auszubrechen. Respekt vor Marcel, nur weil seine Kumpels ihn König nannten? Sicher nicht. "Heute Abend findet eine Party in meinem Anwesen statt. Ihr beide seid herzlich eingeladen, dein Bruder wird auch kommen."

"Ich vermute mal, du meinst damit nicht den Bruder, den du mit einem Dolch in der Brust irgendwo versteckt hältst?", vermutete ich, woraufhin Marcel sofort wieder ernst wurde.

"Ich werde euch Elijah nicht zurückgeben, wenn du darauf anspielst", verkündete er. "Deine Schwester hat das bereits versucht, sie wird dir sicher berichten, wie gut das funktioniert hat. Wenn du also auch vorhaben solltest, nach deinem Bruder zu suchen, solltest du nicht vergessen, dass ihr ihn nicht so einfach zurückbekommen werdet und ihr euch nicht mit mir anlegen solltet. Vor allem weil ihr beide nicht so unsterblich seid wie Rebekah." Als hätte er uns nicht gerade mit dem Tod gedroht, setzte er wieder ein Grinsen auf und reichte uns eine Einladung, auf die groß das Mikaelson-Wappen gedruckt war, das er anscheinend jetzt auch ganz dreist für sich selbst nutzte. "Ich hoffe, wir sehen uns heute Abend!"

Hidden Past - The Story of Malina MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt